Klima-Briefing im September: Heizt du noch oder frierst du schon? - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Isabel Brun

Redaktorin

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30. September 2022 um 09:00

Klima-Briefing im September: Heizt du noch oder frierst du schon?

Das Klima-Briefing ist der monatliche Newsletter über Klima-Themen aus Zürich und der Welt. Was uns im September 2022 beschäftigt hat: Ein Richter spricht Klimaaktivist:innen frei, der Bund plant eine Solaroffensive und die Gletscherschmelze erschüttert Forschende.

Illustration: Zana Selimi

Im letzten Klima-Briefing von Ende Juli beschwerte ich mich noch über die Hitze bei uns im nicht-klimatisierten Büro. Mittlerweile habe ich die Wollpullover und Schals hervorgekramt und hoffe inständig darauf, dass in meiner Wohnung bald die Heizung angeht. Getreu dem Motto: Irgendwas ist immer. Dementsprechend haben sich auch die Klima-Themen in den vergangenen zwei Monaten gewandelt. Statt zu schwitzen ist nun frieren angesagt – und schon wünscht man sich die glühende Sonne zurück. Zumindest ein bisschen.

Die drohende Energiekrise dominiert deshalb nicht nur die Schweizer Medienlandschaft der vergangenen Wochen, sondern auch die folgenden Zeilen. Bevor wir uns dem Gas- und Stromengpass widmen, der uns kommenden Winter blühen könnte, möchte ich über die vergangene Woche berichten. Da wurde in Zürich nämlich gleich doppelt im Namen des Klimas demonstriert: Am Donnerstag, 22. September, schwangen sich um die tausend Velofans auf ihre Zweiräder und blockierten zeitweise die Zürcher Hauptverkehrsachsen. Zum Ärger von Autofahrer:innen, die bis zu einer Stunde im Stau standen. «Sie sollen mit dem Velo auf dem Trottoir oder in den Bergen fahren», fand der 20-jährige Flaki aus Wetzikon gegenüber dem Newsportal 20 Minuten.

Einen Tag danach fand zum 11. Mal der globale Klimastreik statt. Wie der Tages-Anzeiger schrieb, gingen auch an besagtem Freitag in der Limmatstadt ein paar tausend Menschen auf die Strasse. Der Klimastreik Zürich, der die Kundgebung organisiert hatte, sprach von 5000 Teilnehmenden, die sich für eine sozialere Krisenpolitik einsetzten. 

Am «World Car Free Day» heute vor einer Woche legten tausende Velofahrende in der Zürcher Innenstadt den Verkehr lahm. (Foto: Simon Jacoby)

Klimaaktivismus: Von Opfern und Täter:innen

Beide Demonstrationen waren bewilligt und liefen friedlich ab. Weil aber bewilligte Kundgebungen oft zu wenig Staub aufwirbeln, um konkrete Veränderungen in Gang zu setzen, wird immer wieder zu unlauteren Mittel gegriffen. So «lüftelten» Klimaaktivist:innen Anfang Monat in der Stadt Zürich die Pneus von rund 60 SUVs. Dafür verantwortlich ist laut Blick die Gruppe «The Tyre Extinguishers» – zu deutsch «die Reifenvernichter:innen» – gewesen. Die Stadtpolizei habe Kenntnis von der Aktion, so ein Mediensprecher gegenüber der Zeitung. «Es sind mehrere Meldungen und Anzeigen aus der Bevölkerung eingegangen.» Trotzdem gab es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels noch keine konkrete Tatverdächtigen.

Ganz anders sah das bei einer Protestaktion im Kunsthaus Zürich aus: Dort klebten sich am 11. September zwei Aktivist:innen an das Gemälde von Giovanni Segantini mit dem Namen «Alpenweide». Und auch in Lausanne wurde eine Darstellung einer alpinen Landschaft als Zielobjekt ausgewählt. Wie das SRF berichtete, hat es in Nachbarländern bereits Vorbilder gegeben: In Museen in Grossbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien klebten sich in den letzten Monaten immer wieder Personen an unterschiedliche Gemälde, um auf die Auswirkungen der Klimakrise aufmerksam zu machen.

Das Kunsthaus Zürich schien die Störung gelassen zu nehmen: «Solche Aktionen gehören zu den ganz normalen Szenarien, die regelmässig mit dem Sicherheitspersonal durchgespielt werden.» Sie seien ein Museum, kein Hochsicherheitstrakt. Trotzdem müssen die Betroffenen nicht nur mit einem Hausverbot, sondern auch mit einer Busse rechnen: «Gegen die Aktivisten wurde Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet», erklärte Mediensprecher Björn Quellenberg. In Lausanne hingegen habe man keine rechtlichen Schritte eingeleitet.

Bei den Aktionen in Zürich und Lausanne seien nur der Rahmen des Gemäldes beschädigt worden, so die Verantwortlichen. Bild: Screenshot Twitter/Renovate Switzerland

Ziviler Ungehorsam von Klimaaktivist:innen beschäftigen regelmässig die Gerichte. Ein Zürcher Bezirksrichter äusserte sich vor einigen Wochen sehr klar zu solchen Rechtsfällen: «Eine halbe Stunde lang eine blockierte Brücke in Zürich zu haben, das muss man hinnehmen», sagte der Richter Roger Harris nachdem er einige Minuten zuvor eine wegen Nötigung angeklagte Klimaaktivistin freigesprochen hatte. Gegenüber dem Onlinemagazin Republik hielt Harris fest, dass er nicht mehr bereit sei, friedliche Demonstrant:innen schuldig zu sprechen und solche staatlichen Straf­aktionen zu unterstützen. Jeder hat ihm zufolge das Recht, gewaltfrei zu demonstrieren. Nur bei Gewalt müsse eingegriffen werden. 

Letzteres sei bei der Angeklagten nicht der Fall gewesen: Die 46-Jährige nahm im Herbst 2021 an einer Sitzblockade der Organisation Extinction Rebellion auf der Rudolf-Brun-Brücke in Zürich teil und wurde anschliessend von der Polizei festgenommen. Nach zwei Tagen in Haft kam sie schliesslich frei, wurde aber von der Staatsanwaltschaft zu einer bedingten Geld­strafe von 15 Tages­sätzen à 30 Franken angeklagt. 

Spannend: Erst noch vor einem Jahr verurteilte Harris eine Jurastudentin wegen eines ähnlichen Verstosses. Bereits damals sagte der Einzelrichter zur NZZ, dass es nicht angenehm für ihn gewesen sei, eine junge Frau zu verurteilen, die gewaltlos für eine wichtige Sache eingestanden sei. Aber als Richter sei er dem Gesetz verpflichtet. Vielleicht sehe die Rechtsprechung in zehn Jahren anders aus, wenn die Sommer noch heisser und die Umweltprobleme noch grösser würden. Anstatt zehn, schien es also doch nur ein Jahr gedauert zu haben, bis Harris zu der Einsicht kam, dass Klimaaktivist:innen Opfer statt Täter:innen sind: «Ich habe etwas länger gebraucht, um zu merken, was das Ausmass ist, dass irgendwann jede:r verfolgt wird, wenn das so weitergeht. Wir sind an die Europäische Menschenrechts­konvention gebunden. Es gibt ein Mass an Behinderungen, das geduldet werden muss, damit die Meinungs­äusserungs- und die Versammlungs­freiheit gewährleistet sind», so der Richter.

«Darf er das überhaupt?», magst du dich fragen. «Ja», lautet die Antwort: Harris bewege sich innerhalb seines juristischen Spielraums, erklärte Stephan Schlegel von der Universität Basel in einem SRF-Beitrag zum Fall: «Wenn ein Richter empfindet, dass die Menschenrechte wichtiger sind als die Fortbewegungsfreiheit, dann ist das in Ordnung.»

Es bleibt brenzlig

Ob es Aktionen wie diese auf der Rudolf-Brun-Brücke oder im Kunsthaus Zürich wirklich braucht, darüber scheiden sich die Geister – nicht nur unter den Richter:innen. Nichtsdestotrotz sehen mittlerweile viele ein, dass es höchste Eisenbahn ist, klimapolitisch vorwärts zu machen. Das zeigten auch im Monat September wieder jene Meldungen: 

  1. In Afrika sind im letzten Jahr laut eines Berichts der Weltwetterorganisation (WMO) über 2,5 Millionen Menschen vor Überschwemmungen, Dürren und dem steigenden Meeresspiegel geflohen. Der Kontinent leide stark unter der Klimakrise, obwohl sich das Klima gemäss den Forschenden in den vergangenen 30 Jahren um nur 0,3 Grad erwärmt hat. Das Problem: Oftmals würden Frühwarnsysteme und meteorologische Daten fehlen, die ein besseres Monitoring ermöglichten. 
  2. Nicht nur die Gletscher auf dem Kilimandscharo, auch solche in den Schweizer Alpen sind in den letzten Monaten rekordmässig geschmolzen. «Wir haben in den Alpen nirgends mehr Schnee vom letzten Winter. Das ist für die Gletscher absolut dramatisch», sagte Matthias Huss gegenüber SRF. Bereits im Klima-Briefing von Juli hatte ich den Gletscherforscher zitiert: Schon damals ging er davon aus, dass der Sommer 2022 die Gletscher in der Schweiz bis auf ein Minimum reduzieren wird. Nun weiss er aus Messungen: In den letzten Monaten verloren sie rund sechs Prozent ihres Eisvolumens. Die Meldung schlägt auch im Ausland hohe Wellen. Richtig etwas dagegen tun, kann man laut Huss jedoch nicht: Das einzige, was wirklich hilft, ist, das Klima zu schützen. Wenn das nicht gut gemacht werde, «dürfte praktisch alles Eis in der Schweiz verschwinden – vielleicht bis auf ein paar kleine Reste auf über 4000 Metern.»
  3. Gebiete aufzuforsten gilt beim Klimaschutz als altbekanntes Rezept: Denn ein Baum kann – und das weiss jedes Kind – CO2 speichern. Doch so einfach scheint es auch hier nicht zu sein: Laut einer Studie des Wissenschaftsmagazins Science helfen neue Bäume dem Klima erstmal nicht. Zumindest nicht, wenn diese in einem früheren Trockengebiet angepflanzt werden. Der sogenannte Albedoeffekt führt dazu, dass die dunklen Baumkronen mehr Sonne anziehen, als das bisher der Fall war. Weshalb sich wiederum die Luft erwärmt. Gemäss den Messungen der Forschenden eignen sich deshalb nur Gebiete in niedrigen Breiten – beispielsweise in den Tropen – für Aufforstungen. Trotzdem wäre die Klimaschutz-Massnahmen auf weltweit 448 Millionen Hektaren umsetzbar. Theoretisch zumindest. 
  4. Noch vor einigen Wochen schwitzten wir unsere T-Shirts voll und versuchten, uns im 25 Grad warmen See «abzukühlen». Andere Lebewesen haben da begrenztere Möglichkeiten: Fische zum Beispiel. Der Hitzesommer 2022 setzte den Tieren in der Schweiz enorm zu, wie der Fischerei-Verband Mitte August gegenüber des Tages-Anzeiger erklärte: «Es gab wohl noch nie so viele trocken gefallene Flüsse und Bäche wie in diesem Sommer», so der Biologe Samuel Gründler. In fast allen Kantonen seien Notabfischungen durchgeführt worden. Die Gewässer in der Schweiz sind in den letzten 15 Jahren immer wärmer geworden:  Laut einem Bericht des Bundesamts für Umwelt hat es in den 80er- und 90er-Jahren kaum Sommer gegeben, in denen die Wassertemperaturen in den Flüssen über 25 Grad stiegen. Heute kommt es in verschiedenen Flüssen wie dem Rhein, der Aare, der Limmat oder der Thur immer wieder vor; und zwar während mehrerer Tage.

Erneuerbare Energien: Der Sonne entgegen

Glücklicherweise kommt nun der Winter und wir können uns wieder anderen Problemen zuwenden. Die drohende Energiekrise hält alle in Bewegung. Und Bewegung tut schliesslich immer gut. Durch die Gefahr, den kommenden Winter Strom-, Gas- oder Ölmangel zu erleiden, wird bei den nachhaltigen Energien vorwärts gemacht. In erster Linie zwar, um vom Ausland unabhängig zu sein, doch es wird auch positive Auswirkungen auf das Klima haben, wenn weniger fossile Energieträger eingesetzt werden. Die Schweizer Bevölkerung hoffte jedenfalls darauf: Wie eine ETH-Studie von Ende Juli zeigt, befürworten 62 Prozent von 1000 befragten Personen in der Schweiz den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis 2050. Noch stärker scheint die Unterstützung für einen rascheren Ausbau erneuerbarer Energien wie Sonne und Wind: Ganze 79 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus. 

Mehr erneuerbare Energien will auch der Zürcher Ständerat Ruedi Noser (FDP). Als «Tag der Solarwende» bezeichnet der Tages-Anzeiger den 15. September 2022. Es ist der Tag, an dem der Ständerat den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative mit 39 zu vier Stimmen annimmt. Der Gesetzesentwurf beinhaltet konkrete Massnahmen, um Netto-Null bis 2050 zu schaffen: Ausgearbeitet von der Umweltkommission des Nationalrats. Letzterer hatte bereits im Sommer zugestimmt. Während zehn Jahren sollen nun jährlich 200 Millionen Franken aufgewendet werden, um den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen voranzutreiben. Doch dem nicht genug: Der Ständerat sagt an diesem Tag auch Ja zu einer Solarpflicht auf Neubauten und zur erleichterten Bewilligungen für Photovoltaik-Grossanlagen auf freien Flächen in den Bergen. Noser freut's, denn: «Wir sind aktuell nicht in der Lage, Anlagen für erneuerbare Energien zu bewilligen», sagte er einige Tage nach der Ratsdebatte zum SRF. Um das zu ändern, brauche es «die eine oder andere Ausnahme im Umweltschutz», so der FDP-Politiker.

Konkret geht es um Solaranlagen in hochalpinen Gebieten wie Grengiols und Gondo im Wallis. Ein Projekt, das Noser zusammen mit dem Ständerat Beat Rieder (Mitte/VS) ausgeheckt hatte. Die beiden wollen mit den Anlagen die drohende Winterstromlücke lindern, und das möglichst schnell. Es sei eine Massnahme «an der Grenze des Vertretbaren im Umweltschutz», wie es Bundesrätin Simonetta Sommaruga umschreibt. Trotzdem sprach sie sich an besagtem Tag für das neue Gesetz aus – wie viele von Nosers linken Ratskolleg:innen. Der Tag der Solarwende, es war auch der Tag des Kompromisses.

Während der Ständerat einigermassen geschlossen Ja zu einer schweizweiten Solarpflicht auf neuen Gebäuden sagte, könnte das neue Gesetz im Nationalrat noch für Gesprächsstoff führen – denn diese Hürde muss die bundesweite Solarpflicht noch nehmen. Seine Partei werde sich gegen die «antiliberale Forderung» wehren, wird der St. Galler SVP-Nationalrat Mike Egger im Tages-Anzeiger zitiert: «Es geht nicht, dass der Staat Privatpersonen mit einer solchen Pflicht, die sie Zehntausende von Franken kosten wird, den Traum vom Eigenheim zerstört.» Widerstand kommt nicht nur von rechts-aussen: Auch der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen findet die Idee «unnötig und bürokratisch». (Wasserfallen sieht die Lösung eher im Bau von neuen AKW.) Andere befürchten eine Ausweitung des Gesetzes. Nicht ganz zu unrecht, zumal ein Antrag eingebracht wurde, der eine Solarpflicht auch bei «erheblichen Sanierungen» bestehender Gebäude vorsieht. 

Eine ähnliche Situation gab es erst vor kurzem im Kanton Zürich: Bei Neubauten sind Solarpanels – wie in 18 anderen Kantonen auch – in Zürich zwar schon heute vorgeschrieben, künftig soll die Pflicht jedoch auch für bereits bestehende Bauten gelten. So sieht es die parlamentarische Initiative von Vertreter:innen der SP, Grüne, GLP, EVP und AL vor, die am 19. September eingereicht wurde. 

Wer mit Öl heizt, spart und Holz wird beliebter

Irgendwie ist es logisch, irgendwie aber auch nicht: Wer mit Öl heizt, kommt diesen Winter besser weg als jene, die mit Wärmepumpen oder Gas heizen. Denn anders als bei Strom oder Gas besteht momentan kein Mangel bei Erdöl. Das führt gemäss einer Analyse der Sonntagszeitung zur paradoxen Situation, dass gerade Hauseigentümer:innen mit einem der klimaschädlichsten Heizsysteme am meisten profitieren – jedenfalls in den meisten Gemeinden der Schweiz. In der Stadt Zürich hingegen können sich Menschen glücklich schätzen, deren Häuser mit einer Wärmepumpe beheizt werden. Die Strompreise blieben in der Gemeinde bisher weitgehend stabil. Das hat laut der NZZ damit zu tun, dass die Stadt über eigene Wasser- und Windkraftwerke sowie über Photovoltaikanlagen verfügt. Das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) produziert damit mehr, als verbraucht wird.

Weil die Lieferfristen von Wärmepumpen momentan jedoch mehrere Monate betragen, kam es zu zwei Entwicklungen:

1. Die SVP will das kantonale Energiegesetz, das den Ersatz von Öl- oder Gasheizungen durch neue fossile Heizungen verbietet, aufheben. Eigenen Aussagen zufolge wegen der Strommangellage. Das am 1. September in Kraft getretene Gesetz würde dafür sorgen, dass man bei defekten Heizungen auf Elektroheizungen ausweiche. Was das «Allerletzte» ist, was momentan erwünscht sei, heisst es im Postulat. Trotz Gegenwind (ein SPler bezeichnete ihn als «Guguus») wurde der Vorstoss im Kantonsrat als dringlich erklärt: Mit 60 zu 70 Stimmen. Nun muss der Regierungsrat innerhalb von fünf Wochen Stellung dazu nehmen.

2. Ich hatte es im letzten Klima-Briefing bereits angetönt, in meiner aktuellem Recherche hat sich bestätigt: Holzheizungen erleben einen neuen Boom – jedenfalls in ländlichen Regionen der Schweiz oder im Speckgürtel grosser Städte. So hat beispielsweise die Holzheizungsfirma von Michael Heusser über 125 Prozent mehr Aufträge seit Anfang Sommer verbucht. Und auch der Geschäftsführer von Holzenergie Schweiz, Andreas Keel, bestätigt, dass Heizen mit Holz wieder beliebter geworden sei: Durch Greta, Corona und schliesslich auch Putin mit seinem Gaslieferstopp. Doch hätten wir in der Schweiz überhaupt genügend Holz, um das ganze Land damit zu beheizen? Nein, sagt Keel: «Durch den Bau von vielen neuen Holzfeuerungen, die mit Holzschnitzeln, Stückholz oder Pellets funktionieren, wird das Potential in den nächsten fünf Jahren erschöpft sein.»

Nicht nur deshalb gibt es in der Stadt Zürich nur rund 172 Holzheizungen. Anders als andere alternative Heizungssysteme, werden Holzfeuerungen von der Stadt nicht gefördert: Aus «lufthygienischen Gründen» sei es im städtischen Kontext nicht sinnvoll, fossile Heizungen durch Holzheizungen zu ersetzen, da Zürich bereits mit dem Thema Luftverschmutzung zu kämpfen hat: Fünf Prozent des gesamten Feinstaubausstosses auf Stadtgebiet würden allein aus Holzfeuerungen stammen, heisst es beim Umwelt- und Gesundheitsdepartement. Ausserdem würden viele Hauseigentümer:innen den zusätzlichen Aufwand scheuen, erklärt Besnik Serifi vom Heizungsunternehmen Guyer, dessen Kundschaft hauptsächlich Stadtzürcher:innen sind. Das Holz muss an einem trockenen Ort gelagert werden können, die Asche speziell entsorgt und die Heizung gut gewartet werden. Der Trend scheint in der Stadt also (noch) nicht angekommen zu sein. 

Bild: Screenshot Tages-Anzeiger

Klimakopf des Monats: Sophie Fürst

Sie setzt die alten Männer im Ständerat unter Druck: Die 38-jährige Sophie Fürst. So formuliert es zumindest der Tages-Anzeiger in einem Porträt über die Campaignerin. Sie rede gerne über ihre Arbeit, so Fürst. Ihre Arbeit, das ist die Gletscherinitiative, welche sie praktisch alleine grossgezogen hat. 2018 hatte sie von den Initiant:innen den Auftrag bekommen; heute führt sie ein Team von zehn Mitarbeitenden und haushaltet mit einem Jahresbudget von über einer Million Franken. Ursprünglich kommt Fürst aus Tagelswangen, einem kleinen Dorf im Zürcher Unterland. Nach einem Kommunikationsstudium arbeitet sie für eine PR-Agentur und NGOs – und als Assistentin von Nationalrat Balthasar Glättli. Der heutige Präsident der Grünen beschreibt Fürst im Artikel als «eine Pfadileiterin, die für alle ein gutes Resultat will». Sie sei keine Hyperaktivistin. 

Der Kompromiss, bei der Annahme des indirekten Gegenvorschlags der Gletscher-Initiative im Ständerat auf eine Volksabstimmung zu verzichten, scheint ein gutes Resultat zu sein. Er habe nicht zu gross werden dürfen, so Fürst, «weil er sonst unsere Anhängerschaft gespaltet hätte.» Dass zu dieser heute nicht nur Links-Grüne gehören, ist auch der Arbeit von Fürst zu verdanken. So sitzen heute mit Ruedi Noser und Stefan Engler auch Bürgerliche im Initiativkomitee. Wohl der Grund, weshalb es die Gletscher-Initiative nun durch den Ständerat geschafft hat. Danke Sophie!

Kurz und knapp:

  1. Eineinhalb Jahre ist es her, seit die Schweizer Stimmbevölkerung Nein zur CO2-Initiative gesagt hat. Jetzt hat der Bundesrat eine Neuauflage ausgearbeitet. Diese stellte die Bundesrätin Simonetta Sommaruga Mitte September den Medien vor. Die Strategie: Mehr Anreize statt Verbote. Der Bundesrat will damit gleich zwei Probleme in den Griff kriegen: Die Klima- und die Energiekrise. Laut dem neuen Gesetz wird das Klimaziel der Halbierung des CO2-Ausstosses von 1990 bis 2030 realisierbar und die einheimische Energieproduktion gestärkt. 
  2. Trotz der vielen Einsprachen bei Velovorzugsrouten in der Stadt Zürich: Die Stadträtin Simone Brander kämpft weiterhin für die Verkehrswende. Anders als einige Verkehrsexpert:innen ist sie der Meinung, dass ein Drittel weniger Verkehr in der Stadt nicht ausreicht, um das Netto-Null-Ziel zu schaffen. «Wenn wir den Volksentscheid ernst nehmen, darf in der Stadt künftig niemand mehr mit einem Benzin-Auto rumfahren», sagte Brander Anfang September im Gespräch mit meinem Redaktions-Kollegen Simon Jacoby. Weshalb man diesbezüglich noch immer nicht weiter ist, verstehe die SPlerin zu einem guten Teil nicht. Erklärt aber: «Die Stadt ist nicht voll autonom. Sie muss mit einem bürgerlichen Kanton und einem bürgerlichen Bund zusammenarbeiten.»
  3. Auch die Hochschulen und Universitäten können einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten: Durch Lehre und Forschung. Der ETH-Rat will diese deshalb noch stärker fördern: 10 Millionen Franken spricht er laut Medienmitteilung für zusätzliche Klimamassnahmen im ETH-Bereich und der Unterstützung von entsprechenden Projekten. Beispielsweise der Erforschung Erdwärmesondenfelds, die Installation von zusätzlichen Photovoltaikanlagen an allen sechs Institutionen des ETH-Bereichs sowie Effizienzsteigerungen bei Forschungsanlagen und energetische Sanierungen bei Gebäuden. Damit würden der Energieverbrauch wie auch der CO2-Ausstoss weiter reduziert werden können. 
  4. Die Stadt will künftig hauptsächlich elektrische Fahrzeuge für die Strassenreinigung einsetzen. So sollen in den Jahren 2023 bis 2030 rund 123 Fahrzeuge von Entsorgung + Recycling Zürich ersetzt werden. Wie die Stadt in einer Mitteilung vom 12. September schrieb, hat die Regierung deshalb Ausgaben in der Höhe von fast 20 Millionen Franken bewilligt.
  5. Wie die Stadt in Bezug auf Holzheizungen richtig erkannt hat: Die Luftqualität beeinflusst nicht nur für unsere Gesundheit, sondern auch für unsere Umwelt. Und gemäss eines kürzlich erschienen Berichts des Bundesamts für Umwelt (Bafu) war die Luft in der Schweiz im Jahr 2021 alles andere als gut: An allen Messstationen seien die Grenzwerte für Ozon überschritten worden. Teils sogar erheblich. Die höchsten Werte seien im Kanton Tessin gemessen worden. Die Entwicklung der Schadstoffkonzentrationen in den letzten 30 Jahren zeige zwar eine deutliche Verbesserung der Luftqualität. Trotzdem sei das Ziel einer sauberen Luft, das vom Gesetz vorgeschrieben wird, noch nicht erreicht. Weitere Massnahmen zur Verminderung des Schadstoffausstosses seien deshalb unabdingbar.
  6. Der Finanzsektor ist einer der wichtigsten Treiber der Klimakrise. Dass deshalb mittlerweile 500 Banken weltweit der Glasgow Financial Alliance for Net Zero – kurz Gfanz – angeschlossen haben, freut Klimaaktivist:innen. Wie der Tages-Anzeiger schrieb, hätten sich rund 500 Banken, Versicherungen, Pensionsfonds, Börsen und Ratingagenturen, Indexanbieter:innen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Zuge der Initiative «hochambitionierte, wissenschaftsbasierte Ziele gesetzt». Bis 2050 wollen die Mitglieder kein CO2 mehr ausstossen. Bisher waren die Massnahmen noch relativ schwammig formuliert, nun habe es genauere Vorgaben gegeben. Und siehe da, einige Player machen prompt einen Rückzieher. So zum Beispiel mehrere Wallstreet-Banken, darunter Morgan Stanley, die Bank of America oder JP Morgan. «Die Allianz will nun offenbar tatsächlich etwas bewegen, aber viele Banken setzen weiter darauf, mit fossilen Brennstoffen Geld zu verdienen. Es zeigt sich immer mehr: Zahlreiche Banken schmücken sich gern mit irgendwelchen Zielen und Initiativen, ohne dann wirklich etwas zu tun», fasst eine Nachhaltigkeitsexpertin zusammen. Wen wundert's?

Bild: Screenshot slowveggie.de

Veganer Rosenkohl-Kartoffel-Auflauf

Zutaten für 4 Personen
Zubereitungszeit: 65 min

  1. 1kg Rosenkohl
  2. 600g Kartoffeln (mehligkochend)
  3. 1 Zwiebel
  4. 2 Knoblauchzehen
  5. 2 EL geschmacksneutrales Öl (Plus 2 TL Öl für die Auflaufform)
  6. 1 TL Rosmarin (getrocknet)
  7. ½ TL geriebene Muskatnuss
  8. 2 EL Mehl
  9. 250 ml vegane Sahne (z.B. Sojacuisine)
  10. 250 ml Gemüsebrühe
  11. 1½ EL Hefeflocken
  12. ½ - ¾ TL Salz
  13. ½ - ¾ TL Pfeffer
  14. 3 EL Semmelbrösel

Backofen auf 200 Grad (Ober-/Unterhitze) vorheizen. Den Strunk des Rosenkohls etwas kürzen und gegebenenfalls äussere, welke Blätter entfernen. Die Sprossen längs halbieren. Kartoffeln schälen und in mundgerechte Würfel schneiden. Zwiebel und Knoblauchzehen abziehen. Zwiebel fein würfeln. Knoblauch pressen oder sehr klein schneiden. Öl in einer tiefen beschichteten Pfanne erhitzen. Zwiebelwürfel bei mittlerer Hitze glasig andünsten. Knoblauch dazugeben und für 1 Minute mitbraten.

Rosenkohlhälften und Kartoffeln in die Pfanne geben und für 5 weitere Minuten braten, bis sie vereinzelt kleine Röststellen bekommen. Mehl hinzufügen und gründlich mit den restlichen Zutaten vermengen. Mit Rosmarin und Muskatnuss würzen. Anschliessend mit pflanzlicher Sahne und Gemüsebrühe aufgiessen. Hefeflocken dazugeben. Aufkochen lassen und 2-3 Minuten bei mittlerer Hitze leicht köcheln lassen, bis die Sauce etwas andickt. Pfanne vom Herd nehmen und mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Eine Auflaufform mit 1-2 TL Öl einfetten. Das Gemüse in die Form geben und die Semmelbrösel gleichmässig darauf verteilen. Auf der mittleren Schiene im Backofen für 40-45 Minuten backen, bis Kartoffeln und Rosenkohl weich sind. Den veganen Rosenkohl-Auflauf aus dem Ofen nehmen und servieren.

Die Good-News zum Schluss

Mich frustrieren die Meldungen zur Klimakrise immer sehr – darüber habe ich ja auch schon geschrieben. Aus diesem Grund möchte ich eine neue Rubrik ins Leben rufen: Abgeschaut habe ich die Idee von der Tagesschau. Dort bringt das SRF ebenfalls eine Good-News zum Schluss, damit die Zuschauer:innen nicht deprimiert auf dem Sofa zurückgelassen werden.

Und zwar hat mich diesen Monat folgende Meldung erfreut: Wie der ETH-Professor Thomas Bernauer erklärt, weist nur wenig darauf hin, dass es bei umweltpolitischen Fragen einen Stadt-Land-Graben gibt. Auswertungen seiner Forschungsgruppe zeigen: Bei den umweltbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen finden sich kaum relevante Unterschiede zwischen den Siedlungsräumen. Zwar seien die Umwelteinstellungen im sehr ländlichen Raum ein wenig schwächer ausgeprägt als in grösseren Städten, «insgesamt sind sich umweltbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen aber sehr ähnlich – ein genereller Stadt-​Land-Graben ist praktisch nicht nachweisbar», schrieb der Politologe im Zukunftsblog der ETH.

Anstelle des thematischen Inhalts waren vor allem die Kosten der Grund, weshalb auf dem Land anders abgestimmt wurde als in der Stadt. Es gelte deshalb künftig mehr mehrheitsfähige Vorlagen zu gestalten, welche die Kosten und Nutzen zwischen Stadt und Land möglichst gerecht verteilen würden, so Bernauer. Eine gute Erkenntnis, finde ich.

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