Gemeinderat der Woche: Michael Schmid (AL)
Michael Schmid hat sich in seinen bisher acht Monaten im Rat als Stimme beim Thema Verkehrswende etabliert. Dabei gehe es ihm nicht bloss ums Velo, betont er. Sondern um unsere Wahrnehmung und Nutzung des öffentlichen Raums.
Zum Ende seiner 20er habe er nach einem Ort für sein politisches Engagement gesucht und sei über die offenen Vollversammlungen bei der AL gelandet, erzählte der heute 37-jährige Michael Schmid im letzten Sommer gegenüber Tsüri.ch. Nach einer Weile sei er dort dann gefragt worden, ob er nicht einmal ein Amt übernehmen wolle. Inzwischen ist Schmid im Vorstand seiner Partei und hat sich seit seinem Einzug in den Gemeinderat vor acht Monaten dort vor allem als Stimme beim Thema Verkehrswende etabliert.
Schmid ist regelmässiger Teilnehmer der Critical Mass und Vorstandsmitglied des Vereins Vélorution. Sein verkehrspolitisches Engagement beschränkt sich allerdings nicht auf das Velo. Er will es breiter verstanden wissen, nämlich als Teil einer Diskussion um die Wahrnehmung und Nutzung des öffentlichen Raums. «Wir bauen seit mittlerweile 80 Jahren an einem Stadtraum, der vor allem den Bedürfnissen der Automobilität gerecht wird», erklärt er: «Das hat nicht nur klimatische und ökologische Auswirkungen, sondern auch auf die Platzverhältnisse im öffentlichen Raum.»
Seine Fraktion hat in diesem Zusammenhang in dieser Woche ein Postulat eingereicht, in dem sie fordert, ein städtisches Verzeichnis privater Auto-Abstellplätze zu erstellen. Damit könnten unterbesetzte Abstellanlagen identifiziert und der Bedarf für einen Erhalt von blauen Parkplätzen besser ermittelt werden, so die Hoffnung.
Eine Verknüpfung von Verkehrspolitik und Hochbau macht wiederum eine Motion, die seine Fraktion letzte Woche eingeeicht hat: Der Stadtrat solle die Parkplatzverordnung so verändern, dass sie «geeignet ist, autofreie und autoarme Wohnformen zum Standard zu machen», wird darin gefordert. Momentan sehe sie nämlich eine Verpflichtung vor, beim Neu- und Umbau von Wohnungen Parkplätze zur Verfügung zu stellen, so Schmid: «Das führt dazu, dass man mit viel CO2-intensivem Zement eine Infrastruktur für CO2-intensiven Verkehr baut, wo eigentlich klar ist, dass der Trend zu immer weniger Autos pro Haushalt fortgesetzt wird und auch fortgesetzt werden muss.»
Überlegungen zur Nutzung des städtischen Raums standen diese Woche auch im Zentrum seiner Ablehnung des Postulats von Samuel Balsiger und Walter Anken (SVP), die bei der Begrünung des Münsterhofs mehr Berücksichtigung der Interessen des lokalen Gewerbes forderten. «Ich denke, wenn man einen öffentlichen Platz gestaltet, muss vor allem das Bedürfnis der Öffentlichkeit berücksichtigt werden», erläutert er. Dabei gehe es ihm auch um die Menschen, die sich auf dem Platz aufhalten wollten, ohne etwas konsumieren zu müssen.
Auch in der Altstadt, in der er seit zehn Jahren wohnt und, so erzählt er lachend, im Quartierverein sowie in der Kompostgruppe engagiert ist, sei die Nutzung des öffentlichen Raums ein zentrales Thema. So zum Beispiel beim Abbau der Parkplätze auf dem Zähringerplatz, aber auch beim Thema Lärm, der häufig mit nächtlichem Alkoholkonsum in der Gasse im Zusammenhang stehe. Ein Dilemma für ihn, gesteht er: Einerseits gehe es darum, das Quartier lebenswert für die Bewohner:innen zu machen, andererseits finde er, dass es mehr Freiraum in der Stadt brauche, den Menschen nutzen und wo sie ausgelassen sein könnten.
Schmid verdient sein Geld als App-Entwickler. Ein Job, den er glücklicherweise gut mit der politischen Arbeit vereinbaren könne, sagt er: «Ich habe flexible Arbeitszeiten. Zudem ist es eine gut bezahlte Arbeit, mit der ich die schlecht bezahlte Ratsarbeit quersubventionieren kann.»
Warum sind Sie Gemeinderat geworden? Politisch aktiv wurde ich aus dem Bedauern heraus, dass unsere Wirtschaftsweise immer weniger der Erfüllung unserer menschlichen Bedürfnisse gerecht wird, und gleichzeitig die Ökosysteme, deren teil wir sind und von denen wir abhängen, unwiderruflich schädigt. Das Amt gibt mir eine Plattform für die Themen, die mich hier in Zürich bewegen, etwa welchen Beitrag wir lokal zur Lösung der globalen Probleme leisten können. Aber auch, wie wir der Segregation in dieser Stadt entgegenwirken oder wie wir unseren gemeinsamen, öffentlichen Raum nutzen. Mit welche:r Ratskolleg:in der Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen? Am meisten würde mich ein informeller Austausch mit den Kolleg:innen auf der Rückseite des Rates interessieren, den Mitarbeitenden der Parlamentsdienste. Sie leisten einen beachtlichen Effort, damit die Rats- und Kommissionssitzungen wie am Schnürchen laufen. Chapeau! Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert? Im Gemeinderat war das jenes zum Pilotversuch, Velostreifen und -wege flächig einzufärben. Es war ein Postulat der AL-Fraktion, welches noch vor meinem Eintritt in den Rat anlässlich der Debatte zum Verkehrsrichtplan im Herbst 2021 eingereicht, aber erst in der neuen Amtsperiode debattiert wurde. In anderen Städten hat die flächige Einfärbung der Veloverkehrsflächen gezeigt, dass dies zu signifikant weniger Konflikten zwischen Velofahrenden und Autos wie auch zu Fuss gehenden führt. Enttäuschend war ich insbesondere, dass nicht alle, die ich als Verbündete in diesem Thema glaubte, mit dabei waren, und dass ich deren Begründung bis heute nicht nachvollziehen kann.
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Sein Studium in Politikwissenschaften und Philosophie in Leipzig brachte Steffen zum Journalismus. Als freier Journalist schrieb er für die WOZ, den Tagesspiegel oder die Schaffhauser AZ. Laut eigenen Aussage hat er «die wichtigste Musikzeitschrift Deutschlands, die Spex, mit beerdigt». Seit 2020 ist Steffen bei Tsüri.ch. Sein Interesse für die Zürcher Lokalpolitik brachte das wöchentliche Gemeinderats-Briefing hervor. Nebst seiner Rolle als Redaktor kümmert er sich auch um die Administration und die Buchhaltung.