SP nominiert Golta als Stadtpräsident, Abou Shoak geht leer aus

Die SP Zürich hat entschieden: Raphael Golta soll Corine Mauch beerben. Die Delegierten nominierten ihn am Donnerstagabend für das Amt des Stadtpräsidenten. Seine Konkurrentin Mandy Abou Shoak zeigte sich als gute Verliererin.

Mandy Abou Shoak
Mandy Abou Shoak stand für viele für den Zürcher Traum einer neuen Stimme, neuer Perspektiven, einer Stadt für alle. Doch er platzte vorerst. (Bild: Jenny Bargetzi)

«Ja, meine Nominierung braucht Mut, ich bin keine klassische Kandidatin», sagte Mandy Abou Shoak in ihrer Rede. Doch sie bringe neue Perspektiven und neue Menschen mit in die SP. Mutig zu sein, liege in der DNA der Partei. Es sei Zeit für den nächsten Schritt. 

Doch die SP-Delegierten entschieden sich für Raphael Golta. Formal ist es ein parteiinterner Entscheid – politisch aber wegweisend: Wer von der SP nominiert wird, hat bei den Wahlen am 8. März 2026 beste Chancen, auch tatsächlich Stadtpräsident:in zu werden. Neben ihm schickt die Partei Céline Widmer und Tobias Langenegger ins Rennen um einen Sitz im Stadtrat.

Das Interesse am SP-Anlass war riesig, der Saal im Volkshaus war brechend voll. 

Schliesslich ging es um nichts weniger als die Entscheidung, wer Spitzenkandidat:in der stärksten Partei Zürichs werden und damit nach siebzehn Jahren auf die abtretende Stadtpräsidentin Corine Mauch folgen soll. Ebenfalls war der Stadtratssitz von André Odermatt zu besetzen.

Brander und Golta mit tosendem Applaus erneut nominiert 

Zuerst bestimmten die 227 Delegierten das Stadtratsticket. Simone Brander, Vorsteherin des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements, und Raphael Golta, Sozialvorsteher, waren bereits zu Beginn des Abends gesetzt. Beide wirkten gelassen, schon fast freundschaftlich. Sie lobten einander für ihre Arbeit. Die Zusammenarbeit funktioniere gut, sagte Golta. Brander sei sachlich und kompromisslos, auch in Bezug auf die Velovorzugsrouten. Brander nannte Golta «einen leidenschaftlichen Kämpfer gegen Ungleichheit und für Chancengerechtigkeit».

Golta und Brander wurden mit Standing Ovation und tosendem Applaus erneut nominiert.

Zwei Plätze und vier Kandidierende blieben übrig: Tobias Langenegger, Gabriela Rothenfluh, Céline Widmer und Mandy Abou Shoak.

                          Simone Brander Raphael Golta
Simone Brander und Raphael Golta sind für die nächste Amtszeit so gut wie gewählt. (Bild: Jenny Bargetzi)

Tobias Langenegger eröffnete die Reden der Kandidat:innen und forderte vehement mehr bezahlbaren Wohnraum, einen starken Mietschutz und «kaufen, kaufen, kaufen», um Boden der Rendite zu entziehen.

Gabriela Rothenfluh setzte auf mehr Frauen in der Regierung: «Ich bin eine weisse Frau im mittleren Alter, überzeugte Sozialdemokratin und Feministin», sagte sie und versprach ein faires Zürich. Céline Widmer erzählte, wie sie als Tontechnikerin bei einem «SVP-Buurezmorge» politisiert wurde – entsetzt über rassistische Aussagen. Sie sprach über verdrängte Migrant:innen, Velo-Infrastruktur und Armut.

Mandy Abou Shoak berichtete eindringlich von ihrer Flucht, dem engen Asylzimmer mit ihrer Familie und vom Vater, der illegal auf dem Bau schuften musste – für sieben Franken die Stunde. «Mit mir gewinnen wir nicht nur Stimmen», sagte Abou Shoak, «wir gewinnen das Vertrauen von Menschen, die sich bisher nicht angesprochen fühlten.» Es gelte, die linke Mehrheit nicht nur zu sichern, sondern auszubauen.

Die Zuschauer:innen im Saal klatschten, jubelten, tobten.

Zuerst wird der Stadtrat gewählt, dann das Präsidium

Gewählt wurde, wer das absolute Mehr der abgegebenen Stimmen erreichte. Die Wahl verlief anonym.

Es sollte eine schleppende Entscheidung werden und dauerte vier lange Wahlgänge, bis Tobias Langenegger nominiert war. Zuerst schied Gabriela Rothenfluh aus, danach Mandy Abou Shoak und zuletzt Céline Widmer. Die Delegierten erhoben sich, klatschten und jubelten. Langenegger wischte sich gerührt Tränen aus den Augen. Langenegger galt als Favorit, seine Nomination kam folglich wenig überraschend. Dementsprechend kurz war seine Dankesrede.

Kurz darauf folgte das Resultat für die zweite Nomination. Und diesmal ging es schnell. Gewählt wurde mit deutlichem Vorsprung Céline Widmer.

Mandy Abou Shaok zeigte sich als faire Verliererin. Das könne sie, sagte Abou Shoak. Nun gelte es, gemeinsam Wahlkampf zu machen. Mit diesen Worten hatte sie das Publikum gänzlich auf ihrer Seite.

Damit war klar: Gabriela Rothenfluh und Mandy Abou Shoak sind nicht Teil des offiziellen SP-Tickets. Für Abou Shoak bedeutete dies das Aus – auch für das Stadtpräsidium. Denn laut Reglement kann nur kandidieren, wer auch für den Stadtrat nominiert ist.

Wenig überraschend wurde Raphael Golta für das Amt als Stadtratspräsident nominiert. Er freue sich auf den Wahlkampf und griff Abou Shoaks Worte auf, mutig zu sein. Zu Abou Shoak sagte er: «Und sonst wirst du uns daran erinnern.»

Tobias Langenegger SP
Tobias Langenegger, Ökonom und Kantonsrat, wurde im vierten Wahlgang nominiert. (Bild: Jenny Bargetzi)

Die Sicherheit überwiegt gegenüber dem Umbruch

Der Ablauf der Nominierungsversammlung spielte Raphael Golta in die Karten. Hätten die Delegierten zuerst über das Präsidium entschieden, hätte Mandy Abou Shoak ihn direkt herausfordern können. Weil aber zuerst das Stadtratsticket bestimmt wurde, stand sie plötzlich ohne Platz da – und damit auch ohne Chance auf das Präsidium. Für sie hätte das bedeutet: Im besten Fall ein Departement, das sie nie angestrebt hatte. Im schlechtesten gar nichts.

Es dauerte lange, bis der Entscheid da war. Kurz nach 23 Uhr war klar: Die SP entschied sich für Sicherheit statt Aufbruch. Raphael Golta kennt die Verwaltung, kennt die Dossiers, kennt die Parteibasis. Er wirkte den ganzen Abend über ruhig, entschlossen und professionell. Seine Wahl stand für Kontinuität und für das Vertrauen in die politische Erfahrung.

Mandy Abou Shoak
Mandy Abou Shoak zeigte sich als faire Verliererin. (Bild: Jenny Bargetzi)

Mandy Abou Shoak sitzt erst seit zwei Jahren im Zürcher Kantonsrat. Bis dahin hatte Abou Shoak kein Amt als Politikerin inne. Doch sie gilt als charmant, offen, überzeugend. Trotz Enthusiasmus, entschied sich die Mehrheit der Delegierten gegen Abou Shoak.

Raphael Golta muss nun beweisen, dass er nicht nur verwalten, sondern auch verbinden kann. Und Mandy Abou Shoak hat sich mit diesem Abend als politische Kraft in Zürich etabliert.

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Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in Politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.

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