Gefährliche Opioide in Zürich: Stadt arbeitet an Massnahmen

In Zürich tauchen vermehrt synthetische Opioide namens «Nitazene» auf, die in kleinsten Mengen tödlich wirken. Das Problem: Die Substanzen werden oft unwissentlich konsumiert, was gerade für junge Menschen gefährlich sein kann. Die Stadt arbeitet an einem Massnahmenpaket.

Synthetische Opioide Nizantene
Obwohl Nitazene ursprünglich als Schmerzmittel entwickelt wurden, gibt es derzeit keine zugelassenen Arzneimittel auf ihrer Basis. (Bild: Nastya Dulhiier / Unsplash)

Nitazene sind eine Gruppe synthetischer Opioide, die als besonders starke Schmerzmittel und Drogen wirken und zu den gefährlichsten ihrer Art weltweit zählen. Auch in Zürich sind die Substanzen angekommen: Das Drogeninformationszentrum (DIZ) testete 2024 zwei Pillen, die als Oxycodon verkauft wurden. Beide enthielten Nitazene, vermutlich als unerkannte Streckmittel. Da sie oft illegal und unter falschen Namen verkauft werden, bergen sie ein besonders hohes Risiko.

Bis zu 1000-mal potenter als Morphin

Entwickelt wurden Nitazene Ende der 1950er-Jahre vom Basler Chemieunternehmen Ciba AG, das nach Alternativen zu Morphin suchte. In den Handel kamen die Nitazene aber nie, denn die Substanz war zu stark und somit zu gefährlich.

Einzelne Varianten sind bis zu 1000-mal potenter als Morphin, sodass sie verdünnt eingenommen werden müssen. Bereits Spuren in der Grösse eines Salzkorns können eine Überdosis auslösen, wie Dominique Schori, Teamleiter des Drogeninformationszentrum (DIZ) der Stadt Zürich im Februar gegenüber Tsüri.ch sagte.

Die Substanzen gibt es als Tabletten, Pulver oder Lösung, und werden geschluckt, geschnupft, geraucht oder injiziert. Sie wirken schmerzlindernd, dämpfend und angstlösend und machen bereits in kleinsten Mengen abhängig. Häufig werden sie als Heroin oder unter dem Namen verschreibungspflichtiger Medikamente wie Oxycodon verkauft, oft ohne Wissen der Konsumierenden.

Ein globaler Trend erreicht Europa

Laut dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) wurden Nitazene erstmals 2019 nachgewiesen. Seither steigt die Zahl der Funde rasant und heute werden sie auf allen Kontinenten gemeldet. In Grossbritannien sind seit Juni 2023 mindestens 400 Menschen im Zusammenhang mit Nitazenen gestorben. Die Regierung reagierte im Januar mit einem umfassenden Verbot von 22 hochpotenten Substanzen und einer neuen, allgemeinen Nitazen-Definition im Drogengesetz, um Gesetzeslücken zu schliessen.

Dominique Schori, Teamleiter des DIZ, sagte im Februar gegenüber Tsüri.ch: «Immer mehr junge Menschen interessieren sich für verschreibungspflichtige Medikamente wie Opioide.» Diese Subkultur sei besonders gefährdet, sich unwissentlich mit gefälschten Tabletten zu überdosieren.

In der Offenen Jugendarbeit Zürich (OJA) sei man bisher kaum mit Nitazenen konfrontiert worden, sagt Natalie Bühler, Co-Geschäftsführerin der OJA. In den meisten Jugendtreffs sprechen die jüngeren Jugendlichen vor allem über Alkohol, Kiffen oder Zigaretten. Auf ältere Jugendliche treffe eher das mobile Team in der Innenstadt, das bei neuen Drogentrends eng mit dem DIZ zusammenarbeitet.

Die OJA informiere sowohl vor Ort als auch über soziale Medien präventiv zu verschiedenen Themen. Die meisten Jugendlichen würden zwar aktiv nach Informationen zu Substanzen suchen, sagt Bühler, orientierten sich jedoch oft an Quellen, die Risiken kaum oder gar nicht erwähnen. Aus Sicht der OJA fehlen laut Bühler im Netz erwachsene Ansprechpersonen, die bemerkten, wenn beispielsweise über soziale Medien Drogen an Jugendliche verkauft werden.

Fachleute fordern Massnahmenpaket

Hannes Strasser, leitender Arzt am Suchtambulatorium der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, warnte in der SRF-Sendung Morgengast: Es sei nur eine Frage der Zeit, bis auch hier Häufungen von Überdosis-Fällen auftauchen. 

Die Stadt Zürich arbeitet bereits an einem Massnahmeplan gegen synthetische Opioide. Das bestätigt auch Thilo Beck vom Zentrum für Suchtmedizin Zürich gegenüber SRF. Der Plan soll Wissen sammeln und den Informationsaustausch verbessern, medizinische Angebote prüfen und ausbauen sowie gezielte Kommunikationskanäle für unterschiedliche Zielgruppen definieren.

Auch die Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM) warnt vor einer drohenden Opioidkrise. In einem Positionspapier vom Oktober 2024 schreibt sie: «Aus suchtmedizinischer Sicht spricht wenig dafür, dass diese Entwicklung die Schweiz verschont.»

Die SSAM fordert ein national abgestimmtes und kantonal abgestimmtes Massnahmenpaket. Dieses umfasst unter anderem ein verbessertes Monitoring mit mehr niederschwelligen Drug-Checking-Angeboten und Schnelltests in Konsumräumen. Zudem soll die systematische Erfassung und Auswertung von Todesfällen im Zusammenhang mit Opioiden verbessert werden. Parallel dazu brauche es eine Stärkung der Schadensminderung, etwa durch den Ausbau von Konsumräumen mit längeren Öffnungszeiten sowie den sogenannten Mikrohandel. Dieser versorge Abhängige in kleinen Mengen, um den Schwarzmarkt zu umgehen. 

Ein weiterer zentraler Punkt sei die breite Abgabe des Notfallmedikaments Naloxon, idealerweise als Nasenspray, finanziert durch Krankenkassen oder den Bund.

Und schliesslich fordert die SSAM eine gezielte Aufklärung. Konsumierende und vor allem Jugendliche sollten umfassend über die Risiken hochpotenter synthetischer Opioide informiert werden, heisst es im Positionspapier. Zugleich gelte es, medizinisches Personal und Fachstellen der Drogenhilfe gezielt zu sensibilisieren.

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jenny

Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.

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Kommentare

Kurt
13. August 2025 um 16:57

das sind eher Chemiewaffen als Drogen oder Medikamente

Dass man bei diesen Mitteln noch von Drogen oder Medikamenten spricht, ist völlig falsch. Mir fehlt die Bezeichnung, eher "Cyankali"-Pillen, Selbsttötungspillen, eher chemische Waffen. Man sollte in diesem Fall dringenst die Sprache ändern, dass das Wort das Ding auch wirklich bezeichnet. Und man sollte die Bevölkerung eindringlich warnen und schützen. Ein Grund nach Medienberichten ist, dass Afghanistan die Produktion von natürlichen Opioiden eingestellt hat, was die Schwemme der synthetischen Opioide massiv gestärkt hat. Der Staat auch in Bezug auf die EU sollte selber natürliche Opioide herstellen unter kontrollierten Bedingungen und diese kontrolliert abgeben an die Süchtigen. Das ist sonst viel zu gefährlich.