Abstimmung 30. November

Kein Vorkaufsrecht, mehr Geld fürs Velo: So hat Zürich abgestimmt

Am Sonntag hat die Zürcher Stimmbevölkerung über mehrere Vorlagen entschieden. Unter anderem kann auf städtischen Strassen künftig nur noch der Kanton Tempo 30 einführen, Gemeinden erhalten kein Vorkaufsrecht und die Stadt darf 350 Millionen Franken in Velowege investieren.

Strasse Zürich Autos Verkehr
Neu darf der Kanton entscheiden, wo in der Stadt Zürich Temporeduktionen umgesetzt werden – und wo nicht. (Bild: Unsplash/Claudio Schwarz)

Am Sonntag hat die Zürcher Stimmbevölkerung über sieben kommunale und vier kantonale Vorlagen entschieden. Die Ergebnisse:

Kommunal

350 Millionen Franken zusätzlich für Veloinfrastruktur

Die Stadt erhält mehr Geld für den Ausbau der Veloinfrastruktur: 55,36 Prozent der Stadtzürcher Stimmberechtigten sagten Ja zum Rahmenkredit.

Besonders deutlich war die Zustimmung in den Kreisen 4 und 5. Über 70 Prozent sprachen sich für die Vorlage aus. In den Randregionen musste die verantwortliche Stadträtin Simone Brander einstecken: Die Kreise 7, 8, 11 und 12 lehnten die zusätzlichen 350 Millionen Franken ab.

Seebahn-Höfe dürfen abgerissen werden

Zu einem deutlichen Resultat kam es bei der Abstimmung über den Gestaltungsplan der Seebahn-Höfe: 72,03 Prozent der Stimmberechtigten befürworten den geplanten Ersatzneubau.

Damit können die Bauherrinnen – die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ) und die Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals (BEP) – aufatmen. Seit zwei Jahrzehnten wollen sie die Siedlungen an der Seebahnstrasse im Kreis 4 abreissen und durch einen Neubau ersetzen. Dagegen hatte die Interessengemeinschaft (IG) «Seebahnhöfe retten» das Referendum ergriffen. Den Gegner:innen zufolge ist ein Abriss der fast hundertjährigen Bauten nicht mehr zeitgemäss.

Mehr Entlastung bei Krankenkassenprämien

Ebenfalls angenommen wurde die Prämienentlastungs-Initiative der SP: 56,43 Prozent der Stimmberechtigten wollen, dass die Stadt in Zukunft Menschen beim Bezahlen der Krankenkrassenprämien hilft. Nur in den Kreisen 7 und 8 überwog der Nein-Anteil mit 57,31 Prozent.

Konkret dürfen sich vor allem Personen mit einem Jahreseinkommen von rund 70'000 Franken brutto freuen – sie werden mit jährlich maximal 500 Franken unterstützt. Bisher übernahmen nur Bund und Kanton diese Kosten. Gemäss einer repräsentativen Umfrage von Comparis hat fast jede sechste Person in der Schweiz Schwierigkeiten, ihre Prämien zu zahlen.

Schulanlage Riedhof wird erweitert

73,04 Prozent der Stimmberechtigten sind dafür, dass die Stadt 108 Millionen Franken für den Ausbau der Schule Riedhof ausgibt. Der geplante Erweiterungsbau in Höngg soll Platz für 21 Primarklassen und 730 Schüler:innen schaffen. Vorgesehen sind zudem eine Doppelsporthalle, Räume für die Musikschule Konservatorium Zürich (MKZ) sowie eine grosse Küche mit Essräumen.

ELCH Familienzentren erhalten mehr Geld

Der Verein ELCH für Eltere und Chind wird künftig von der Stadt stärker unterstützt. Alle Stadtkreise sprachen sich für die Erhöhung der Beiträge auf 2,3 Millionen Franken aus. Entsprechend deutlich ist das Resultat: 74,85 Prozent der Stimmbevölkerung sagten Ja.

Die Angebote in den Familienzentren reichen von Kinderbetreuung über Kreativwerkstätten bis hin zu Theaterkursen für Kinder an. Gerade in sozial durchmischten Quartieren schafft der Verein damit Begegnungs- und Vernetzungsräume.

Stadt kann Ersatzneubau Luchswiesen umsetzen

Auch ein Bauprojekt der Stadt hat es durch die Abstimmung geschafft: 79,83 Prozent der Stimmberechtigten befürworten den Ersatzneubau Luchswiesen in Schwamendingen. Die rund 60 Jahre alte Wohnsiedlung mit 72 Wohnungen ist laut der Stadt in einem schlechten Zustand. Der Neubau wird künftig 90 Wohnungen mit 1,5 bis 6 Zimmern sowie Atelierwohnungen bieten – 18 mehr als derzeit.

Wie bei städtischen Neubauprojekten üblich, soll etwa ein Drittel der Wohnungen subventioniert werden. Geplant ist zudem ein Betreuungsgebäude für die benachbarte Schulanlage Luchswiesen.

Neue Bestimmungen für Wahlbüros

Um eine reine Formsache handelte sich die Vorlage über neue Bestimmungen zu Wahlbüros und Mehrheitswahlen. 89,62 Prozent der Stadtzürcher Stimmbevölkerung sind für die Änderung der Gemeindeordnung.

Neu wird also der Stadtrat die Anzahl der Mitglieder eines Wahlbüros festlegen. Bei Wahlen mit leeren Wahlzetteln ist künftig eine Beilage mit Informationen zu den Kandidierenden vorgesehen. Zudem soll das Stimmvolk weiterhin die Betreibungsbeamt:innen wählen.

Kantonal

Kein Vorkaufsrecht für Gemeinden

Die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen im Kanton Zürich» scheitert an der Urne klar: 59,33 Prozent der kantonalen Stimmberechtigten wollen nicht, dass die Gemeinden bei Landkäufen künftig ein Vorkaufsrecht haben.

Während die Vorlage in den Städten Zürich (59,74 Prozent Zustimmung) und Winterthur (52,93 Prozent Zustimmung) angenommen worden wäre, folgt die Kantonsbevölkerung der Empfehlung der Regierung und nimmt den Gegenvorschlag des Kantonsrats knapp an.

51,01 Prozent der Stimmberechtigten schicken zwar das Vorkaufsrecht Bach ab, wollen aber die Mittel für die kantonale Wohnbauförderung verdoppeln. Neu wird der Kanton also 360 statt 180 Millionen Franken dafür zur Verfügung haben. Mit dem Geld werden zinslose Darlehen an Genossenschaften und andere gemeinnützige Bauunternehmen vergeben. Damit soll der Bau von preisgünstigem Wohnraum gefördert werden.

Hoheit über Tempo 30 in Städten liegt neu beim Kanton

Anders als von den Städten erhofft, sprach sich die kantonale Stimmbevölkerung für die Mobilitätsinitiative aus: 56,77 Prozent sind dafür, dass Zürich und Winterthur nicht mehr eigenhändig Tempo-30-Zonen einführen können. Stattdessen liegt diese Kompetenz nun beim Kanton. Damit will man verhindern, dass Temporeduktionen auf wichtigen Verkehrsachsen wie der Rosengartenstrasse eingeführt werden.

Anders als beim Vorkaufsrecht kam die Zustimmung auch aus städtischen Regionen: So befürworten Teile von Winterthur sowie die Kreise 7 und 8 (51,27 Prozent Zustimmung) die Änderung des Strassengesetzes.

Kanton muss nicht mehr für Prämienverbilligungen bezahlen

Äusserst knapp wurde es bei der Frage, ob der Kanton Zürich bald mehr Geld für Prämienentlastungen einberechnen muss – gleich viele Anteile wie der Bund. 51,07 Prozent der Stimmberechtigten sagten Nein zur Vorlage und wollen alles beim Alten belassen. Auch hier verloren die Städte gegen ländlichere Gemeinden.

Digitale Integrität wird nicht zu Grundrecht

Deutlicher abgelehnt wurde die Volksinitiative «Für ein Grundrecht auf digitale Integrität»: 74,61 Prozent der kantonalen Stimmberechtigten folgten damit den Argumenten der Regierung und des Parlaments. Die Vorlage blieb in allen Gemeinden chancenlos.

Etwas weniger eindeutig sieht es beim Gegenvorschlag aus, der die Forderungen des Initiativkomitees präzisiert. Hier waren nur 55,63 Prozent der Stimmberechtigten dagegen. In den Städten Zürich und Winterthur wäre dieser angenommen worden; mit 56,51 respektive 51,25 Prozent.

Konkret wollte die Initiative, dass Menschen im digitalen Raum besser geschützt werden, zum Beispiel beim Datenschutz, bei der Sicherheit vor Überwachung oder dem Recht auf Vergessenwerden. Zudem beinhaltete die Forderung das Recht auf ein «Offline-Leben»: Staatliche Leistungen sollen nicht nur digital, sondern weiterhin auch auf Papier oder persönlich bezogen werden können.

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isabel

Ausbildung zur tiermedizinischen Praxisassistentin bei der Tierklinik Obergrund Luzern. Danach zweiter Bildungsweg via Kommunikationsstudium an der ZHAW. Praktikum bei Tsüri.ch 2019, dabei das Herz an den Lokaljournalismus verloren und in Zürich geblieben. Seit Anfang 2025 in der Rolle als Redaktionsleiterin. Zudem Teilzeit im Sozialmarketing bei Interprise angestellt.  

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