Racial Profiling im Visier – Zürcher Polizei soll besser hinschauen
Das Zürcher Parlament will Racial Profiling bekämpfen: Ein SP-Postulat fordert bessere Daten, Schulungen und Zusammenarbeit mit NGOs.
Zürich soll ernst machen mit der Bekämpfung von Racial Profiling in der Polizei. Der Gemeinderat hat mit klarer Mehrheit ein Postulat der SP angenommen, das den Stadtrat beauftragt, weitere Massnahmen gegen rassistische Polizeikontrollen zu prüfen. Im Fokus: bessere Daten, mehr Schulungen – und Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Anlass ist unter anderem die Verurteilung der Schweiz durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Mohamed Wa Baile. «Die Polizei hat das Gewaltmonopol, darum müssen wir genau hinschauen», sagte SP-Gemeinderat Severin Meier. Er schlägt vor, die Kontroll-App der Stadtpolizei so zu erweitern, dass Muster von diskriminierendem Verhalten erkannt werden können. Zudem brauche es praxisnahe Schulungen für Polizist:innen und Aspirant:innen.
SVP-Mann Stephan Iten fühlte sich provoziert: «Eure Rassismusvorwürfe nerven einfach nur gewaltig!» Die Polizei sei überlastet, zusätzliche Schulungen realitätsfern.
Unterstützung kam von FDP, GLP, Grünen, AL und der Mitte. FDP-Gemeinderätin Martina Zürcher betonte: «Die Auswertungen können auch die Polizei vom Generalverdacht entlasten.» Und Serap Kahrimann (GLP) stellte klar: «Das Postulat stärkt die Polizei – es richtet sich nicht gegen sie.»
«Von Racial Profiling Betroffene trauen sich oft nicht, sich an die Polizei zu wenden, wenn sie in Gefahr sind.»
Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne)
Grünen-Gemeinderätin Anna-Béatrice Schmaltz erinnerte an die gesamtgesellschaftliche Verantwortung: «Von Racial Profiling Betroffene trauen sich oft nicht, sich an die Polizei zu wenden, wenn sie in Gefahr sind.»
Das Parlament hat dem Vorstoss mit deutlicher Mehrheit zugestimmt: mit den Stimmen von SP, Grüne, FDP, AL und GLP.
Sechseläutenplatz bleibt (fast) demo-frei – Bürgerliche jubeln
Die AL wollte politische Demonstrationen auf dem Sechseläutenplatz erleichtern. Der Gemeinderat sagte Nein – mit Stichentscheid und Applaus von rechts.
Der Sechseläutenplatz bleibt eine Demo-freie Zone – zumindest meistens. Die Alternative Liste (AL) wollte das ändern: Politische Kundgebungen, die nur wenige Stunden dauern, sollten dort unkompliziert möglich sein.
Doch der Gemeinderat lehnte die Motion mit 56:56 Stimmen ab – Stichentscheid durch den Ratspräsidenten von der FDP. Auf der rechten Ratsseite brach über diesen seltenen Sieg spontan Jubel aus.
«Eine Demonstration ist kein Event, sondern ein Grundrecht.»
Luca Maggi (Grüne)
«Wenn eine Demonstration den Platz nutzt, ist das zeitlich sehr begrenzt», argumentierte AL-Gemeinderat Moritz Bögli. Und: «Die Versammlungsfreiheit wird derzeit eingeschränkt.» Denn während Zirkus Knie oder Weihnachtsmarkt den Platz wochenlang besetzen dürfen, wird für politische Anliegen meist abgewunken – ausser am 1. Mai.
Der Stadtrat sieht das anders. Stadträtin Karin Rykart (Grüne): «Die Versammlungsfreiheit wird gewahrt. 2024 gab es über 250 bewilligte Kundgebungen.» Doch eben: nicht auf dem Sechseläutenplatz. Der sei zu wichtig für den ÖV und müsse frei bleiben.
FDP, SVP und GLP pochten auf den Volksentscheid von 2018: Damals wurde ein Gegenvorschlag angenommen, der Veranstaltungen – auch politische – auf maximal 180 Tage pro Jahr begrenzt. Für die Bürgerlichen ist damit klar: Demo ist Veranstaltung – und gehört damit eingeschränkt.
«Eine Demonstration ist kein Event, sondern ein Grundrecht», hielt Luca Maggi (Grüne) dagegen. Doch am Ende reichte es nicht. Der Platz bleibt frei – aber nicht unbedingt für die organisierte freie Meinungsäusserung.
Weitere Themen aus dem Rat
Zürich stockt Förderung für günstige Wohnungen auf: Der Gemeinderat hat die Obergrenze für kantonale Wohnbauförder-Darlehen von 180 auf 360 Millionen Franken verdoppelt. Damit soll dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum entgegengewirkt werden – angesichts explodierender Baukosten und stagnierender Zahlen subventionierter Wohnungen. Unterstützt wird der Vorstoss von SP, Grünen, GLP und AL. FDP und SVP lehnen ab und verweisen auf die bevorstehende Abstimmung zum Vorkaufsrecht. Dort will der Gegenvorschlag genau das gleiche, wie diese Behördeninitiative.
Solarstrom soll in Zürich günstiger und einfacher nutzbar werden: Der Gemeinderat hat ein Postulat von SP und Grünen angenommen: Das Modell «ewz.solarsplit» soll überprüft werden – aktuell kostet es 4 Rp./kWh, beim kantonalen EKZ nur 1 Rappen. Ausserdem sollen Mieter:innen stärker vom eigenen Solarstrom profitieren können. Stadtrat Michael Baumer (FDP) sagt: «Das EWZ arbeitet sehr effizient.» Man wolle trotzdem schauen, «wie man das verbessern kann». Ziel: mehr Solarenergie auf Zürichs Dächern.
Keine Fallgitter für alte Trams: Der Gemeinderat hat ein Postulat der SVP abgelehnt, das den Stadtrat aufforderte zu prüfen, ob ältere Trams mit Fallgittern oder Spoilern nachgerüstet werden können. Ziel war es, Fussgänger:innen bei Unfällen besser zu schützen. Laut VBZ-Statistik haben Unfälle mit Personenschaden seit 2021 zugenommen. Stadtrat Michael Baumer (FDP) erklärte: «Wir machen alles, um tödliche Unfälle zu minimieren. Aber etwas zu prüfen, was wir bereits haben, ist bürokratischer Leerlauf.» Abgelehnt wurde der Vorstoss gegen die Stimmen von SVP und GLP.
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An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Nina. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.