Golta statt Mut: SP Zürich entscheidet sich gegen Abou Shoak

Die SP Zürich setzt auf Machterhalt statt Aufbruch: Raphael Golta beerbt Corine Mauch – Mandy Abou Shoak bleibt chancenlos. Ein mutloser Entscheid, aber die SP muss nicht mutig sein. Ein Kommentar.

Raphael Golta & Simone Brander
Der bisherige Stadtrat Raphael Golta wird nun wohl auch Stadtpräsident. (Bild: Tsüri.ch)

Der nächste Stadtpräsident Zürichs heisst Raphael Golta. Die SP-Basis wählte am Donnerstagabend den Weg der Sicherheit und der Kontinuität. Und vor allem wählte sie den Weg des Machterhalts. Die Thronfolge bleibt gewahrt, Golta folgt auf Mauch. 

Weil die SP die grösste Partei in der Stadt ist und mit den Grünen und der AL üblicherweise ein Wahlbündnis eingeht, wird Golta aller Voraussicht nach im kommenden März zum neuen Stapi gewählt.

Die neue und aufregende Kandidatin Mandy Abou Shoak hingegen scheiterte an der Delegiertenversammlung auf ganzer Linie. Eigentlich wollte sie die erste Schwarze Zürcher Stadtpräsidentin werden. Als Trostpreis hätte Abou Shoak auch gerne als Stadträtin kandidiert. Doch beides verwehrten ihr die Delegierten. 

Stattdessen haben sie die Favorit:innen Céline Widmer und Tobias Langenegger neben den bisherigen Simone Brander und eben Raphael Golta aufs Ticket gesetzt.

Dass Abou Shoak trotz aktiver Kampagne vor der Parteibasis ohne Chancen blieb, hat verschiedene Gründe.

Der öffentliche Wirbel mit zahlreichen Zeitungsartikeln und diversen Veranstaltungen hatte keinen (positiven) Einfluss. Dieser Wahlkampf hat gezeigt: In der SP wird die Meinung noch immer innerhalb der Partei gemacht, die Delegierten lassen sich offenbar von zivilgesellschaftlichen Bewegungen bei einer Personenwahl nicht beeinflussen. 

Zudem zeigt sich, dass, wer für das höchste Amt in der grössten Stadt der Schweiz aufgestellt werden will, über ein perfekt gepflegtes Netzwerk innerhalb der Partei verfügen muss. Golta tingelt seit Jahrzehnten durch die Parteianlässe, Abou Shoak ist erst seit wenigen Jahren Parteimitglied.

Diese Vernetzung, dazu der Leistungsausweis von Golta als langjähriger Stadtrat und nicht zuletzt auch die Einschätzung, dass er an der Urne der stärkere Kandidat sein wird, führte letztlich zum schlechten Abschneiden von Abou Shoak. Auch mitgespielt haben dürften Faktoren wie Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Alter. Unbewusst oder nicht. 

Es ist ein mutloser Entscheid der SP-Delegierten, Abou Shoak nicht mal für den Stadtrat zu nominieren. Eine junge Frau mit Migrationsgeschichte als Stadtpräsidentin hätte der Partei den Sakko-Mief ausgetrieben. 

Doch die SP ist in Zürich dermassen mächtig, dass man es nicht nötig hat, neues Leben eingehaucht zu bekommen. Sicher, die zahlreichen Unterstützer:innen von Abou Shoak sind enttäuscht. Doch ist zu bezweifeln, dass die SP dies bei den Wahlen 2026 spüren wird.

Somit geht alles seinen normalen Gang: Brander wird wiedergewählt, Widmer und Langenegger ziehen in die Regierung ein. Und der nächste Stadtpräsident von Zürich heisst Raphael Golta, weil die Diversitätspartei SP eine historische Chance verstreichen lässt, weil sie nicht mutig sein muss.

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Simon Jacoby

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Nina. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.

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Kommentare

MK
26. Juni 2025 um 21:30

Komische Folgerungen

Finde es etwas tendenziös, hier den SP-Delegierten zu unterstellen, dass "Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Alter" zu Abou Shoaks Nichtwahl beigetragen hätten. Abou Shoak lieferte neben ihrer "Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Alter" kaum einen Grund, sie zu wählen. Alle anderen Kanditaten brachten viel mehr Erfahrung mit - sowohl politisch als auch sonst. Man stelle sich vor, ein weisser CIS-Mann mit Abou Shoaks Werdegang (abgessen vond der Migrationsgeschichte natürlich) hätte sich um das Amt beworben. Kaum eine Stimme hätte er geholt - wohl zurecht.

Velovorzugsrouten
27. Juni 2025 um 07:48

Leichtsinn

Was, bitte schön, hat die gestrige Nomination mit 'fehlendem Mut' zu tun? Schreiben die Journalisten alle voneinander ab? Die Nomination von Frau Abou Shoak wäre leichtsinnig gewesen: mit einer schwarzfeministisch-identitären Postkolonialistin hätte die SP keine Chance bei den Wahlen. Die anderen Parteien hätte es natürlich gefreut, allen voran die FDP, die sich schweizweit gerade auf allen föderalen Ebenen selbst zerlegt. Die unterstützenden Worte der NZZ für Frau Abou Shoak waren nichts als ein trojanisches Pferd: wenn Michael von und zu Ledebur etwas lobt, sollte man hellhörig werden! Das Resultat der gestrigen Nominationen ist ein Zeichen der Weisheit und ein Glücksfall für Zürich: Erfahrung und Kompetenz haben sich durchgesetzt, Ideologie blieb auf der Strecke. Gut so, denn mit Frau Bader hat die SP bereits eine Problemkandidatin, die dem Wahlvolk nur schwer zu verkaufen sein wird!

Achiles
27. Juni 2025 um 15:40

Trojanische Pferde

Die NZZ ist voll des trojanischen Lobs für 'Mandy', die Krokodilstränen kullern ob ihres Scheiterns in Strömen ... sehr verdächtig!

Post Kolonial
27. Juni 2025 um 15:46

Kompetenz

Korrekterweise müsste der Titel lauten: 'Golta statt Leichtsinn, ... '