Roger Suter (FDP): «Solange Drogen verkauft werden, gibt es Konsum»

Der Drogenkonsum verlagert sich von der Bäckeranlage ins Wohnquartier im Kreis 4. FDP-Gemeinderat Roger Suter fordert deshalb neue Konsumräume, um den Konsum von der Strasse zu holen und die Situation für die Anwohner:innen zu verbessern.

Roger Suter FDP Gemeinderat
Roger Suter hat für die FDP den zweiten Sitz im Kreis 4 und 5 geholt. (Bild: Simon Jacoby)

Über sich selbst sagt Roger Suter: «Ich bin sicher eine extravertierte Person.»

Suter, 50 Jahre, Malermeister, Dozent an einer höheren Fachschule, ist überzeugt, dass es auch sein Humor war, der ihm 2022 einen Sitz im Gemeinderat für die FDP einbrachte. Mit dem Slogan «Zürich ist mir nicht Wurst – ich gebe meinen Senf dazu» verteilte er Senftuben an Passant:innen.

So errang er ausgerechnet im linken Wahlbezirk Kreis 4 und 5 einen zweiten FDP-Sitz.

Als Kreisvertreter beschäftigt sich Suter, der sich als Präsident des Witikoner Handel und Gewerbeverbands sonst eher für KMU-Anliegen einsetzt und einst einen Tukan für die Stadtgärtnerei forderte, heute mit Drogenpolitik.

Der Crackkonsum auf der Bäckeranlage und in den anliegenden Quartierstrassen sorgt im «Chreis Cheib» seit zwei Jahren für Unmut unter Anwohner:innen. Zunehmend verlagert sich der Drogenkonsum in die Quartierstrassen.

Gemeinsam mit zwei FDP-Kolleginnen hat Suter vor zwei Wochen eine schriftliche Anfrage eingereicht. Sie wollen von der Stadt wissen, welchen Wohnsitz die Konsumierenden haben, wie oft dieselben Personen verwiesen werden und wie wirksam die aktuellen Massnahmen sind.

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Um etwas zu verändern.

Was ist denn nicht gut an Zürich?

Das ist eine Politikerantwort, aber was mich wirklich stört, ist, sind die Steuern. Die Stadt Zürich macht so viel Gewinn, dass der Steuerfuss runter muss. Und ich meine jetzt nicht mal für die Unternehmen, sondern vor allem für die Bevölkerung. In diesem Punkt unterscheide ich mich manchmal von meiner Fraktion, wenn ich in Gesellschaftsfragen sozialer ticke, als der Rest.

«Als Kreisvertreter gewichte ich Prävention und Therapie stärker als Schadensminderung und Repression.»

Roger Suter

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Die Situation um die Bäckeranlage. Ich bin der Ansicht, dass wir viel mehr auf die Süchtigen zugehen müssen und Betreuungsangebote für sie schaffen. Mit diesen Ideen bin ich innerhalb der Partei aber nicht auf Begeisterung gestossen. Die FDP setzt auf die 4-Säulen-Politik, so wie sie heute umgesetzt wird. Als Kreisvertreter gewichte ich Prävention und Therapie stärker als Schadensminderung und Repression.

Was würden Sie anders machen?

Eine Idee ist, die Kontakt- & Anlaufstellen (K&) auch für Menschen zu öffnen, die ihren Wohnsitz nicht in Zürich haben.

Die Stadt entgegnet hier, solche Lockerungen würden die Sogwirkung von Zürich als Drogenumschlagplatz verstärken und das Problem schlussendlich verschärfen.

Das darf natürlich nicht passieren. Doch deshalb müssen wir wissen, was für Menschen das sind, die in den Quartieren konsumieren. Falls die Antwort der Stadtpolizei ist, dass 90 Prozent der im Quartier aufgegriffenen Süchtigen Stadtzürcher:innen sind, kann man meiner Meinung nach die K&A für die zehn Prozent Auswärtige öffnen. Man muss die Sache ja nicht verkomplizieren. Wichtig ist, dass die Süchtigen aus den Quartierstrassen verschwinden.

Sie sagen «verschwinden». Sind Sie tatsächlich der Ansicht, dass es ein Zürich ohne Drogen gibt?

Nein. Solange die Drogen hier in der Stadt verkauft werden, wird es Drogenkonsum in Zürich geben. Das Ziel muss es aber sein, dass der Konsum nicht auf der Strasse stattfindet. Deswegen braucht es auch für Auswärtige geschützte Konsumorte. 

Mir geht es vor allem um die Quartierbewohner:innen. Einige haben sich bei mir gemeldet und gesagt, die Situation im Quartier sei unhaltbar geworden.

«Wir wollen schliesslich auch unsere Gelder aus der Pensionskasse erhalten. Und die stammen zu grossen Teilen aus der Immobilienwirtschaft.»

Roger Suter

Gehen wir weiter im Fragebogen. Welches Abstimmungsergebnis im Rat hat Sie am meisten gefreut?

Dass das Üetlihof Geschäft abgelehnt wurde.

Der Üetlihof wird von Bürgerlichen an dieser Stelle oft genannt. Die Stadt wollte das Areal als strategische Reserve erwerben und später eine Wohnnutzung ermöglichen. Als Stadtzürcher und Mitglied der Hochbaukommission kennen Sie die Wohnungsnot. Sehen Sie das nicht auch so, dass durch die Absage viel potenzieller Wohnraum verloren gegangen ist?

Doch - aber ich finde, es ist nicht die Aufgabe der Stadt Zürich, für so viel Geld zu bauen. Das können Private machen. Wir wollen schliesslich auch unsere Gelder aus der Pensionskasse erhalten. Und die stammen zu grossen Teilen aus der Immobilienwirtschaft.

Und welches Geschäft hat Sie besonders geärgert?

Die Erhöhung der Gemeinderatslöhne. Dass hier im Rat alle, bis auf SVP und FDP dafür gestimmt haben, dass wir unsere Löhne quasi verdoppeln, hat mich massiv geärgert. Ich war darum froh, dass die Bevölkerung es später an der Urne abgelehnt hat.

Nach dem «Nein» an der Urne war es aber die FDP, die eine nächste Gehaltsanpassung ins Spiel brachte.

Ja, aber nicht so massiv. Das geht einfach nicht, das ist Steuergeld. Man kann gewisse Aspekte der Entlöhnung anpassen: Die BVG-Beiträge, den Mutterschaftsschutz, Krankentaggeld. Über das können wir alles reden. Aber nicht alles dermassen hochsetzen. Darum hat die FDP einen neuen Vorschlag gemacht, der nun weiterverfolgt wird.

Zum Schluss: Mit welcher Ratskollegin oder welchem Ratskollegen der politischen Gegenseite würden Sie gerne eins trinken gehen?

Michael Schmid von der AL. Ich mag seinen Humor. Mit vielen war ich schon eins trinken, bei ihm hat es sich nie ergeben. Vermutlich bin ich sein Klassenfeind und er würde nie auf mich zukommen.

Wo würden Sie hingehen?

Ich bin für alles offen. Wir könnten auch in die Rote Fabrik gehen.

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nina

Aufgewachsen am linken Zürichseeufer, Studium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft an den Universitäten Freiburg (CH) und Basel. Sie machte ein Praktikum beim SRF Kassensturz und begann während dem Studium als Journalistin bei der Zürichsee-Zeitung. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin untersuchte sie Innovationen im Lokaljournalismus in einem SNF-Forschungsprojekt, wechselte dann von der Forschung in die Praxis und ist seit 2021 Mitglied der Geschäftsleitung von We.Publish. Seit 2023 schreibt Nina als Redaktorin für Tsüri.ch.

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