Martin Bürki (FDP): «Es lassen sich immer dieselben Ratsmitglieder provozieren»

Ein Vermögensverwalter, der sich für Gratis-Entsorgung einsetzt: FDP-Politiker Martin Bürki engagiert sich in Wollishofen im Quartierverein und bedauert die «zunehmende Polarisierung» im Rat.

Er sitzt bereits seit 2013 im Gemeinderat, 2018 amtete er als Ratspräsident: Martin Bürki.

«Das kann nicht sein», dachte Martin Bürki, als er vor einigen Wochen in der Zeitung las, dass die Stadt die Entsorgungs-Coupons abschaffen will. Wenn es nach ihm ginge, könnte Entsorgung durchaus etwas kosten. Doch bevor man die Coupons abschafft, mit denen Stadtzürcher:innen bei den Recyclinghöfen gratis Sperrgut entsorgen können, sollte Bürkis Meinung nach ein gutes Alternativangebot vorhanden sein. 

«Wir haben die Cargo-Trams, aber dort kann man ja nicht mit dem Auto hin.» Das bedeute, dass man grössere Gegenstände faktisch nicht mehr kostenlos entsorgen könne. Bürki befürchtet einen Anstieg illegaler Entsorgungen. Deshalb fordert er zusammen mit seinen Parteikolleg:innen Flurin Capaul und Marita Verbali, dass die Stadt die Coupons erst streicht, wenn es ein entsprechendes Ersatzangebot gibt. Der Rat hat am Mittwoch die Dringlichkeit ihres Postulats beschlossen und wird nächste Woche darüber diskutieren. 

Eigentlich ist es überraschend, dass sich Bürki für dieses Anliegen starkmacht – arbeitet er privat doch als Vermögensverwalter. Ob diese Arbeit seine Politik prägt? Nicht wirklich, sagt er, da in der Finanzbranche viel national geregelt sei. Dafür erwähnt er sein Engagement als Präsident des Quartiervereins Wollishofen. Dieses Amt habe grossen Einfluss auf seine Arbeit im Gemeinderat.

«Bei den Velovorzugsrouten muss die Stadt einen Kompromiss mit den Anwohner:innen finden.»

Martin Bürki

In Wollishofen gab es im letzten Jahr zwei zentrale Themen für die Bevölkerung. Einerseits wichtig ist die Entwicklung des Seeufers. Im Raum der Kibag bei der Roten Fabrik engagiert sich Bürki gegen den Bau von Wohnhäusern, da dadurch Lärmklagen befürchtet werden und der Freiraum bedroht sei. Das zweite Anliegen betrifft die geplante Velovorzugsroute, die im Quartier auf grossen Widerstand stösst. «Rund 480 Einsprachen wurden gegen das Projekt eingereicht, was eine lebhafte Diskussion in der Nachbarschaft ausgelöst hat.» Hier müsse die Stadt einen Kompromiss mit den Anwohner:innen finden, findet er.

Bürkis politische Karriere begann 1998 mit dem Beitritt zur FDP. 2013 schaffte er den Sprung in den Zürcher Gemeinderat und 2018 übernahm er das Ratspräsidium. «Das war eines der spannendsten Jahre meiner politischen Laufbahn», sagt der Politiker. In dieser Funktion initiierte er das Programm «Hinter die Kulissen», das Gemeinderät:innen die Möglichkeit gab, verschiedene städtische Aufgabenbereiche direkt zu erleben – sei es bei der Kanalreinigung, bei der Müll-Polizei oder als Tramfahrer:in.

«Wer solche Einsätze selbst erlebt hat, trifft bessere Entscheidungen», ist Bürki überzeugt. Das Projekt hätte er jedoch mangels persönlicher Ressourcen nach der Pandemie nicht wieder aufgenommen.

Als grosser Fan der Street Parade setzt sich Bürki für deren Erhalt ein. Er sieht darin nicht nur einen Event für die junge Generation, sondern auch einen bedeutenden Imagefaktor für die Stadt Zürich. 

Nicht nur da spiegeln sich die Anliegen der FDP im Politiker wider:  So bedauert er beispielsweise auch die zunehmende Polarisierung in der Politik. «Es sind immer wieder dieselben Leute, die sich von der Gegenseite provozieren lassen. Das bringt nichts und lähmt das Parlament», sagt er. Zudem gebe es junge Politiker:innen, die «strikt nach Parteibüchlein» argumentieren würden und nicht bereit wären, auf die andere Ratsseite zuzugehen.

Trotz der Herausforderungen möchte Bürki in der Lokalpolitik bleiben. «Nach so vielen Jahren im Gemeinderat wäre auch die Arbeit im Kantonsrat spannend», gibt er zu, doch die lokale Ebene fasziniere ihn weiterhin am meisten: «Ich habe vor, noch einmal für vier Jahre anzutreten.»

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Es waren zwei zentrale Erfahrungen, die mich dazu motiviert haben, in die Politik zu gehen. Mein Vater war Direktor des Bundesamts für Verkehr und arbeitete eng mit dem SVP-Bundesrat Adolf Ogi zusammen. Inspirierend war ein Gespräch mit Ogi, als er mich als 21-Jähriger nach meiner Meinung zur Fusion von Bankgesellschaft und Bankverein fragte. Dieses Erlebnis beeinflusst bis heute mein politisches Handeln. Auch das Motto von Ogi in der Politik: «Man muss Menschen mögen» ist für mich zentral.

Zum anderen war mein Engagement während des Studiums bei der Studierendenvertretung der UNO entscheidend. Bei internationalen Konferenzen zu Nachhaltigkeit und zur sozialen Verantwortung von Unternehmen erkannte ich, dass politische Entscheidungen die Regeln für Veränderungen in der Welt schaffen. Nach meinem Umzug von Bern nach Zürich trat ich 1998 der FDP bei und engagierte mich zunächst bei der Organisation von Veranstaltungen, bis ich dann für den Gemeinderat kandidierte.

Mit welcher Ratskollegin oder welchem Ratskollegen der politischen Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Ich würde mich gerne mal mit den Vertreter:innen der IG Quartiervereine von linker Ratsseite zusammensetzen und schauen, ob wir eine gute Lösung für die neue Beitragsweisung der Stadt für die Quartiervereine finden werden, die bald ins Parlament kommt. Dabei plant die Stadt eine extrem detaillierte Subventionsvereinbarung zu erlassen, der viel zusätzlichen Aufwand bringt. Zeit, die wir lieber für ein lebendiges Quartier investieren würden. Konkret sind dies Heidi Egger (SP), Ivo Bieri (SP), Matthias Propst (Grüne), Karen Hug (AL) und Christian Häberli (AL).

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert? 

Die letzte Budgetsitzung hat mich am meisten genervt. Die Stadt beantragte bei der letzten Budgetsitzung, drei zusätzliche Jurist:innen anzustellen, um die Velovorzugsrouten schneller umzusetzen. Ich bin eigentlich der Meinung, dass wir viel mehr erreichen würden, wenn man auf die Bevölkerung zugeht und gemeinsam Lösungen entwickelt. Doch der Vorschlag des Stadtrats wurde dann durch die Stimmen der linken Ratsmehrheit angenommen.

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