Gemeinderat der Woche: Sebastian Vogel (FDP)

Der Weinhändler aus dem Kreis 6 bringt viele Umwelt- und Klimathemen ins Parlament. Der Blick auf die Nachhaltigkeit habe vielleicht auch etwas mit der Arbeit in den Rebbergen zu tun, meint er.

Sebastian Vogel, FDP
Freiheit, Eigenverantwortung und Züri-Blau: Sebastian Vogel. (Bild: Steffen Kolberg)

Auf den ersten Blick wirkt es überraschend, was in einem gemeinsamen Postulat zum Windenergie-Ausbau von Sebastian Vogel und Florian Blättler (SP) zu lesen ist. Da ist die Rede von einer nötigen Diversifizierung des Energieportfolios des städtischen Versorgers EWZ. Der Stadtrat solle darlegen, wie er gedenkt, den Ausbau der Windenergie nicht nur wie bisher vornehmlich im Ausland, sondern auch in der Schweiz hochzufahren. Reiht sich der FDPler, immerhin Mitglied derselben Kreispartei wie Stadtrat Michael Baumer, nun ein in die Reihen der Linken und Grünen, die ebendiesem Baumer Beine machen wollen beim Ausbau der Erneuerbaren?

Im Gespräch klingt es jedenfalls nicht so. Vogel, der seit seinem Eintritt in den Gemeinderat 2017 Mitglied der Kommission Tiefbau und Entsorgung sowie Industrielle Betriebe ist, stellt sich hinter Departementschef Baumer und die ihm unterstehenden Versorgungsbetriebe: «Das EWZ macht alles sehr vernünftig», sagt er, und: «Man tut Michael Baumer auch oft Unrecht.» Gerade beim Solarausbau, bei dem die Grünen dem Stadtrat ein zu langsames und zu wenig entschlossenes Vorgehen vorwerfen, gebe man dem EWZ die Schuld für etwas, für das es überhaupt nichts könne. Denkmalschutzauflagen, Sanierungszyklen und der Wille der Eigentümer:innen spielten hier nämlich eine wichtige Rolle: «Da sollte man sich auch an das Hochbauamt und den Denkmalschutz wenden.»

Seine Forderung nach einem verstärkten Windkraftausbau sieht Vogel als Teil einer technologieoffenen Haltung, wenn es um Lösungen für den Klimawandel geht: «Ich unterstütze jede Technologie, die uns auf diesem Weg hilft. Ich bin für den Ausbau von Solar, Wind und Biogas, für eine Erhöhung der Staumauern bei unseren Wasserkraftwerken genauso wie für eine intensivere Forschung im Bereich Wasserstoff. Ich will nichts ausschliessen.» Die Aversion gegen Atomenergie könne er nicht verstehen, da er die drängenden Probleme und Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte höher gewichte als die Zukunftsprobleme, die mit dem Atommüll einhergehen.

Neben Anliegen aus seinem Wohnkreis 6 sind es vor allem Umwelt- und Klimathemen, die der 44-Jährige mit seinen Vorstössen ins Parlament trägt, sei es zuletzt beispielsweise die Streichung von Dächern mit weisser Farbe zur Hitzeminderung oder der Einsatz von mobilem Stadtgrün. Stolz ist er auf die in diesem Jahr von ERZ neu aufgestellten Recyclingbehälter, die eine Trennung von PET und Aluminium ermöglichen und unter anderem auf ein von ihm eingereichtes Postulat zurückgehen.

Sein Blick auf Nachhaltigkeit habe vielleicht auch etwas mit der Arbeit in den Rebbergen zu tun, meint Vogel. In vierter Generation betreibt er einen Weinhandel für österreichische und italienische Weine, seine Eltern bewirtschaften ein Weingut in Südtirol. Der Anbau geschehe biodynamisch, betont er.

Doch auch wenn er sich für Klima- und Umweltthemen einsetzt, die Grünliberalen seien für ihn nie eine Option gewesen, so Vogel. Er schätze die gute Zusammenarbeit bei manchen Themen, doch zumindest in der Stadt Zürich sei ihm die GLP nicht liberal genug. Was der Freisinn für ihn verkörpere, das sei die Freiheit des Individuums, die Eigenverantwortung, «aber auch der Glaube und das Vertrauen, dass das Individuum etwas Gutes will».

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Aus Interesse. Ich wollte wissen, was in der Stadt politisch vor sich geht. In der Politik hat man kürzere Wege, kann einfach mal fragen oder miterleben, wie etwas zustande kommt, und das dann wieder aus dem Gemeinderat in die Bevölkerung tragen. Ausserdem hat man die Möglichkeit, im liberal-freisinnigen Geiste noch besser in dieser Stadt mitzuwirken, als man das von ausserhalb könnte.

Mit welche:r Ratskolleg:in der Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Ich sehe die SVP in Zürich auch als politische Gegenseite und nicht nur die, die uns gegenüber sitzen. Da wäre es schön, mit Stefan Urech mal wieder ein Bier zu trinken. Wir haben das schon öfter gemacht, kommen in letzter Zeit aber nicht mehr dazu.

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?

Ich betrachte es als meine persönliche Niederlage, dass ich für die Untertunnelung der Bucheggstrasse keine Mehrheit gefunden habe. Das hätte uns die Möglichkeit gegeben, oben eine beruhigte Quartierstrasse einzurichten, was man den Anwohner:innen übrigens schon seit den 60er-Jahren versprochen hat. Dass man dieses Versprechen nicht einhält, schmerzt und frustriert mich.

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