Zürcher Quartiervereine kommen mit einem blauen Auge davon
Mehr Geld, mehr Kontrolle: Die Zürcher Quartiervereine erhalten neu fast eine halbe Million Franken. Der Weg dahin war ein politisches Hickhack, mit Ausstandsregeln und Misstrauen.
Die Zürcher Quartiervereine (QV) erhalten mehr Geld. Der Gemeinderat stimmte gestern einer leichten Erhöhung von 86’300 Franken auf insgesamt knapp eine halbe Million Franken pro Jahr zu. Mit diesem Geld sollen die Vereine die Vernetzung in den Quartieren fördern, Zuzüger:innen willkommen heissen und den Austausch mit der Stadt stärken. Von den 25 Quartiervereinen erhält jener aus Wiedikon neu mit 25’275 Franken pro Jahr am meisten Geld.
Klingt alles gar nicht so diskursiv? Bevor das Geld gesprochen wurde, lieferten sich die Politiker:innen eine heisse Debatte – inklusive Ausstandsregeln: Gleich sieben Ratsmitglieder mussten sich zurückziehen, weil sie selbst in QV-Vorständen sitzen. Wer für den Verein unterschreibt, darf nicht mitentscheiden – so der Ratsbeschluss.
Im Zentrum der Diskussion standen drei Fragen: Wie stark wird gestraft, wenn der jährliche Vernetzungsanlass nicht stattfindet? Reicht eine Laienrevision oder braucht’s Profis? Und: Müssen die Vereine mit der Stadt einen Subventionsvertrag abschliessen?
Für Balz Bürgisser (Grüne) steht fest: Die Vereine leisten wertvolle Arbeit – vom Räbeliechtliumzug bis zur politischen Mitsprache bei Bauprojekten. «Die hohe Lebensqualität in Zürich verdanken wir auch den Quartiervereinen», sagte er im Namen der Kommission. Trotzdem müsse man sicherstellen, dass städtische Gelder korrekt eingesetzt werden. Auch wegen früherer Veruntreuungen.
Christine Huber (GLP) stimmte zu: «Die aktuelle Aufsicht reicht nicht aus.» Und Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) erinnert an den Fall Leimbach: Rund 100’000 Franken veruntreut – da wäre eine externe Revision keine Schikane, sondern notwendig.
«Warum kompliziert, wenn es einfach funktioniert?»
Sabine Koch, FDP
Doch nicht alle teilten diesen Kontroll-Eifer. FDP-Gemeinderätin Sabine Koch hielt wenig von neuen Verträgen: «Warum kompliziert, wenn es einfach funktioniert?» Auch Stefan Urech (SVP), selbst QV-Mitglied, nannte die Weisung «eine Gängelei». Karin Weyermann (Mitte) sah gar ein «gestörtes Verhältnis der Stadt zu den Vereinen».
Auch Moritz Bögli (AL) war für mehr Kontrolle. Niederschwelliges Engagement solle zwar gefördert werden, aber wo städtisches Geld im Spiel sei, müsse auch kontrolliert werden.
Der Gemeinderat beschloss einen Mittelweg: Die Quartiervereine müssen den Vernetzungsanlass durchführen, sonst entfällt nur dessen Pauschale, nicht die ganze Veranstaltungsunterstützung. Die Revision darf weiterhin von Laien erfolgen. Auf die Pauschale für professionelle Prüfung wird dann verzichtet. Und: Ja, es gibt künftig Subventionsverträge. Ein bisschen Kontrolle muss halt doch sein.
Weitere Themen aus dem Gemeinderat
Mehr Schulraum
Der Gemeinderat hat vier Kredite über insgesamt 27,14 Millionen Franken für den Umbau und die Erweiterung von Züri-Modular-Pavillons genehmigt. Damit reagiert die Stadt auf den steigenden Schulraumbedarf. Konkret werden Pavillons an den Standorten Altstetterstrasse, Kappeli und Balgrist verschoben, beziehungsweise aufgestockt. Am Standort Aubrücke entsteht zudem eine neue Pavillonschule mit drei modularen Bauten. Die Massnahmen ermöglichen zusätzliche Schul- und Betreuungsräume ab dem Schuljahr 2026/27 und sichern die Einführung des Tagesschulmodells in stark wachsenden Quartieren.
Grundsatzdebatte zur Wohnpolitik
Alle vier Jahre liefert der Stadtrat ein Update zur Wohnpolitik. Und eigentlich sollte diesmal nur ein Bericht abgehakt werden. Doch statt schnellem Abnicken gab’s eine Grundsatzdebatte zur Wohnkrise.
Die SP zeigte sich alarmiert: «Wenn man die PWG herausrechnet, ist der Anteil an gemeinnützigem Wohnraum gesunken», warnte Lara Can. Die Stiftung wird neuerdings mitgezählt, das frisiere die Statistik. «So erreichen wir das Drittelsziel nie», kritisierte auch Patrik Maillard von der AL. Dem stimmte Karin Stepinski von der Mitte zu.
Emanuel Tschannen von der FDP warf der Stadt vor, das Wohnproblem planwirtschaftlich lösen zu wollen. Die Stadt tue so, als mache sie alles richtig und die privaten Investoren seien schuld. Dass mehr Geld in Wohnraum fliessen soll, halte er für kontraproduktiv, denn das jage die Preise hoch.
Die Grünen gaben sich ernüchtert. «Wir kommen kaum vom Fleck», sagte Martin Busekros. Stadtpräsidentin Corine Mauch pflichtete bei. Man müsse einen Zacken zulegen, um das Drittelsziel zu erreichen.
Schliesslich brachte es Tanja Maag (AL) auf den Punkt: «Dieser Bericht ändert an der Situation nichts.» Dafür wurde jedoch sehr lange diskutiert.
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An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Nina. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.