Die Jugend setzt sich durch

Am Mittwoch nahm das Zürcher Stadtparlament die Vorstösse der Jugendkonferenz entgegen. Mit im Saal: die Jugendlichen selbst. Sie forderten günstigere ÖV-Abos, spätere Schulzeiten – und dreimal Popcorn zum Fünfliber.

Wie in der Schule – nur dass diesmal die Politiker:innen artig waren. (Bild: Tsüri.ch)

Zwei Parlamentarier hatten gestern Mittwoch Geburtstag. Normalerweise gibt es einen grossen Applaus für die Jubilar:innen. Doch gestern nicht, die beiden Geburtstagskinder waren nicht anwesend, weshalb die Glückwünsche des Präsidenten im Saal verhallten.

Für einmal war der Altersdurchschnitt im Ratssaal überraschend tief. Denn gestern diskutierte das Parlament über die Vorstösse aus der Jugendkonferenz – die Jugendlichen selbst sassen dabei mit im Saal.

Die Jugendlichen forderten eine ganze Menge vernünftige Dinge. Wenn ich mir diese Liste anschaue, frage ich mich schon, wie man gegen das Stimmrechtsalter 16 sein kann. Aus der Jugendkonferenz kommen zum Beispiel folgende Themen: mehr Solaranlagen auf privaten Liegenschaften, grösserer Einsatz gegen Suchtmittel, bessere psychische Gesundheit von Schüler:innen oder auch die Förderung von Randsportarten.

Es war richtig beeindruckend, wie klar und überzeugend die Jugendlichen vor dem Gemeinderat ihre Vorstösse erklärt und verteidigt haben. Lustigerweise veränderte sich auch der Ton der Parlamentarier:innen. Besonders dann, wenn sie die Idee der Jugendlichen nicht gut fanden, sprachen sie mit ungewohnt weicher Stimme.

Anders als sonst spielten diverse Gemeinderät:innen auf ihr eigenes Alter an: «Man kann es sich kaum vorstellen, aber ich war auch mal jung», «Wenn ich an meine eigene Schulzeit denke, merke ich, wie alt ich wirklich bin». Oder: «Ich als Lehrer will auch lieber nicht die früheste Unterrichtsstunde.»

Alle (!) Jugendvorstösse wurden als Postulat dem Stadtrat überwiesen. Immer mal wieder stimmten die Bürgerlichen Nein, während die Linken  jedes Mal Ja gestimmt haben.

«Wir fordern, dass alle Jugendliche drei Kinoeintritte pro Jahr für 5 Franken bekommen. Dazu soll es Popcorn und Getränke geben.»

Tereza Marčetić, vertritt einen von sieben Jugendvorstössen

Hier die Übersicht:

Einer der Vorstösse forderte mehr Solarenergie: Der Stadtrat soll ein vierjähriges Pilotprojekt lancieren und jährlich drei Millionen Franken zur Verfügung stellen, um Hausbesitzer:innen beim Bau von Solaranlagen auf privaten Dächern zu unterstützen.

Weiter wurde eine starke Reduktion der Kosten für das Jahresabonnement des öffentlichen Verkehrs unterstützt. Schüler:innen sollen künftig nur noch 120 Franken, Lernende und Studierende 240 Franken pro Jahr bezahlen. Ziel ist es, die finanzielle Hürde für die Nutzung des ÖV zu senken.

Auch der Zugang zu Freizeitangeboten soll verbessert werden. Drei Kinobesuche zum Preis von je fünf Franken inklusive Konsumationsgutschein – dieses Angebot soll künftig allen 12- bis 18-Jährigen in der Stadt Zürich offenstehen. Zudem sollen Randsportarten gefördert werden.

Im Bildungsbereich unterstützten die Parlamentarier:innen Änderungen bei den Schulzeiten: ein Schulstart nicht vor 8 Uhr, kürzere Pausen, drei freie Nachmittage. Ergänzend soll der Ausbau der Schulsozialarbeit zur Stärkung der psychischen Gesundheit vorangetrieben werden. Für die Suchtprävention wird ein Rahmenkredit geprüft, insbesondere für Kampagnen in der Nähe von Schulen.

Alle diese Ideen liegen nun beim Stadtrat, der Pläne zur Umsetzung ausarbeiten muss.

Weitere Themen aus dem Gemeinderat

Klares Ja zur Jahresrechnung: Die Stadt Zürich hat 2024 deutlich besser abgeschlossen als erwartet: Statt eines kleinen Minus gab es einen Überschuss von mehr als einer halben Milliarde Franken – bei Ausgaben von über 10 Milliarden Franken. Grund dafür waren unter anderem höhere Rückzahlungen im Bereich Energie und Entsorgung, sowie den nur leicht rückläufigen Steuereinnahmen. FDP und SVP stimmten gegen die Jahresrechnung und kritisieren das Ausgabenwachstum und den Schuldenberg. SP, Grüne, AL, GLP und Mitte/EVP zeigten sich zufrieden und lobten das Ergebnis als stabil, die Stadt sei kerngesund. Die Rechnung wurde mit grosser Mehrheit angenommen. Fun Fact zum Schluss: Die Steuereinnahmen pro Kopf liegen bei 6163 Franken.

Weitere Jahresberichte: Neben der Jahresrechnung der Stadt hat das Parlament auch diverse Jahresrechnungen von Betrieben, die der Stadt sehr nahe stehen, besprochen. Genehmigt wurden unter anderem die Rechnungen der Asyl-Organisation Zürich (AOZ) und der Stiftung PWG, die sich für bezahlbaren Wohn- und Gewerberaum einsetzt. Die übrigen Institutionen – darunter die Stiftung Alterswohnungen, die Kongresshaus-Stiftung sowie die Stiftungen Einfach Wohnen und Wohnungen für kinderreiche Familien – legten ihre Zahlen vor, zur Kenntnis genommen vom Gemeinderat. Insgesamt sehr wenig politischer Zündstoff…

Neue Personen im Gemeinderat: Gleich drei Sitze werden demnächst neu besetzt: Snezana Blickenstorfer (GLP) wird durch Frank Elmar Linxweiler ersetzt; auf Matthias Probst (Grüne) folgt Lea Herzig und den Platz von Patrik Maillard (AL) kommt neu Susan Wiget. Sie alle werden in einem halben Jahr bei den Wahlen als Bisherige antreten können, was ihre Chancen erhöht.

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Simon Jacoby

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Nina. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.

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