Bäckerei Oski Kuhn: «Wir haben keinen Rappen von der Stadt erhalten»

Die Bäckerei O. Kuhn hat ein Jahr Baustelle im Kreis 4 knapp überlebt – auf Unterstützung der Stadt wartet sie bis heute vergeblich.

Oski Kuhn
Artmenis Guci unterstützt seinen Vater in der Bäckerei. (Bild: Sophie Wagner)

Fernwärmeleitungen, Tramgleise, Velostreifen – Zürich ist im Baufieber. Allein dieses Jahr nahm das Tiefbauamt 80 neue Bauprojekte in Angriff. Mit den bereits laufenden Arbeiten zählte das Amt insgesamt 165 Baustellen in der Stadt Zürich.

Einerseits treibt Zürich beispielsweise mit dem Ausbau der Fernwärmeleitungen den Weg zur klimaneutralen Stadt voran, andererseits müssen bestehende Gleise und Strassen laut der Stadt regelmässig saniert werden. Doch während die Infrastruktur für die Zukunft fit gemacht wird, kämpfen viele Kleinunternehmen ums Überleben.

«Das Tiefbauamt meinte, wir hätten im Vorhinein sparen sollen. Aber wie hätten wir das machen sollen?»

Artmenis Guci, Sohn des Inhabers der Bäckerei O. Kuhn

Absperrungen und Bauzäune erschweren den Blick auf ihre Geschäfte, Lärm und Staub halten Kund:innen fern, und der Zugang ist oft eingeschränkt. Das hat Auswirkungen auf den Umsatz.

So auch bei der Traditionsbäckerei O. Kuhn im Zürcher Kreis 4. Mehr als ein Jahr war der Abschnitt der Badenerstrasse beim Albisriederplatz wegen Sanierungsarbeiten sowie dem hindernisfreien Ausbau der Tramhaltestelle «Zypressenstrasse» gesperrt. Eine Baustelle direkt vor der Backstube.

Schon zu Beginn der Arbeiten im Mai 2024 äusserte der Inhaber Fatmir Guci gegenüber Tsüri.ch, dass der Umsatz des Geschäfts um 50 Prozent gesunken sei.

 

Wer erhält Entschädigungen?

Während grössere Betriebe Umsatzeinbussen besser abfedern können, kommen kleine Betriebe schnell an ihre Grenzen. Plötzlich wurde die Bäckerei O. Kuhn zu einem reinen Familienunternehmen aus vier Köpfen – alle arbeiteten unbezahlt.

«Das Tiefbauamt meinte, wir hätten im Vorhinein sparen sollen. Aber wie hätten wir das machen sollen?», fragt Artmenis Guci, Sohn des Inhabers.

Bis heute hat die Bäckerei keinen Rappen Entschädigung von der Stadt erhalten. Dabei forderte die Stadtzürcher FDP bereits 2024 finanzielle Unterstützung für betroffene Kleinunternehmen.

Auch der Steiner Flughafebeck in Wipkingen war bis zum Frühjahr von Bauarbeiten betroffen. Oliver Häni, Geschäftsführer der Bäckerei, schreibt auf Anfrage: «Wir mussten die Öffnungszeiten anpassen und hatten rund 50 Prozent Umsatzeinbussen. Allerdings konnten wir als grösserer Betrieb diese Einbussen auffangen. Eine Entschädigung haben wir nicht bekommen.»

Die Stadt Zürich erklärt, dass die Rechtsprechung bei Schadensersatz für Bauimmissionen sehr streng sei. «Gewerbetreibende müssen damit rechnen, dass die öffentliche Infrastruktur vor ihrem Geschäft alle paar Jahrzehnte saniert wird.» Zudem werde in der Regel so geplant, dass nicht länger als sechs Monate direkt vor einem Geschäft intensiv gebaut wird.

Eine Entschädigung komme nur in Ausnahmefällen infrage, wenn die Baustelle mindestens sechs Monate dauere, erheblicher Lärm oder Staub entstehe und ein Umsatzrückgang von mindestens 20 bis 30 Prozent nachweisbar sei.

Laut der Stadt wurde in den letzten fünf Jahren nur in einem einzigen Fall eine geringe fünfstellige Summe ausbezahlt.

Verzögerungen der Bauarbeiten würden die Entschädigungsbeurteilung nicht beeinflussen. Änderungen im Verfahren, um Entschädigungen für Kleinunternehmen zu erleichtern, seien vom Tiefbauamt nicht geplant.

Medienrummel sorgte für Gratiswerbung

Dank Berichterstattung in den lokalen Medien und der Aufmerksamkeit auf Social Media konnte sich die älteste Bäckerei im Kreis 4 gerade so über Wasser halten. «Wir haben die Baustelle überlebt», sagt Artmenis Guci erleichtert und betont, wie dankbar er und sein Vater den Medien und allen Unterstützer:innen seien.

Finanziell konnte sich der Betrieb inzwischen etwas erholen – auch wenn der Weg dahin «zeitweise aussichtslos wirkte», wie Fatmir Guci rückblickend erzählt.

Aktuell sorgen lediglich die Schulsommerferien für mangelnde Kundschaft. In dieser Zeit lohnt es sich kaum, geöffnet zu bleiben, erklärt der Inhaber. Deshalb schliesse die Bäckerei für drei Wochen.

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Sophie Wagner

Ausbildung als Polygrafin EFZ an der Schule für Gestaltung in Bern und aktuelle Studentin Kommunikation mit Vertiefung in Journalismus an der ZHAW Winterthur. Einstieg in den Journalismus als Abenddienstmitarbeiterin am Newsdesk vom Tages-Anzeiger, als Praktikantin bei Monopol in Berlin und als freie Autorin beim Winterthurer Kulturmagazin Coucou. Seit März 2025 als Praktikantin bei Tsüri.ch

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