Gemeinderats-Briefing

«Verhandlungsmacht nutzen»: Stadt soll sich mehr gegen Leerkündigungen einsetzen

Die linke Mehrheit im Gemeinderat fordert, dass die Stadt stärker gegen Massen- und Leerkündigungen vorgeht – etwa durch Gespräche mit den Eigentümer:innen. Besonders vom «Deligierten Wohnen» erwartet sie mehr Einsatz.

Langgrütstrasse Leerkündigung
Etwa im Kreis 9 an der Langgrütstrasse soll die Stadt aktiv werden, findet die linke Mehrheit. Dort sind 138 Haushalte von einer Massenkündigung betroffen. (Bild: Nina Schneider)

Ihre Häufung ist Ausdruck des pathologischen Zustands des Zürcher Wohnungsmarktes. Alle paar Wochen berichten Tsüri.ch und andere Medien über neue Leerkündigungen wegen Ersatzneubauten oder umfassenden Sanierungen.

Am Mittwoch, der letzten Ratssitzung des Jahres, behandelte der Gemeinderat ein Postulat der Fraktionen AL, Grüne und SP, das sich gegen die Praxis von Massen- und Leerkündigungen richtet. Der Stadtrat soll prüfen, wie er in solchen Fällen stärker eingreifen kann, um den Verlust von preisgünstigem Wohnraum zu verhindern.

Felix Moser (Grüne) skizzierte im Namen der Postulant:innen drei Handlungsfelder:  

  • Die Stadt solle ihren Einfluss stärker nutzen und bei Leerkündigungen ihre Verhandlungsmacht gegenüber Vermieter:innen konsequenter einsetzen. «Wir erwarten insbesondere vom Delegierten Wohnen, dass er nach Lösungen sucht und Ersatzangebote einfordert», so Moser. 

  • Zweitens sollen Wohnbaugenossenschaften gestärkt werden. «Die Stadt soll sie vermehrt unterstützen, etwa finanziell, strategisch oder organisatorisch», so Moser. 

  • Und drittens müsse die Stadt noch stärker Wohnraum kaufen, um ihn kostengünstig anzubieten. Dafür hat die linke Mehrheit an der vergangenen Budgetsitzung bereits 600 Millionen Franken gesprochen (Tsüri.ch berichtete).

Kritik kam von rechts. Reto Brüesch (SVP) bezeichnete das Postulat als «heuchlerisch». Die Linken wären mit zu viel Regulierungen schuld daran, dass zu wenig gebaut werde, was die Preise in die Höhe treibe. «Das ist einfache Ökonomie», so Brüesch.

«Wir erachten das Postulat als ein weiteres Blasen ins gleiche Horn.»

Emanuel Tschannen (FDP)

Die Fraktionen Mitte/EVP und FDP stellten den Problemdruck nicht in Abrede, meinten aber gleichzeitig, dass das Postulat in dieser Form «zu weit» gehe, wie Karin Weyermann (Mitte) sagte. In den Worten von Emanuel Tschannen (FDP): «Wir erachten das Postulat in dieser Form als ein weiteres Blasen ins gleiche Horn.»

Ein Änderungsantrag der FDP wollte den Fokus stärker auf den Schutz von Härtefällen legen – definiert als Mieter:innen, die seit mehr als 20 Jahren in einer Liegenschaft wohnen und keinen Mietzinsaufschlag von mehr als 20 Prozent tragen können.

Florian Utz (SP) bezeichnete die Definition als zu eng, da sie keinen ausreichenden Schutz vor Leerkündigungen biete. Dieser sei besonders wichtig, weil die Angebotsmieten in der Stadt in den vergangenen zwei Jahren um rund 12 Prozent gestiegen seien. Utz plädierte für weitere Wohnungskäufe durch die Stadt. «Das kostet zwar Geld, doch handelt es sich um Investitionen, die sich langfristig auszahlen», sagte er.

Schliesslich überwies eine Mehrheit von AL bis GLP das Postulat zur Prüfung an den Stadtrat. 

Und ein weiteres Postulat schoben die Linken gleich nach: Der Stadtrat soll sich spezifisch gegen die Leerkündigungen dreier Liegenschaften an der Langgrütstrasse 17/21, 25/29 und 33/37 einsetzen, über die Tsüri.ch berichtet hat. Die Eigentümerin «Star Immobilien AG» hat insgesamt 138 Parteien die Kündigung ausgesprochen, bis März 2026 müssen die Mieter:innen draussen sein. Die Stadt soll nun das Gespräch mit der Eigentümerschaft suchen.

Linke fordern ein Viertel aller Kita-Plätze in städtischer Hand

Ein Entscheid des Bezirksrats hat die Kita-Politik der Stadt Zürich ins Wanken gebracht. Ende November hob das Gremium Teile der revidierten Kita-Verordnung auf, am Mittwoch wurde der Fall im Stadtparlament kontrovers diskutiert.

Kinderbetreuung
Die Ratsmehrheit will mit dem Ausbau des städtischen Angebots ausreichend bezahlbare Kita-Plätze sicherstellen. (Bild: Tanaphong Toochinda/Unsplash)

Ein Entscheid des Bezirksrats hat die Kita-Politik der Stadt Zürich ins Wanken gebracht. Ende November hob das Gremium Teile der revidierten Kita-Verordnung auf, am Mittwoch wurde der Fall im Stadtparlament kontrovers diskutiert.

Der Hintergrund: Der Stadtrat will die Qualität in Kitas verbessern und die Löhne in privaten Einrichtungen mit Subventionen anheben, um die Lohnlücke zu den städtischen Kitas zu verringern. Doch die Umsetzung stockt aufgrund eines Rekurses von privaten Kita-Betreiber:innen – aus Sorge um Wettbewerbsverzerrungen. Diesen Rekurs hat der Bezirksrat weitgehend gutgeheissen. 

Er argumentiert, dass die Stadt mit ihrem Modell in die «Wirtschaftsfreiheit» privater Kitas eingreife, da sie indirekt vorgibt, wie teuer ein Platz sein darf. Nur Kitas, die sich an die städtischen Vorgaben halten, erhalten Subventionen.

«Es darf keine Profitmaximierung auf Kosten der Kinder und des Personals geben.»

Lisa Diggelmann (SP)

Eine Mehrheit aus SP, Grünen, AL und GLP will das nicht akzeptieren und beschloss, die Beschwerde ans Verwaltungsgericht weiterzuziehen. «Es darf keine Profitmaximierung auf Kosten der Kinder und des Personals geben», sagte Lisa Diggelmann (SP). Stadtrat Raphael Golta (SP) betonte: Kitas agierten zwar in einem Markt, doch es sei nicht irgendein Markt, sondern ein zentraler. «Hier müssen Vorgaben gemacht werden.»

Eine Minderheit aus Mitte/EVP, FDP und SVP stellte sich hingegen hinter den Entscheid des Bezirksrats. Marita Verbali (FDP) kritisierte die bestehenden Subventionen und verwies auf die künftig sinkende Geburtenrate sowie ein aus ihrer Sicht bereits übergrosses Angebot. Sie forderte einen «Systemwechsel» hin zu Betreuungsgutscheinen.

Nun geht der Fall ans Verwaltungsgericht.

Zudem reichten SP, Grüne und AL am Mittwoch eine Motion und ein Postulat ein: Sie fordern, dass bis 2040 mindestens 25 Prozent aller Kita-Plätze in städtischer Hand liegen, aktuell sind es rund 4 Prozent. Ein starkes öffentliches Angebot sei entscheidend für fairen Zugang zu frühkindlicher Bildung, soziale Integration und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, heisst es in der Begründung.

Weitere Themen aus dem Rat

Mehr «Visionen» und «grosse Würfe»

«Zürich ist Zürich, weil frühere Generationen den Mut zu grossen Visionen hatten», sagte Marco Denoth (SP). Auch heute brauche die Stadt weiterhin solche Visionen. Gemeinsam mit Frank Rühli (FDP) und David Ondraschek (Die Mitte) reichte er ein Postulat ein, das den Stadtrat beauftragt, einen Bericht zu «unkonventionellen, visionären Ideen und Projekten» bis ins Jahr 2050 und darüber hinaus zu erstellen.

Im Gemeinderat stiess das Postulat auf gemischte Reaktionen: Sven Sobernheim (GLP) konnte nichts Konkretes damit anfangen: «Ihr wollt einen Richtplan mit abgespacten Ideen?» Brigitte Fürer (Grüne) sagte, neue Visionen seien nicht nötig: «Meine Vision ist klar: Mit den bestehenden Strategien endlich Nägel mit Köpfen machen.» Michael Schmid (FDP) war sold und meinte, dass schon Alfred Escher grosse Visionen hatte. Schliesslich überwies eine Mehrheit aus SP, SVP, FDP und Mitte/EVP das Postulat an den Stadtrat.

Neue Kompost-Sammelstellen in der Altstadt

Seit 2023 sind die grünen Tonnen für Bioabfall für jegliche Zürcher Haushalte Standard, ausser für die Bewohner:innen der Altstadt. Aufgrund der engen Gassen erhalten sie nun eine speziell angepasste Entsorgungslösung: Am Mittwoch sprach eine grosse Mehrheit im Gemeinderat 13 Millionen Franken für die Errichtung von 260 «Oberflurcontainern» und 10 «Unterflurcontainern».

Die Oberflurcontainer sind stählerne Rollbehälter mit 240 Litern Fassungsvermögen, die auf öffentlichem Boden stehen. Die Unterflurcontainer sind etwa vier Meter lange Rohre, die in den Boden eingelassen werden. Beide Systeme verfügen über ein elektronisches Zugangssystem, sodass nur Berechtigte dort ihren Kompost entsorgen können. Gegen die Vorlage stimmte einzig die SVP.

Zürcher Kammerorchester und Maxim Theater erhalten mehr Geld 

Alle Fraktionen bis auf die SVP stimmten einer Erhöhung des jährlichen städtischen Beitrags an das Zürcher Kammerorchester zu. Die Subvention steigt befristet von 3,41 auf 3,61 Millionen Franken für die Jahre 2026 bis 2028. Grund für die Erhöhung sind die angespannte Finanzlage des Orchesters, gestiegene Kosten, der Wegfall eines Hauptsponsors sowie höhere Miet- und Sicherheitsaufwendungen.

Eine kleinere Mehrheit – diesmal ohne die FDP – verlängerte zudem die Förderung des Maxim Theaters, das besonderen Wert auf Vielfalt und Zugänglichkeit legt. Von 2026 bis 2029 zahlt die Stadt neu jährlich 300’000 Franken, 50’000 Franken mehr als bisher. Stapi Corine Mauch (SP) begründete die Erhöhung mit gestiegenen Betriebskosten.

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