Abstimmungen 30. November

Prämien, Seebahn-Höfe und Velowege: Darüber stimmt Zürich ab

Seebahn-Höfe, mehr Geld für Veloinfrastruktur und eine Entlastung bei den Krankenkassenprämien: Am 30. November entscheidet die Zürcher Stadtbevölkerung über ganze sieben Vorlagen. Hier kommt die Übersicht.

Stadttunnel Velo
Zürcher:innen stimmen über einen Kredit ab, der die Umsetzung des Veloroutennetzes beschleunigen soll. (Bild: Yann Bartal)

Am 30. November stehen die nächsten Abstimmungen an. Über diese sieben Vorlagen entscheiden die Zürcher Stimmberechtigten:

1. Prämienentlastung 2. «Seebahn-Höfe» 3. 350 Millionen für Velo-Infrastruktur 4. Erweiterung Schulanlage Riedhof 5. ELCH Familienzentren 6. Neue Bestimmungen Wahlbüro und Mehrheitswahlen 7. Ersatzneubau Wohnsiedlung Luchswiese

1. Prämienentlastungsinitiative

In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Krankenkassenprämien in der Stadt Zürich fast verdoppelt. Die Prämienentlastungsinitiative der SP verlangt, dass Personen mit tiefem oder mittlerem Einkommen einen finanziellen Zuschuss erhalten. Konkret sollen Erwachsene mit einem Jahreseinkommen bis 60’000 Franken unterstützt werden. Für die Stadt würden dadurch jährliche Kosten von rund 60 Millionen Franken entstehen.

Die Volksinitiative wurde als allgemeine Anregung eingereicht. Wird sie angenommen, müssen die Details zum Krankenkassenzuschuss noch ausgearbeitet werden.

Pro:

Die stetig steigenden Krankenkassenprämien seien für immer grössere Teile der Stadtzürcher Bevölkerung eine erhebliche Belastung, argumentieren SP, Grüne und Gewerkschaften. Die Initiative soll sicherstellen, dass Zürich für alle bezahlbar bleibt.

Mit einem Gewinn von 500 Millionen Franken könne sich die Stadt dies leisten, sagte Hanna Locher (SP) in der Schlussabstimmung im Gemeinderat: «Jeder Franken fliesst direkt ins Haushaltsbudget der Stadtbevölkerung und stärkt damit die Kaufkraft.»

Contra:

Für eine Mehrheit von Gemeinderat und Stadtrat sind Ausgaben von 60 Millionen Franken zu hoch. Samuel Balsiger (SVP) kritisierte, die Prämienentlastung setze am falschen Punkt an: «Wenn man weiterhin Geld in dieses marode System einschiesst, wird der Reformdruck gemindert, und es kommt zu keinen Reformen auf Bundesebene.» Stattdessen müsse bei den Gesundheitskosten gespart werden.

2. Privater Gestaltungsplan «Seebahn-Höfe»

Die «Seebahn-Höfe» sollen abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden. Die beiden Siedlungen der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ) und der Baugenossenschaft des Eidgenössischen Personals (BEP) im Kreis 4 entsprechen nicht mehr den heutigen Anforderungen an Wohnungsangebot, Lärmschutz und Barrierefreiheit. Geplant sind rund 350 Wohnungen für etwa 1000 Personen – doppelt so viele wie bisher.

Die Kosten des Ersatzneubaus tragen die Genossenschaften. Die Bevölkerung stimmt über das Projekt ab, weil es in Teilen von der Bau- und Zonenordnung (BZO) abweicht. Unter anderem überschreitet das Projekt die maximal zulässige Gebäudehöhe. Nachdem der Gemeinderat den privaten Gestaltungsplan genehmigt hatte, ergriff ein Komitee das Referendum. Nun entscheidet die Stimmbevölkerung.

Pro:

Die Genossenschaften und die grosse Mehrheit des Gemeinderats unterstützen das Projekt, weil mehr Wohn- und Nutzfläche entsteht. «Hier kann Verdichtung mit Qualität umgesetzt werden», sagte Brigitte Fürer (Grüne).

Contra:

Die AL und Teile der Grünen lehnen den privaten Gestaltungsplan «Seebahn-Höfe» aus ökologischen, wohnpolitischen und sozialen Gründen ab und haben darum das Referendum eingereicht. «Es ist kein Zufall, dass genau dort abgerissen und verdichtet wird, wo ärmere Menschen leben», kritisierte Yves Henz (Grüne).

Auch die «IG Seebahnhöfe-retten» argumentiert, der Abriss widerspreche den Klimazielen und der vor 20 Jahren gefasste Abrissplan sei überholt und nicht mehr vertretbar.

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3. 350 Millionen Franken für die Velo-Infrastruktur

Die Zürcher Stimmbevölkerung hat vor zehn Jahren 120 Millionen Franken für den Ausbau der Veloinfrastruktur bewilligt. Bisher wurden davon erst 18,64 Millionen Franken verwendet. Grund dafür sei laut Ratslinken, dass der aktuelle Rahmenkredit nur für kommunale Routen genutzt werden darf. Wichtige städti­sche Projekte überschneiden sich jedoch oft mit regionalen Velorouten auf Stadt­gebiet wie beispielsweise die grün markierten Velovorzugsrouten durch die Stadt Zürich.

Die neue Vorlage will den Zweck des ursprünglichen Kredits erweitern. Neu soll der Kredit auch für die Planung und den Bau regionaler Veloinfrastruktur eingesetzt werden können. Der alte Kredit würde aufgehoben, und die bereits verwendeten 18,64 Millionen Franken dem neuen Rahmenkredit von 350 Millionen zugerechnet.

Pro:

SP, AL, Grüne und GLP sprechen sich für den neuen Rahmenkredit aus. «Nur so können grössere und relevante Projekte, etwa die Velovorzugsrouten, über diesen Kredit abgewickelt werden», sagte Anna Graff (SP) im Gemeinderat.

Contra:

Eine Minderheit des Gemeinderats – bestehend aus der Mitte/EVP und der FDP – würde einer Zweckänderung zustimmen, lehnt aber die Aufstockung des Kredits auf 350 Millionen ab. «Wir verstehen nicht, weshalb der Betrag mehr als verdreifacht werden soll», sagte Martina Zürcher (FDP). Die SVP lehnt sowohl Zweckänderung als auch Aufstockung ab.

4. Erweiterung Schulanlage Riedhof

In Höngg ist die Zahl der Schüler:innen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Deshalb reicht der Platz in der Schule Riedhof nicht mehr aus. Derzeit wird die Mehrheit der rund 620 Kinder in provisorischen Züri-Modular-Pavillons unterrichtet und betreut.

Der geplante Erweiterungsbau soll Raum für 21 Primarklassen schaffen. Künftig wird die Schulanlage Riedhof insgesamt rund 730 Schüler:innen aufnehmen können. Vorgesehen sind zudem eine Doppelsporthalle, Räume für die Musikschule Konservatorium Zürich (MKZ) sowie eine grosse Küche mit Essräumen.

Der Ersatzneubau ist mit 108 Millionen Franken veranschlagt, davon 17,5 Millionen Franken als Reserven.

Pro:

Eine Mehrheit des Gemeinderats unterstützt die Erweiterung. Ann-Catherine Nabholz (GLP) bezeichnete das Projekt trotz hoher Kosten als pragmatische und sinnvolle Lösung: «Wir ermöglichen ein nachhaltiges Schulhaus.»

Contra:

Für eine Minderheit aus der FDP- und der SVP-Fraktion ist das Projekt zu teuer und zu gross. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass die Zahl der Schüler:innen in den nächsten Jahren stagnieren oder leicht zurückgehen wird.

5. Verein ELCH für Eltere und Chind, Beiträge ab 2027

Der Verein ELCH für Eltere und Chind betreibt in der Stadt Zürich mehrere Familienzentren. Er berät Eltern und bietet neben Kinderbetreuung auch Kreativwerkstätten und Theaterangebote für Kinder an. Nachdem die Nachfrage während der Coronapandemie zurückgegangen war, steigen die Besuchszahlen nun wieder deutlich.

Derzeit unterstützt die Stadt den Verein mit jährlichen Beiträgen von rund 1,97 Millionen Franken. Dieser Betrag soll um 355’500 Franken erhöht werden.

Pro:

Die grosse Mehrheit des Gemeinderats befürwortet die zusätzliche Finanzierung, damit der Verein sein Angebot weiterentwickeln kann. Geplant sind längere Öffnungszeiten, neue Bildungsangebote und eine moderne digitale Infrastruktur. Zudem sollen die Löhne auf ein angemessenes Mindestlohnniveau angehoben werden. «Die Weisung schafft Stabilität, Planungssicherheit und sichert zugleich faire Arbeitsbedingungen», sagte Ruedi Schneider (SP).

Contra:

Nur die SVP lehnt die Erhöhung ab. Zwar unterstützt sie das Angebot grundsätzlich, hält die zusätzlichen Mittel jedoch für übertrieben. «Wir lehnen die Erhöhung der Leistungen ab, da die Mehrleistungen nicht verhältnismässig sind», erklärte Michele Romagnolo (SVP).

6. Neue Bestimmungen Wahlbüro und Mehrheitswahlen

Es liegt ein neues kantonales Gesetz über die politischen Rechte vor. Neu soll der Stadtrat die Anzahl der Mitglieder eines Wahlbüros festlegen. Bei Wahlen mit leeren Wahlzetteln ist künftig eine Beilage mit Informationen zu den Kandidierenden vorgesehen. Zudem soll das Stimmvolk weiterhin die Betreibungsbeamt:innen wählen.

Da das kantonale Gesetz angepasst wird, muss auch die städtische Gemeindeordnung entsprechend geändert werden. Über solche Änderungen entscheiden stets die Stimmberechtigten.

Pro:

Es handelt sich um eine administrative Formsache. Alle sind dafür.

7. Ersatzneubau Wohnsiedlung und Betreuungsgebäude Luchswiese

Die rund 60 Jahre alte Wohnsiedlung Luchswiese mit 72 Wohnungen befindet sich in Hirzenbach, Schwamendingen, und ist in schlechtem Zustand. Sie soll durch einen Neubau ersetzt werden.

Der Ersatzneubau wird künftig 90 Wohnungen mit 1,5 bis 6 Zimmern sowie Atelierwohnungen bieten – 18 mehr als derzeit. Wie bei städtischen Neubauprojekten üblich, soll etwa ein Drittel der Wohnungen subventioniert werden. Geplant ist zudem ein Betreuungsgebäude für die benachbarte Schulanlage Luchswiese.

Die gesamte Wohnsiedlung soll bis Mitte 2030 fertiggestellt sein. Der Ersatzneubau und das Betreuungsgebäude kosten insgesamt 77,4 Millionen Franken, wovon rund 10 Millionen Franken als Reserven eingeplant sind.

Pro:

Die Mehrheit des Gemeinderats, bestehend aus FDP, EVP/Mitte, den Grünen, SP und AL, unterstützt den Ersatzneubau. Im Quartier Hirzenbach wächst der Bedarf an Schul- und Betreuungsräumen erheblich. Serap Kahriman von der GLP argumentierte zudem, dass das Projekt einen Beitrag zu den städtischen Netto-Null-Zielen leistet.

Contra:

Nur die SVP stellt sich gegen das Vorhaben. Samuel Balsiger bezeichnete das Projekt als Ausdruck von Staatsverschwendung und «Klimaideologie». Er warf der Stadt vor, Steuergelder zu verschwenden, sich in ideologisch motivierte Klimapolitik zu verstricken und die Mieten durch geschönte Berechnungen zu manipulieren.

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yann

Yann hat an der Universität Zürich einen Master in Germanistik, Sozialwissenschaften und Philosophie abgeschlossen. Erste journalistische Erfahrungen sammelte er bei 20Minuten, Tsüri.ch und der SRF Rundschau. Beim Think & Do Tank Dezentrum war Yann als wissenschaftlicher Mitarbeiter und in der Kommunikationsleitung tätig. Seit 2025 ist er Teil der Tsüri-Redaktion.

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