Florian Blättler (SP) hält Politiker:innen-Stereotype für Unfug

Florian Blättler ist studierter Physiker und Informatiklehrer an der Schule Stadelhofen. Im Zürcher Gemeinderat ist er bekannt dafür, nur zu reden, wenn er auch etwas zu sagen hat. Dass viele Ratsmitglieder in Diskussionen Fakten erfinden würden, kritisiert der SP-Politiker.

Florian Blättler (SP)
Blättler fällt im Rat auch durch seinen ungewöhnlichen Look auf. (Bild: Silas Gotsch)

Florian Blättler ist der Gemeinderat mit der wohl unkonventionellsten Internetseite. «Ich beende ihren Fachkräftemangel,» springt einem in seinem Lebenslauf entgegen. Und kleiner darunter: «*gilt nicht, falls Sie einen Designer suchen.» 

Das sei noch ein Überbleibsel von seiner Zeit auf Jobsuche, sagt er. Aber die Website hat damals Wirkung gezeigt: Durch sie sei der studierte Physiker zu seinem Job an der Schule Stadelhofen gekommen, wo er Informatik unterrichtet. 

Florian Blättlers Website
Die Website verschaffte ihm seinen momentanen Job als Informatiklehrer. (Bild: Screenshot florian-blaettler.ch)

Nur in der Politik bastelt er nicht, da sei er eher dafür bekannt, präzise zu sein: «Wenn ich im Rat etwas sage, muss alles stimmen. Sonst sage ich lieber nichts». Das würden leider nicht alle so machen. «Es gibt Politiker:innen, die Fakten komplett ignorieren. Ob sie es nicht besser wissen können oder wollen, darüber möchte ich mir kein Urteil bilden.»

Dass die Website eher ungewöhnlich daherkommt, sei gewollt. «In vielen Sachen bin ich ein Bastler. Ich mache die Dinge gerne selbst», sagt er. Produkte ab der Stange meidet der gebürtige Winterthurer.

Generell versuche er im Rat nicht mehr zu reden, als notwendig, «Wenn ich nichts Neues zu einem Thema beizusteuern habe, bleibe ich still.» Damit widerspricht er dem Politiker:innen-Stereotyp, immer zu allem etwas zu sagen zu haben. Doch das hält er ohnehin für Unfug: «Diejenigen, die viel reden, sind auch die, die man immer hört», so bekomme man das Gefühl, alle Politiker:innen seien so.

Aber: «Wenn man sich den Rat anschaut, mit seinen 125 Mitgliedern, ist es, überspitzt gesagt, ein Dutzend Ratsmitglieder, die mehr als die Hälfte der Redezeit einnimmt, ohne  je etwas zu sagen.» Namen will er nicht nennen, doch «wenn man den Gemeinderat verfolgt, findet man gut heraus, welche Personen ich meine».

Der 46-jährige SP-Politiker wohnt, seit er vor 25 Jahren fürs Studium nach Zürich gekommen ist, in Zürich Nord. Auf die Frage nach seinem liebsten Stadtteil antwortet er daher auch überzeugt mit: «Oerlikon!» Dort fühle er sich überall wohl.

Blättler für etwas zu begeistern, scheint nicht schwierig zu sein: «Ich bin eine sehr neugierige Person, die viel ausprobiert. Das ist meine grösste Schwäche: Ich finde alles interessant», sagt er. Das führe auch zu einer lustig zusammengewürfelten Biografie, so hat er unter anderem den Hochseeschein für Segelboote, während Corona habe als Fingerübung eine Spiele-App programmiert und als Statist war er auch schon bei verschiedenen Filmproduktionen dabei.

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Ich war schon immer politisiert. Im Studium war ich hochschulpolitisch aktiv, damals allerdings nicht in einer Partei. Irgendwann mit Anfang 30 habe ich mich gefragt, wo ich politisch genau hin möchte. Ich wusste, dass es einfacher ist, politische Ziele innerhalb einer Partei und eines Parlaments zu erreichen. Welcher Partei ich beitrete, war dabei eigentlich nie eine Frage, es war von Anfang an klar, dass es die SP sein wird. Ich habe mich dann auch möglichst schnell auf einen Platz im Zürcher Gemeinderat beworben. Seit 2017 habe ich einen Sitz.

Mit welcher Gemeinderätin oder welchem Gemeinderat der politischen Gegenseite würden Sie gerne ein Getränk nach Wahl trinken?

Mit Serap Kahriman von der GLP. Ich habe das Gefühl, sie hat Interessantes zu sagen und ausserdem kommt sie auch aus meinem Wahlkreis, dem Kreis 11. Eigentlich müssten wir uns mal vernetzen.

Welches Abstimmungsergebnis im Rat hat Sie am meisten gefreut?

In der Budgetdebatte 2023, vor zwei Jahren, spezifisch die Frage des Solarausbaus. Ich war in der Kommission mit der SP als einzige für eine Forcierung des Ausbaus. Nachdem ich vor dem Rat begründet hatte, wieso ich dafür bin, hatten wir plötzlich eine Mehrheit. Das war der Moment, als ich gemerkt habe, wenn man wirklich etwas zu sagen hat, kann man im Rat noch etwas bewirken, auch wenn die Fronten schon klar scheinen. Das war das einzige Mal, als ich erlebt habe, dass eine Mehrheit im Rat gedreht hat, also dass zwei Fraktionen ihre Meinung geändert haben.

Welche politische Entscheidung der letzten Jahre würden Sie rückgängig machen, wenn Sie könnten? Die Meisten, die ich verloren habe. Aber Niederlagen gehören dazu. Schlussendlich sind es die Mehrheiten, die im Rat bestimmen. Das gehört auch zu einer Demokratie. Natürlich fuchst es einen jeweils zunächst, aber in den meisten Fällen ist es kein Weltuntergang, sondern man arbeitet weiter. Im Idealfall hat man dann beim nächsten Mal die besseren Argumente. 

Welches politische Anliegen konnten Sie bis jetzt umsetzen?

Es wäre falsch, von der Politik die grosse Revolution zu erwarten. Dafür ist eine Konsensdemokratie wie die unsere nicht geeignet. Und wenn man es versucht, wird man scheitern. Meine Hauptthemen sind Finanzen und Energie. Bei der Energie sind wir in Zürich auf einem guten Weg in Richtung neue erneuerbare Energien. Bei den Finanzen ist es jedes Jahr das Ringen ums Budget: Wo setzen wir die verfügbaren Gelder ein, um das Beste für die Bewohner:innen der Stadt herauszuholen.

Sofie David

Sofies Begeisterung für die Medienbranche zeigt sich in ihren diversen Projekten: Sie leitete den Zeitungs-Kurs im Ferienlager, für die Jungen Jorunalist:innen Schweiz organisiert sie seit mehreren Jahren das Medienfestival «Journalismus Jetzt» mit. Teilzeit studiert sie an der ZHAW Kommunikation. Zu Tsüri.ch kam sie zunächst 2022 als Civic Media Praktikantin. 2024 kehrte sie dann als Projektleiterin und Briefing-Autorin zurück und momentan macht sie als erste Person ihr zweites Tsüri-Praktikum.

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