Ivo Bieri (SP): «Ich bin der, der immer auf ein Bier mitkommt»
Im Gemeinderat setzt sich Ivo Bieri vor allem für das Quartier Witikon im Kreis 7 ein. Mit der Motivation, Zürich für alle lebenswert zu gestalten, trat er 2021 für die SP das Amt an.
Ivo Bieri übernahm vergangenes Jahr nach weniger als vier Jahren im Gemeinderat bereits das Amt des zweiten Vizepräsidenten. Seine grösste Motivation, am Mittwochabend in den Gemeinderat zu gehen, ist aber, sich dort für den Kreis 7 einzusetzen, speziell das Quartier Witikon. «Witikon wächst wahnsinnig schnell, aber die Infrastruktur hinkt noch immer hinterher», sagt Bieri. «Das Quartier wird vom Werenbachtobel abgeschnitten und das klemmt die Bevölkerung vom Rest der Stadt ab.»
Eines seiner Anliegen ist deswegen, das Quartier im Nordosten von Zürich besser an den ÖV anzubinden. «Ausserdem braucht es dringend mehr Begegnungsräume, damit die Menschen nicht für ein bisschen Sozialleben in die Stadt hinunter müssen», sagt der 40-Jährige. Es reiche nicht, mehr Wohnungen zu bauen. Ein Quartier brauche auch einen Treffpunkt. Zusammen mit Balz Bürgisser von den Grünen arbeitet Bieri deswegen daran, einen Quartiersplatz zu schaffen.
Auch bei seinem jüngsten Vorstoss geht es um Plätze: Parkplätze.
Bieri reichte im Januar dazu eine schriftliche Anfrage ein, weil er nicht verstehe, warum die Stadt die Parkplätze beim ehemaligen Kinderspital im Kreis 7 privat vermietet und nicht zu blauen Zonenparkplätzen umnutzt. Der Gründer einer Kommunikationsagentur sagt, «Wenn die Stadt die Parkplätze fremd vermietet, sorgt das für mehr Verkehr im Quartier.» Die Flächen könnten besser genutzt werden, etwa als Freiräume. Denn für Bieri steht fest: «Private Parkplätze haben wir wirklich genug in Zürich.»
Neben seinem Amt im Gemeinderat und seiner Arbeit als Kommunikationsfachmann ist Ivo Bieri ausserdem Mitglied in verschiedenen Organisationen, die sich für die Rechte von queeren Menschen einsetzen. Das ist auch eines seiner zentralen Anliegen: Zürich soll für alle Menschen eine lebenswerte Stadt sein. Bieri findet im Alltag auch immer wieder Inspiration und Energie für seine politische Arbeit. «Oft denkt man ja an Ratsmitglieder, wenn es um politische Arbeit geht», sagt Bieri. Stattdessen sehe er jeden Tag in der Zeitung und auf der Strasse Menschen, die sich engagieren. Und «schlussendlich ist ja jedes Stammtischgespräch schon Politik, die gemacht wird.»
Warum sind Sie Gemeinderat geworden?
Politisch aktiv wurde ich bereits als Schüler im Gymnasium. Damals gab das Partnerschaftsgesetz zu reden, der Vorgänger der «Ehe für alle» auf kantonaler Ebene. Das war Ende 90er, Anfang Nullerjahre. Dabei habe ich eine überraschende Erfahrung gemacht: Ich hatte erwartet, vor allem mit älteren Personen lange Diskussionen führen zu müssen. Doch es kam genau umgekehrt. Viele junge Leute waren dem Thema der eingetragenen Partnerschaft gegenüber sehr kritisch.
Die Standaktionen und Gespräche auf der Strasse haben mir dann gezeigt, wie wichtig es ist, mit den Menschen in den Dialog zu treten und politische Anliegen zu erklären. Dadurch kann man tatsächlich etwas bewegen. Und umso mehr hat es mich dann gefreut, als das Gesetz auch angenommen wurde. So war für mich schnell klar, dass ich mich politisch engagieren möchte, um meinen Beitrag zu leisten und Zürich zu einer lebenswerten Stadt für alle zu machen.
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Mit welcher Ratskollegin oder welchem Ratskollegen der politischen Gegenseite würden Sie etwas trinken gehen wollen?
Wenn ich mich entscheiden muss, dann würde ich Stefan Urech von der SVP wählen. Er ist Lehrer und ich fände es spannend, mit ihm über das Spannungsfeld der SVP- und SP-Haltung zum Bildungssystem zu sprechen.
Ich finde das Afterwork-Bier sowieso wichtig. Während der Ratssitzungen stehen oft die politische Haltung und die Parteidisziplin im Vordergrund. Beim Bier nach der Sitzung hingegen kann man ungezwungen miteinander sprechen. Darum bin ich der Gemeinderat, der immer auf ein Bier mitkommt.
Welches Abstimmungsergebnis im Rat hat Sie am meisten gefreut?
Ich habe mich sehr gefreut, dass wir für das Areal Harsplen in Witikon eine Lösung gefunden haben, die den Bau von gemeinnützigen Wohnungen im Quartier sicherstellt. Durch Verhandlungen im Gemeinderat konnten wir zusätzliche Forderungen für den gemeinnützigen Wohnungsbau durchsetzen. Letztendlich hat die Stadt das Areal gekauft, sodass dort nun kostengünstiger Wohnraum entsteht.
Und welches Ergebnis hat Sie am meisten geärgert?
Mich ärgert es, dass der Gemeinderat zunehmend gezwungen ist, Forderungen für gemeinnützige Wohnanteile aufzustellen, weil private Bauträger:innen dies nicht von sich aus einplanen. Der soziale Ausgleich im Wohnungsbau funktioniert immer weniger, also muss der Rat immer vehementer eingreifen.
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