Mehrheit der Gemeinderät:innen will höheren Lohn

Um die gestiegene Arbeitslast zu kompensieren, sollen die Ratsmitglieder deutlich höhere Bezüge erhalten. Die SVP will das Referendum ergreifen.

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Wie viel ist der Stadt ihr Parlament wert? (Foto: Steffen Kolberg)

Wenn sich das Parlament mit sich selbst beschäftigt, ist Sitzfleisch gefragt. Das bewies der vergangene Mittwochabend erneut. 

Ganze zweieinhalb Stunden diskutierten die Gemeinderät:innen über die Höhe ihrer Löhne. Das nicht enden wollende Hickhack führte dazu, dass sich einige Politiker:innen lauthals in Rage redeten. Und die SVP kündigte bereits das Referendum an. 

Doch immer der Reihe nach. 

Thema der Debatte war die neue Entschädigungsverordnung: Schon vor zwei Jahren entschied sich der Rat grundlegend dazu, die Gelder zu erhöhen. Doch um wie viel, musste erst noch ausgearbeitet werden. Die aktuelle Kernforderung: Die durchschnittlichen jährlichen Bezüge eines Ratsmitglieds sollen von rund 16’000 Franken auf 28’000 Franken erhöht werden. 

Unterstützung erhielt die Anpassung von der SP, Grüne, AL, GLP, Mitte und EVP – dagegen waren die FDP und die SVP. 

Was die Rechten als «Selbstbereicherung» bezeichneten, erklärten Mitte und Links als längst überfällig: Die letzte substanzielle Erhöhung wurde 1998 vorgenommen. «Nun ist es an der Zeit, die Entschädigungen zeitgemässer zu gestalten», sagte Selina Walgis von den Grünen. Dies sei nötig, damit das Gemeinderatsamt weiterhin allen offen stehe und sowohl mit dem Beruf als auch mit dem Familienleben vereinbar bleibe. 

Neu sollen alle Mitglieder eine monatliche Pauschale von 1000 Franken erhalten, was rund 40 Prozent der gesamten Entschädigungen ausmachen soll. Bisher belief sich diese Spesenentschädigung auf 260 Franken im Monat. 

Die restlichen 60 Prozent machen die Sitzungsgelder aus, die gemäss des Vorschlags nach Minute abgerechnet werden sollen. Ratssitzungen und Kommissionssitzungen sollen dabei unterschiedlich vergütet werden. Letztere benötigen mehr Vorbereitungszeit, weshalb der Minutenansatz von 2 Franken dort höher ist als bei Ratssitzungen, wo er 1.20 Franken pro Minute beträgt. Zudem sollen die Einkünfte neu auch in der 2. Säule versichert werden, sodass die Reduktion der Arbeitszeit im Beruf nicht zu einer Lücke in der Altersvorsorge führt.

«Ein Gemeinderatsmandat darf nicht nur für jene zugänglich sein, die es sich leisten können».

Sofia Karakostas (SP)

Die SVP und die FDP nutzten die Gelegenheit, um der Diskussion ihren politischen Stempel aufzudrücken. «Die Lohnerhöhung ist schamlos, wenn nicht sogar gierig», sagte Roger Meier (FDP). Die Partei kritisierte, dass Krankentaggelder, Betreuungskosten und das ZVV-Abo in die Grundentschädigung der Gemeinderät:innen einbezogen wurden. So erhielten alle entsprechende Leistungen, auch ohne Bedarf.

In einem Rückweisungsantrag beantragte die FDP die Überarbeitung der Vorlage. Dieser scheiterte mit 93 zu 21 Stimmen kläglich. 

Von der SVP war es der Fraktionschef Samuel Balsiger, der irgendwann nicht mehr zu bremsen war. «Ihr wollt ein Berufsparlament werden! Doch wir von der SVP singen nicht das Lied vom Staat», sagte er. Sein Votum zog sich hin, und der Ratspräsident Guy Krayenbühl ermahnte ihn ordnungsgemäss, was Balsiger dazu brachte, auszurufen: «Hören Sie auf, die ganze Zeit reinzureden, echt!» Die anderen Ratsmitglieder quittierten diese Reaktion mit Kopfschütteln.  

Warum die Erhöhung notwendig ist, erklärte unter anderem Christian Traber von der Mitte. In seiner ersten Amtszeit von 1994 bis 1998 gab es im Gemeinderat weniger zu tun, sagte er. «Wir gingen nach der Sitzung in den Zeughauskeller und um halb neun auf den Heimweg.» Das sei heute anders. Die Mitte-Fraktion hätte schon Fälle von Rücktritten wegen zu hoher Arbeitsbelastung und zu tiefer Vergütung gehabt. Davon berichtete auch die AL. 

Und auch Sofia Karakostas (SP) wies auf die gestiegene Arbeitslast hin: «Ein Gemeinderatsmandat darf nicht nur für jene zugänglich sein, die es sich leisten können. Es braucht hier auch Menschen, die in Handwerksbetrieben oder in Coiffeursalons arbeiten.»

Auch wenn die Schlussabstimmung erst in einigen Wochen stattfindet, sind die Mehrheiten bereits klar verteilt. Durch das angekündigte Referendum dürften aber die Stimmberechtigten das letzte Wort haben. 

Weitere Themen der Woche:



  • Bessere Arbeitsbedingungen für städtisches Reinigungspersonal: Am Mittwoch wurden zwei neue Postulate von linker Seite auf den Weg gebracht, die beide darauf abzielen, die Arbeitsbedingungen des Reinigungspersonals in den Liegenschaften der Stadt Zürich zu verbessern. Erstens muss der Stadtrat aufzeigen, wie alle Unterhalts- und Grundreinigungen der Stadt Zürich mit direkt angestelltem Personal durchgeführt werden können, da städtische Angestellte in der Regel bessere Arbeitsbedingungen haben als bei externen Dienstleistern. Zweitens soll geprüft werden, wie das städtische Reinigungspersonal möglichst gemäss ihren Wunschpensen angestellt werden kann. Einzig ein Postulatder AL, das auch Spezialreinigungen in städtischen Gebäuden in die Aufgaben der Stadtangestellten einbeziehen wollte, wurde abgelehnt.
  • AL und SVP wehren sich gegen Streichung der Entsorgungscoupons: Am Montag kommunizierte die Stadt, dass sie die Coupons für die Entsorgung in den Recyclinghöfen abschaffen will. Dagegen haben am Mittwoch sowohl die SVP als auch die AL je ein Postulat eingereicht. Sie fordern den Stadtrat dazu auf, zu prüfen, inwiefern die jährlichen Entsorgungscoupons beibehalten werden können.

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