Gemeinderat der Woche: Roger Bartholdi (SVP)

Roger Bartholdi startete seine politische Karriere bei der Auto-Partei und sitzt seit 22 Jahren für die SVP im Stadtparlament. Heute hört man bis tief in die linke Ratsseite hinein lobende Worte für den kollegialen und unkrawalligen Parlamentarier.

Roger Bartholdi, Gemeinderat SVP
Banker und Arbeitnehmervertreter in einem: Roger Bartholdi. (Bild: Steffen Kolberg)

Spricht man mit Roger Bartholdi, kann man sich kaum vorstellen, dass seine politische Karriere in den achtziger Jahren bei der rechtspopulistischen, anti-ökologischen Auto-Partei begann. Der heute 55-Jährige kommt bei praktisch jedem Wetter mit dem Velo zum Rat, und im Gespräch beginnt er plötzlich vom Wildbienen-Hotel zu schwärmen, das er Zuhause auf seinem Balkon zusammengebaut hat. Es sei «hochspannend», wie die Bienen darin ihre Eikammern aufbauten und wie der Nachwuchs darin nacheinander schlüpfte, so Bartholdi.

Er ärgert sich, dass bei neu angelegte Grünflächen in der Stadt oft ein «Wimbledon-Rasen» mit ein paar allein stehende Bäume erstellt werde, was nicht natürlich sei. Die Natur entstehe von selbst, erklärt er, man müsse nur etwas Geduld haben. Wie im Sihlwald, wo ein Teil des Areals vor menschlichen Eingriffen bewahrt wird und Tierarten wieder zurückkehren.

Fragt man ihn nach Erfolgen in seiner langen politischen Karriere, kommt der SVPler auf einen Vorstoss zu sprechen, den er noch vor seinem Eintritt in den Gemeinderat als Einzelinitiative eingebracht hat. In dieser forderte er im Jahr 2000 die Errichtung einer Downhill-Mountainbike-Strecke am Uetliberg, um Konflikte zwischen Velofahrenden und zu Fuss gehenden Personen zu vermeiden. Der Vorstoss wurde damals zwar aus formalen Gründen für ungültig erklärt, er habe aber eine Debatte ausgelöst, erzählt Bartholdi. Am Ende habe er auch etwas bewirkt: Heute ist die Downhill-Strecke am Uetliberg schon lange selbstverständlicher Teil der Infrastruktur.

«Politiker haben meist die Neigung, Probleme zu bewirtschaften», so Bartholdi: «Oft mangelt es daran, Lösungen zu erarbeiten.» Das beste Beispiel sei die aktuelle Mehrheit in der städtischen Politik: «Wir haben eine sehr dominante rot-grüne Mehrheit im Stadtrat und trotzdem kommen von links-grüner Seite im Parlament so viele Vorstösse wie noch nie, sie kritisieren ihre eigene Regierung fast wöchentlich.» Statt immer nur das vermeintlich Schlechte zu bemängeln, sei es wichtig, die Köpfe zusammenzustecken und Lösungen zu suchen, findet er.

Viele von Bartholdis Vorstössen sind selbst ein gutes Beispiel für lösungsorientierte Gemeinderats-Politik. Im Gegensatz zu den meisten Postulaten und Motionen seiner Fraktionskollegen finden sie häufig Mehrheiten im Rat. Zuletzt war das so, als er sich für einen Projektstopp beim Neubau der Sportanlage Oerlikon einsetzte oder dafür, die Gemeinderatswahlen künftig frühestens im März durchzuführen. «Scheinbar spreche ich auch Themen an, die unter den Fingernägeln brennen und die nicht nur parteipolitischer Natur sind», sagt er selbst.

In seinen 22 Ratsjahren hat Bartholdi schon einige Kommissionen kennengelernt, von derjenigen des Finanzdepartments über die des Gesundheits- und Umweltdepartements bis hin zur Geschäftsprüfungskommission. Höhepunkt seiner politischen Karriere war die Übernahme des Ratspräsidiums im Jahr 2016. Bei seiner Wahl erhielt er 107 Stimmen aus dem 125-köpfigen Gremium. «Das ist ein exzellentes Ergebnis, und erst noch von einer Oppositionspartei», sagt er stolz.

Bis heute hört man bis tief in die linke Ratsseite hinein lobende Worte für Bartholdi. Dass er über die Fraktionsgrenzen hinweg so gut bei seinen Ratskolleg:innen ankommt, mag nicht nur an seiner kollegialen und unkrawalligen Art liegen. Es hat sicherlich auch mit seinem vielfältigen Engagement innnerhalb und ausserhalb des Berufs zu tun. Roger Bartholdi ist Banker bei der UBS, dort allerdings auch Mitglied des Ausschusses der Arbeitnehmervertretung und als Vorstandsmitglied im Schweizerischen Bankpersonalverband Zürich Teil des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Vorstandsmitglied ist er auch im PK-Netz, der Arbeitnehmer:innen-Plattform zur betrieblichen Vorsorge.

Und auch, wenn er sich im Namen der Sicherheit von Velofahrenden mit Anhängern erfolgreich für die Entfernung von Hindernissen an der Freilagerstrasse eingesetzt hat, das Auto spielt für Bartholdi immer noch eine wichtige Rolle: Der SVPler ist nämlich auch im Vorstand des Touring Club Schweiz (TCS) Zürich.

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Ich bin ja bereits seit 2002 im Rat, und alle vier Jahre, bei jeder neuerlichen Kandidatur, überlegt man sich, warum man das eigentlich macht. Ich finde, es ist dringend nötig, dass alle Bevölkerungsteile im Rat vertreten sind. Ich bin dort, weil ich den Mittelstand und das Gewerbe vertreten möchte.

Mit welcher Ratskollegin oder welchem Ratskollegen der politischen Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Ich kann mit jeder Person ein Bier trinken, egal von welcher Partei. Politisch haben wir zwar alle unterschiedliche Positionen und Wähleraufträge, aber auf menschlicher Ebene habe ich von meiner Seite keine Differenzen.

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?

Ich kann hier kein einzelnes Ergebnis nennen. Mich stört eher eine grundsätzliche Sache: Dass wir so oft über Peanuts abstimmen, wie zum Beispiel zuletzt über Sonnencreme, die gratis auf Kosten des Steuerzahlers an die Bevölkerung abgegeben werden soll. Dank des Stichentscheids des Gemeinderatspräsidenten konnten wir diesen Vorstoss zum Glück äusserst knapp versenken. Wenn ich daran denke, was sonst gerade alles in der Welt passiert, dann verstehe ich nicht, dass wir nicht über wichtigere Themen debattieren. Man könnte ja zum Beispiel auch darüber sprechen, wie wir den Gemeinden helfen können, die gerade im Wallis und im Tessin von den Überschwemmungen betroffen sind.

Momentan bewegt mich auch sehr die Verharmlosung bestimmter Dinge, die in Zürich passieren. Wir hatten einen motivierten Angriff auf eine jüdische Person, die diesen nur knapp überlebt hat, wir hatten bei der Pride die Planung eines terroristischen Angriffs durch radikalisierte Jugendliche mit Migrationshintergrund. Politisch ist das aber, wenn überhaupt, nur kurz Thema, weil man einfach keine Migrationsdebatte führen will. Man muss jedoch auch über die echten Probleme reden können, die wir haben: Wie können wir die Gesellschaft vor Terror und Gewalt schützen? Die Sicherheit betrifft alle Menschen, die in der Stadt verkehren, und ist eine der wichtigsten Lebensgrundlagen, um die der Staat besorgt sein muss.

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