FDP will beim Bau neuer Schulhäuser sparen – und findet Mehrheit

Der FDP sind die Kosten der neuen Schulhäuser zu hoch: Sie fordern eine Deckelung auf 3 Millionen Franken pro Klasse. Von den Grünen und der AL kommt scharfe Kritik, die SP zieht mit einem Gegenvorschlag mit.

Bildschirmfoto 2024-10-03 um 17
Die Schulanlage Luchswiesen in Schwamendingen wurde von der FDP noch mitgetragen. Nun schlägt die Partei einen neuen Ton an. (Bild: Parameter Architekten GmbH, Zürich)

102 Millionen Franken für das Schulhaus Luchswiesen in Schwamendingen, 111 Millionen Franken für das Schulhaus Tüffenwies in Altstetten. 

Mit über 70 Prozent Ja-Stimmen entschied die Stadtbevölkerung vor knapp zwei Wochen erst, diese Summen für die Neubauten auszugeben. Grundsätzlich scheint in der Gesellschaft also der Konsens zu herrschen: Bildung kostet. Und Bildung darf auch kosten. 

Bisher war es einzig die SVP, der solche Bauprojekte deutlich zu teuer waren. Neu drängt aber auch die FDP auf eine stärkere Begrenzung der Ausgaben: Am Mittwochabend wurde im Gemeinderat ein FDP-Postulat diskutiert, welches möchte, dass neue Schulhäuser künftig maximal 3 Millionen Franken pro Klasse kosten. 

«In den letzten Jahren haben wir unzählige Schulhausbauten in diesem Rat behandelt», sagte Yasmine Bourgeois (FDP). Dies sei eine Folge des starken Bevölkerungswachstums, das zu hohen Ausgaben geführt habe. Bourgeois fordert nun, bei den Kosten mehr Augenmass walten zu lassen.

«Die Bildung wird nicht besser, nur weil man beim Bauen die Vorgaben von Labels erfüllt.»

Yasmine Bourgeois (FDP)

Einsparpotenzial sieht sie vor allem bei den Materialien. Anforderungen an Ökologie und Energie trügen erheblich zum Preis bei. «Die Bildung wird nicht besser, nur weil man ökologische Labels erfüllt, Holz verwendet, aufwändige Haustechnik fordert oder sich mit Kunst am Bau profiliert», so Bourgeois. Deshalb brauche es nun einen Kostendeckel. Der Stadtrat zeigte sich bereit, das Postulat entgegenzunehmen. 

Auf deutliche Ablehnung stiess der Vorschlag bei der AL und den Grünen. «Das vorliegende Postulat ist an Populismus nicht zu übertreffen», kritisierte Sophie Blaser (AL). Die Planung und der Bau von Schulhäusern seien weitaus komplexer als im Postulat dargestellt. «Eine Schulanlage besteht nicht nur aus Klassenzimmern, Garderoben und WCs.» Es brauche viel mehr, etwa Turnhallen, Singsäle, Vorbereitungsräume, Werkräume oder auch Küchen.

Zudem sei der Umgang mit Labels missverstanden worden. Man bezahle nicht für das Label selbst, sondern für die Umsetzung der damit verbundenen Standards. «Ich frage mich, ob ich nun herausgehört habe, ob es egal ist, wie die Stadt baut?», fragte Blaser in die Runde.

«Der Indikator ‹Kosten pro Klasse› ist grundsätzlich falsch.»

Balz Bürgisser (Grüne)

Balz Bürgisser (Grüne) wies darauf hin, dass die Stadt Zürich mit ihren Standards bereits weniger Fläche für Schulbauten benötige als andere Städte. Von einer «Kostenexplosion» zu sprechen, sei sachlich falsch. Selbstverständlich brauche eine Schule heute mehr Raum als vor 20 Jahren. «Zudem möchte ich festhalten, dass bei neuen Schulanlagen auch die Bedürfnisse der Musikschulen und der Quartierbevölkerung berücksichtigt werden. Das alles kostet zusätzlich, ist aber zum Wohl der Kinder und der Quartierbevölkerung», so Bürgisser. Der Indikator «Kosten pro Klasse» sei deshalb grundsätzlich falsch. 

Die SP begrüsste zwar die grundsätzliche Stossrichtung des Postulats, entkräftete jedoch dessen Absicht durch eine Textänderung, der der Rat zustimmte. So wurden dem von der FDP vorgeschlagenen Kostendeckel von 3 Millionen Franken pro Klasse mehrere Ausnahmen hinzugefügt. Die Regelung solle etwa dann nicht gelten, wenn Sportanlagen oder Anpassungen bei Betreuungsräumen erforderlich seien.

Mit dieser Änderung wurde der Vorstoss mit 85 Ja- zu 24 Nein-Stimmen an den Stadtrat zur Prüfung überwiesen. 

Gemeinderat will Büros in Wohnungen umwandeln 

Die Wohnkrise drängt – und verlangt neue Lösungen. Eine könnte sein, bestehende Bürofläche in Wohnungen umzuwandeln. Diese Idee wurde am Mittwoch im Rahmen eines Postulats der FDP diskutiert.

Im Vorstoss fordern Flurin Capaul (FDP) und Hans Dellenbach (FDP) den Stadtrat auf, darzulegen, unter welchen Bedingungen solche Umnutzungen möglich sind und wie diese künftig einfacher gestaltet werden können. Der Vorschlag fand im Gemeinderat breite Zustimmung, mit Ausnahme der SVP. 

Diese hatte bereits während der Pandemie eine Anfrage zum Thema eingereicht und festgestellt, dass sich die Verwaltung nicht spezifisch mit der Umnutzung von Büroräumen beschäftige. «Wenn es dem Stadtrat ernst wäre mit der Förderung von Umnutzungen, hätte er längst im Präsidialbereich eine Fachstelle für das Thema Wohnen geschaffen», kritisierte Reto Brüesch (SVP). Da dies nicht geschehen sei, lehne die SVP den Vorstoss ab.

«Es bringt nichts, wenn aus leerstehenden Büroflächen teure Wohnungen werden.»

Brigitte Fürer (Grüne)

Die Mitte und die EVP  sehen in der Umnutzung eine pragmatische Möglichkeit, um die Wohnungsknappheit zu lindern. Auch von linker Seite kam Unterstützung, jedoch mit Vorbehalten. «Es bringt uns nichts, wenn aus leerstehenden Büroflächen teure Wohnungen werden», sagte Brigitte Fürer (Grüne). «Wir sehen die Gefahr, dass dies zu einer ungerechtfertigten Abschöpfung von Renditen führt», ergänzte Leah Heuri (SP). Entsprechend beantragte die SP eine Textänderung, die vorsieht, dass umgenutzte Flächen nur zu Kostenmieten oder günstiger angeboten werden dürfen. Diese Änderung wurde von der FDP «zähneknirschend» angenommen, und das Postulat schliesslich an den Stadtrat überwiesen.

Weitere Themen der Woche:

  • Kein Santorini in Zürich: «Seit ich das Postulat gelesen habe, werde ich das Gefühl nicht los, dass es nach einem Strandurlaub in Griechenland entstand», sagte Roland Hohmann (Grüne) zum Vorstoss von David Ondraschek (Die Mitte) und Sebastian Vogel (FDP). Diese hatten gefordert, zu prüfen, inwiefern das Anstreichen von Dächern mit weisser Farbe in Zürich zur Hitzeminderung beitragen könnte. Daraufhin scherzte Stadtrat André Odermatt (SP), dass diese Aufgabe auch von den 16'000 Tauben in der Stadt, respektive deren Exkrementen übernommen werden könnte, und ergänzte: «Dem Stadtrat ist es mit der Hitzeminderung ernst.» Allerdings tue die Stadt in diesem Bereich bereits genug, sodass das Postulat nicht notwendig sei. Auch die Mehrheit des Rats empfand den Vorschlag als überflüssig. Der Fokus der Stadt sollte eher auf dem Ausbau von Photovoltaikanlagen auf den Dächern liegen, meinte etwa Nicolas Cavalli (GLP). Das Postulat wurde abgelehnt.
  • FDP stimmt gegen eigene Motion: Der Gemeinderat stimmte über die Einreichung einer Motion ab, die den Stadtrat dazu auffordert, eine Änderung der Bau- und Zonenordnung in Seebach vorzulegen, um dort einen neuen Park zu schaffen. «Damit Seebach seinem Namen gerecht wird, könnte entlang des Katzenbachs ein richtiger See entstehen», heisst es darin. Eingereicht wurde sie von Matthias Probst (Grüne) und Stephan lten (SVP) und sieben Mitunterzeichnenden, darunter auch drei FDP-Politiker:innen. Der Stadtrat lehnte die Motion ab, mit der Begründung, den Bereich bereits begrünen zu wollen – eine Umzonung sei dafür aber nicht notwendig. Unerwartet stellte sich schliesslich auch die FDP-Fraktion gegen das Vorhaben, weshalb die Motion nicht überwiesen wurde. 
  • Neues Co-Präsidium der GLP Stadt Zürich: Esther Weber trat auf den 1. Oktober 2024 vom Co-Präsidium der Stadtzürcher GLP zurück. Neu übernimmt Selina Frey, bisher Vizepräsidentin, gemeinsam mit dem amtierenden Co-Präsidenten Nicolas Cavalli die Führung der Partei. Marisa Kappeler-Schudel, bisher Vorstandsmitglied, wurde zur neuen Vizepräsidentin gewählt.
  • Wechsel in der SP-Fraktion: Vergangene Woche gab die SP-Politikerin Tiba Ponnuthurai ihren Rücktritt aus dem Gemeinderat bekannt. Für sie rückt nun Patricia Petermann Loewe, Gerichtsschreiberin, für den Wahlkreis 4+5 nach, wie am Mittwoch im Rat bekannt gegeben wurde.
  • Geld für Pro Infirmis und Suchtfachstelle Zürich: Der Gemeinderat bewilligte am Mittwoch für die Jahre 2025 bis 2028 einen wiederkehrenden Beitrag von jährlich knapp 350'000 Franken für Pro Infirmis, die Fachorganisation für Menschen mit Behinderungen. Das Geld ist für Angebote in der Sozialberatung und im Treuhandbereich vorgesehen. Auch das Budget für den Verein Suchtfachstelle Zürich, der sich um Menschen mit problematischem Konsum von Alkohol und anderen Substanzen kümmert, wurde für den gleichen Zeitraum auf knapp 2 Millionen Franken jährlich verlängert.
Ohne deine Unterstützung geht es nicht

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 1500 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2000 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!

Natürlich jederzeit kündbar.

Jetzt unterstützen!

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare