In Zürich nichts Neues: Junge Menschen häufig von Leerkündigungen betroffen
Nirgends wird so oft einer ganzen Mieterschaft gekündigt wie in Zürich. Besonders häufig trifft es 25- bis 35-Jährige. Ein Ergebnis, das unsere Redaktorin wenig erstaunt. Ein Kommentar.
Galt es früher eher als Randphänomen, allen Mieter:innen gleichzeitig zu kündigen, ist es mittlerweile zum Usus geworden. Dafür gibt es in der Stadt Zürich etliche Beispiele aus dem Kreis 3 oder Schwamendingen.
Ein neuer Bericht der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zeigt das Ausmass. Zwischen 2018 und 2022 waren schweizweit jährlich mehr als 2’000 Mehrfamilienhäuser mit über 30’000 Bewohner:innen von Leerkündigungen betroffen. Innerhalb von fünf Jahren mussten also insgesamt über 120’000 Mieter:innen aus- respektive umziehen, weil ihr Zuhause entweder saniert oder abgerissen wurde.
Wenig überraschend führt Zürich das Ranking an. 1’270 Mehrfamilienhäuser wurden während des analysierten Zeitraums in der Limmatstadt komplett entmietet. Mehr als dreimal so viel wie in der Stadt Basel, die Platz zwei belegt.
Leidtragende dieser Entwicklung sind laut ZKB vor allem Mieter:innen zwischen 25 und 35 Jahren – also Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln wie Studierende, Auszubildende oder junge Familien.
Auch ich falle in diese Altersgruppe. Auch mir droht dieses Schicksal. Nachdem mein Mitbewohner und ich 2022 die mündliche Zusage für eine Mietwohnung im Kreis 10 erhalten hatten, überraschte uns die Verwaltung mit einem befristeten Vertrag. 2027 sollen wir wieder ausziehen.
Gründe dafür konnte man uns nicht nennen, was die Eigentümerin mit dem Haus vorhabe, sei noch unklar. Man muss aber keine Fachperson sein, um bei der 1942 erbauten Liegenschaft mit Gasheizung einen Abriss oder zumindest eine Totalsanierung zu vermuten.
Wie die ZKB schreibt, sind 80 Prozent der Objekte, bei denen allen Mieter:innen gleichzeitig gekündigt wird, über 40 Jahre alt. Natürlich haben wir den Vertrag trotzdem unterschrieben. Wir sind hier schliesslich in Zürich, man nimmt, was man bekommt.
Dass immer mehr Mietverhältnisse in Zürich befristet vergeben werden, ist eine neue Entwicklung: Laut Tages-Anzeiger war zwischen Januar und März 2024 jede achte Wohnung zur Untermiete ausgeschrieben – was 13 Prozent entspricht. Im Jahr 2014 habe die Zahl noch bei knapp drei Prozent gelegen.
Gründe dafür sehen Immobilienexpert:innen der Zeitung zufolge darin, dass Mieter:innen zum einen ihre Wohnung lieber untervermieten statt zu kündigen und dass zum anderen Leerkündigungen zugenommen haben, weshalb Wohnraum vermehrt als Zwischennutzung angeboten wird.
Durch Leerkündigungen müssen also nicht nur tausende Mieter:innen pro Jahr eine neue Bleibe suchen, sie führen auch dazu, dass mehr Menschen in befristeten Mietverhältnissen leben.
Besonders problematisch wird es, wenn man diesen Trend vor den allgemeinen Entwicklungen auf dem Zürcher Wohnmarkt betrachtet: der tiefen Leerwohnungsziffer und den steigenden Neumieten. Veränderungen, die vor allem jungen Menschen zusetzt, die noch in der Ausbildung sind, vor einer Familiengründung stehen oder aus anderen Gründen begrenzte finanzielle Mittel haben.
Diese Umstände spiegeln sich auch in der Zufriedenheit wider. Gemäss einer aktuellen Auswertung des Immobilienberatungsunternehmens Wüest und Partner sind unter 35-Jährige weniger glücklich mit ihrer Wohnsituation als ältere Generationen.
Die Rechnung ist einfach: Je grösser die finanziellen Mittel, desto eher kann man sich eine Wohnung leisten, die einem gefällt und bei der keine Kündigung droht.
Deshalb führt der ZKB-Bericht zu den Leerkündigungen lediglich vor Augen, was eigentlich offensichtlich ist. Unter der drohenden Wohnungsnot leiden jene am stärksten, die oft bereits in schwierigen Mietverhältnissen stecken.
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