FDP greift nach dem dritten Stadtratssitz und nach der Spitze
Mit Marita Verbali und Përparim Avdili kandidieren zwei Secondos für die Zürcher FDP für die Stadtregierung. Avdili will direkt Stadtpräsident werden, der bisherige Stadtrat Michael Baumer kandidiert erneut.
Die FDP will zurück an die Macht in Zürich und zwar gleich doppelt: Sie will ihren zweiten Stadtratssitz verteidigen und sich nach 36 Jahren auch das Stadtpräsidium zurückholen.
Und zwar mit dem Zürcher FDP-Präsidenten Përparim Avdili. Der Gemeinderat und Finanzexperte will nicht nur in den Stadtrat, sondern auch Raphael Golta (SP) im Rennen um das Präsidium herausfordern. An seiner Seite: Gemeinderätin Marita Verbali, die den ersehnten dritten Sitz holen soll. Der bisherige Stadtrat Michael Baumer tritt ebenfalls erneut an.
Der Parteivorstand schlägt das Trio vor, die Delegierten entscheiden am 4. September.
Signal mit doppelter Bedeutung
Mit Avdili und Verbali schickt die FDP zwei Secondos ins Rennen – ein bewusster Schritt, wie Nationalrätin Sonja Rueff-Frenkel erklärte: Das Team sei nicht nur politisch versiert und beruflich verankert, sondern spiegle auch die Vielfalt der Stadtbevölkerung. Avdili ist Sohn albanischer Eltern aus Nordmazedonien, Verbali Tochter italienischer Migrant:innen. Beide bringen ihre Herkunft offensiv ein. Dennoch habe man sich in der Entscheidung «nicht von der SP treiben lassen», sagte Rueff-Frenkel.
Sie selbst verzichtet auf eine Kandidatur. In ihrem Beruf als Friedensrichterin trage sie bereits Verantwortung. Sie wolle sich 2027 erneut für dieses Amt bewerben. Eine Kandidatur für den Stadtrat sei darum keine Option.
Përparim Avdili, 38 Jahre alt, sitzt seit 2018 im Gemeinderat. Heute berät er Firmen in finanziellen Fragen und führt einen gemeinnützigen Ausbildungsbetrieb. Innerhalb der Partei ist Avdili gut vernetzt und strategisch ausgerichtet. Seine Kandidatur kam nicht überraschend. Schon im März kündigte er an, die rot-grüne Mehrheit kippen zu wollen – und das Stadtpräsidium gleich mit. Zürich drohe, zu einem «mittelalterlichen Dorf» zu verkommen, sagte er damals. «Zürich befreien» von der Rot-Grünen Politik, damit wirbt die FDP auch mit mehreren Plakaten in der Stadt. Ihre Gründe: Verkehrschaos, Wohnungsnot, politische Trägheit.
Zürich sei mutlos geworden, farblos, ohne Spirit, sagt Avdili an der Medienkonferenz am Mittwoch. Es brauche eine Stadt mit Haltung, mit Vision. Zürich müsse wieder sichtbar und hörbar werden.
Avdili setzt auf klassisch bürgerliche Themen. Gleichzeitig sucht er als Vizepräsident des Vereins Secondas Zürich gezielt Anschluss über die Parteigrenzen hinaus. Das bringt ihm auch in anderen Lagern Sympathien ein. Wird er gewählt, will er das Parteipräsidium abgeben. Er wäre der erste Zürcher Stadtrat mit albanischen Wurzeln.
Auch Marita Verbali, 54, bringt Migrationsgeschichte mit. Der Vater stammt aus Italien, die Mutter aus Argentinien, sie arbeiteten als Schreiner beziehungsweise als Coiffeuse. Abends hätten sie Büros geputzt. Verbali selbst arbeitet heute Teilzeit im Stadtspital Zürich und hat zudem eine Firma für politische Beratungen im Gesundheitswesen.
Seit 2023 sitzt Verbali im Gemeinderat. Sie kritisiert den «Regulierungswahn» der Stadt und die zunehmende «Gratismentalität». Zürich verliere sich in Bürokratie und Subventionen. Sie predigt das Parteimantra: «Mit Eigenverantwortung und Leistung kann man sehr viel erreichen.»
Baumer will an Projekten weiterarbeiten statt repräsentieren
Michael Baumer, 50, ist der erfahrenste im Trio. Seit 2018 sitzt er im Stadtrat, leitet das Departement der Industriellen Betriebe. Er gilt als sachlich, ruhig, lösungsorientiert. Baumer schaffte den Sprung in den Stadtrat damals nur knapp, auch seine Wiederwahl vier Jahre später scheiterte beinahe. Er lag mit lediglich rund 1200 Stimmen vor Walter Angst (AL).
Lange war er medial unauffällig, bis er vergangenen Sommer erstmals laut über eine Kandidatur fürs Präsidium nachdachte. Doch mittlerweile habe er sich dagegen entschieden. Die Repräsentation Zürich sei zwar eine ehrenvolle Aufgabe, doch ihm liege das Fachliche mehr. Was ihn antreibe, sei die Zukunftsorientierung seiner Projekte.
Seit 2010 hält die FDP nur noch zwei Stadtratssitze. Jetzt soll das Dreierticket die Trendwende bringen. Rueff-Frenkel sprach von einem ausgewogenen Team: politisch erfahren, beruflich kompetent, gesellschaftlich breit abgestützt.
Während andere Parteien vor allem über Köpfe diskutiert hätten, habe sich die FDP zuerst mit Inhalten befasst. Sie habe einen Plan für Zürich erarbeitet, sagt Rueff-Frenkel. «Die FDP ist bereit. Und sie ist präsent.»
Auf die Frage nach anderern Kandidierenden sagte Rueff-Frenkel: «Wir hätten genug Kandidierende gehabt, um eine ganze Stadtregierung zu stellen.». Im Gespräch um ein Amt als Stadtrat waren ebenfalls Böögg-Bauer Lukas Meier und der parteilose St. Moritzer Gemeindepräsident Christian Jott Jenny. Doch das Trio mit Baumer, Avdili und Verbali sei die stärkste Kombination.
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Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in Politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.