Daten des Steueramts

«Völlig denäbet»: Ernst Stocker reagiert auf «Stasi»-Vorwurf der NZZ

Der Kantonszüricher Finanzdirektion und dem Steueramt wird vorgeworfen, im grossen Stil Daten von Privatpersonen zu sammeln. Die Verantwortlichen der Ämter weisen alle Anschuldigungen zurück und betonen, es gehe alles mit rechten Dingen zu.

Finanzdirektion Kanton Zürich
In Steuerfragen nimmt der Kanton auch Wohnsitzabklärungen vor. Dafür gerieten Finanzdirektion und Steueramt nun in die Kritik. (Bild: Dominik Fischer)

«Steuer-Stasi», «Big Steueramt» und «Überwachungsorgan»: Mit schweren Geschützten zielt die NZZ seit einigen Tagen auf das kantonale Zürcher Steueramt und die Finanzdirektion – und zeigt dabei eine Vorliebe für Vergleiche mit der Sowjetunion.

Am Donnerstag hat der Finanzdirektor Ernst Stocker, SVP, zur Pressekonferenz geladen, um das Vorgehen der Steuerbehörde ins rechte Licht zu rücken. Gleich zu Beginn macht Stocker klar, wie er die Vorwürfe seitens der NZZ findet: «Völlig denäbet.» Ausserdem sei es «verantwortungslos, Zürich mit einer kommunistischen Diktatur zu vergleichen und respektlos gegenüber den Menschen, die unter der Bespitzelung der Stasi gelitten haben».

Die NZZ wittert einen Überwachungsstaat und spricht von «Striptease» 

In den Vorwürfen der NZZ geht es insbesondere um Wohnsitzabklärungen. Diese macht der Kanton, um festzustellen, wo eine Person steuerpflichtig ist. Prominente würden dabei vom Steueramt «zum Striptease gezwungen», titelt die Zeitung in einem Beitrag. In einem weiteren Artikel widmet sie sich dem Fall eines «erfolgreichen Zürcher Unternehmers», der in einen anderen Kanton gezogen ist. Das Steueramt habe jedoch den Verdacht gehegt, dass die Person ihren Lebensmittelpunkt noch immer in Zürich hat und deshalb auch hier Steuern zahlen muss. Deshalb habe sie Bankabrechnungen, Standortdaten seines Mobiltelefons und ein «vollständiges Kalendarium» über Aufenthalts- und Arbeitsorte des Unternehmers eingefordert, schreibt die NZZ.

Ernst Stocker hingegen sagt: «Es gibt ab und zu einmal Beschwerden an das Steueramt, aber noch nie wegen einer Wohnsitzabklärung.» Und die Chefin des kantonalen Steueramts, Marina Züger, betont: «Relativ gesehen gibt es im Kanton Zürich nicht wesentlich mehr Wohnsitzabklärungen als in anderen Kantonen.» Insgesamt handle es sich lediglich um etwa 200 Abklärungen pro Jahr, was bei rund einer Million steuerpflichtigen Personen gerade einmal 0,02 Prozent ausmacht.

«Uns interessiert nur das Wann und Wo»

Die allermeisten Fälle beträfen dabei Personen mit Wochenaufenthaltsstatus, etwa Studierende. Für die Abklärungen gebe es einen Fragebogen, nur in wenigen Fällen käme es zu weiteren Untersuchungen. Züger betont: «Das Steueramt sammelt keine Daten auf Vorrat, es wird nur in spezifischen Fällen tätig.» Ausserdem gehe es bei den Daten nie um den Inhalt, sondern «nur darum, wo die Menschen ihr Leben verbringen. Wie sie es verbringen, spielt keine Rolle».

Ernst Stocker Portrait
Bei den Wohnsitzabklärungen bewegt sich das kantonale Steueramt im rechtlichen Rahmen, beteuert der Finanzdirektor Ernst Stocker. (Bild: Ernst Stocker)

Auch der Steueramtschefin persönlich widmete die NZZ am Donnerstag einen Artikel, betitelte Züger als «Datensammlerin vom Dienst» und schrieb, sie habe «fast ihr ganzes Berufsleben der Frage gewidmet habe, wie den Bürgern Geld abzunehmen ist».

Harry Müller leitet den Bereich Privatpersonen des Steueramts. Er sagt: «Den tatsächlichen Aufenthaltsort herauszufinden ist der schwierigste, wichtigste, aber auch der persönlichste Punkt. Wir wissen, was wir brauchen, um ein abgerundetes Bild zu bekommen, deshalb benennen wir das auch klar.» Auch bei den Bankauszügen gilt: «Uns interessiert nicht, was man gekauft hat. Uns interessiert nur das Wann und das Wo.» Ausserdem stehe es den betreffenden Personen frei, Teile der Dokumente zu schwärzen.

Der «Fall Monaco» liefert Antworten

Ohne den Namen Daniel Vasella zu nennen, verweisen Müller und Stocker mehrmals auf einen Zuger Verwaltungsgerichtsentscheid aus dem Jahr 2020 zum «Fall Monaco». Der ehemalige Novartis-Chef wollte mit einem angeblichen Umzug von Zug nach Monaco Steuern in Millionenhöhe umgehen. Nicht zuletzt aufgrund des niedrigen Wasser- und Stromverbrauchs an der neuen Adresse, wies das Steueramt nach, dass sich Vasella noch immer mehrheitlich in der Schweiz aufhielt, und forderte happige Steuernachzahlungen.

In dem Gerichtsentscheid dazu sei geklärt worden, dass das Steueramt auch Handydaten und Krankenkassendaten einfordern dürfe. Auch hier gelte, dass nur Ort und Zeitpunkt relevant sein, Inhalte würden nicht geprüft, erklärte Müller. 

Am Donnerstag kam es gegen Ende der Pressekonferenz kam es zu einem Schlagabtausch, denn auch der NZZ-Journalist, der die Debatte ausgelöst hat, war vor Ort. Er konfrontierte Stocker mit Steuerdokumenten des «erfolgreichen Unternehmers» und sagte: «Krankenkassen-Daten, Handy-Daten, sie fordern alles ein.» Stocker entgegnete: «Unsere Leitschnur ist die Gerichtspraxis. Das ist nicht willkürlich und habe ich nicht festgelegt.» 

Die NZZ hatte zudem geschrieben, Consulting-Firmen würden Unternehmen «ausdrücklich von einem Zuzug nach Zürich abraten». Stocker jedoch bezeichnet die Vorwürfe, das Steueramt würde Menschen aus dem Kanton Zürich vertreiben, als «gesucht». Schliesslich boome Zürich, Liegenschaften seien teuer und der Wohnraum knapp. Dann schiebt er nach: «Steueraffine Firmen bevorzugen andere Kantone, nicht wegen des Steueramts, sondern wegen der Steuerbelastung.» Diese ist nämlich im Kanton Zürich einiges höher als etwa in Zug oder St. Moritz.

So wird es auch weiterhin Fälle geben, in denen Personen in andere Kantone abwandern – ob zu Steuervermeidung oder wegen der gesunden Bergluft. Und «Big Steueramt» wird weiter überprüfen, ob die Personen tatsächlich am neuen Wohnsitz einkaufen, in die Arztpraxis gehen und die Blumen giessen.

Ohne Deine Unterstützung geht es nicht.

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2600 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 3000 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!

Jetzt unterstützen!
tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare