Gemeinderat der Woche: Mischa Schiwow (AL)
Mit Mischa Schiwow tritt im Oktober ein weiteres Mitglied der AL-Fraktion aus dem Gemeinderat zurück. Der 62-jährige Filmverleiher war der erste Gemeinderatspräsident der Alternativen und setzt sich vorrangig für bezahlbaren Wohnraum ein.
Enttäuscht sei er über die Antwort des Stadtrats auf eine von ihm und Stefan Urech (SVP) eingereichte Interpellation, sagt Mischa Schiwow. Und das brachte er in dieser Woche auch im Gemeinderat zum Ausdruck: «Es entsteht der Eindruck, dass sich der Stadtrat nicht mit dem nötigen Elan an die Arbeit macht», erklärte er dort. Urech und Schiwow wollten vom Stadtrat wissen, wie es um das Projekt der Instandsetzung des Schauspielhaus Pfauen steht, bei dem sich der Gemeinderat im letzten Jahr gegen die Pläne des Stadtrats für eine Sanierung mit geringen Eingriffen an der historischen Bausubstanz durchgesetzt hatte. Die Antwort des Stadtrats auf die Fragen der beiden Gemeinderäte: Es liegt ein Betriebskonzept vor, dessen Inhalt aber dem Gemeinderat und somit auch der Öffentlichkeit vorenthalten bleibt. «Dabei weiss ich aus sicheren Quellen, dass ein Betriebskonzept bereits fast fertig ausgearbeitet war, als man uns die Antwort gab», so Schiwow.
Das Thema Schauspielhaus-Umbau, das bereits seit fast zehn Jahren durch den Gemeinderat geistert, hat Schiwow von den ehemaligen AL-Gemeinderäten Edi Guggenheim und Willi Wottreng geerbt. Das vorrangige Thema des Mitglieds der Sachkommission Hochbaudepartement und Stadtentwicklung ist eigentlich der bezahlbare Wohnraum. Dafür setzt er sich auch ausserhalb des Rats ein, als Vorstandsmitglied des Mieter:innenverbands Zürich und bei ganz konkreten Aktionen zum Erhalt abrissbedrohter Siedlungen, sei es in Witikon, Wiedikon oder anderen Ecken der Stadt.
«Zum Thema Wohnen kommt man, indem man selber wohnt», sagt Schiwow. Sein Wohnverhältnis sei immer wieder in Frage gestellt worden. Er selbst und sein Umfeld seien immer wieder konfrontiert mit Kündigungen, Mietzinserhöhungen und Verdrängung. Aufgewachsen ist der 62-Jährige in einem linken Elternhaus im bürgerlich geprägten Kreis 7, in dem er auch heute noch lebt. Er sehe mit Sorge, dass in seinem Quartier ganze Siedlungen dem Erdboden gleichgemacht werden, doch erlebe er auch viel Zusammenhalt, wenn er beispielsweise auf dem Kreuzplatz stehe und Unterschriften sammle.
Schiwows berufliches Zuhause ist der Film. Er studierte in Paris Filmwissenschaften und leitete danach ein Kino sowie ein Filmfestival in Frankreich. Zurück in der Schweiz war er 15 Jahre lang Geschäftsführer von Swissfilms, der Promotionsagentur des Schweizer Films. Heute arbeitet er als Filmverleiher. «Ich bin ein Mensch, der im Jahr 300 Filme sieht und 150 Drehbücher liest», erzählt er. Gefragt nach seinen Lieblingsfilmen, zählt er einige über Zürich auf, die für ihn «zum Verständnis dieser Stadt beigetragen haben»: «Reisender Krieger» über das Zürich seiner Jugend, «Dani, Michi, Renato und Max» als Dokumentation über die Jugendunruhen der 80er Jahre und «Strähl» über das Milieu der Langstrasse.
Bereits drei Jahre nachdem er in den Rat nachrückte, wurde Schiwow als erstes AL-Mitglied Teil des Ratspräsidiums, 2021/22 leitete er als Gemeinderatspräsident die Sitzungen. Der ganze Gemeinderat sei für ihn eine Art Weiterbildung gewesen, meint er, mit dem Präsisium als zusätzliche Challenge: «Ich finde es wichtig, sich ein wenig in unserer Demokratie auszukennen.» Nach etwas mehr als sieben Jahren wird seine Weiterbildung bald ihr Ende finden: Schiwow hat nämlich angekündigt, im Oktober aus dem Rat zurückzutreten.
Warum sind Sie Gemeinderat geworden?
Ich bin 2016 für Corine Schäfli nachgerutscht. Sie wurde 2014 überraschend im Kreis 7/8 gewählt, in einem Kreis, in welchem wir wenig bis keine Chancen hatten. Ich war schon immer politisch engagiert, habe mir aber bis vor sieben Jahren nicht vorgestellt einmal Gemeinderat zu werden.
Mit welche:r Ratskolleg:in der Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?
Mit einigen Ratskolleginnen und Ratskollegen von anderen Parteien habe ich schon ein Bier getrunken. Das liegt, wenn man einer kleinen Fraktion angehört und mal Gemeinderatspräsident gewesen ist, auf der Hand. Doch am liebsten trinke ich ein Bier mit Leuten aus meinem Quartier, ob sie der AL zugewandt sind oder nicht.
Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?
Es gibt keine Abstimmungsergebnisse, die mich besonders geärgert haben. Ich rege mich aber über die unnötigen, sich ständig wiederholenden Debatten auf, welche von der SVP angezettelt werden und alle tatsächlichen und vermeintlichen Probleme unserer Stadt an den Ausländer:innen festmachen.