Fanny de Weck (SP): «Sobald man abweicht, ist die Schweiz erbarmungslos»

Gastrolokale sollen auf Parkplätzen Stühle und Tische aufstellen dürfen, fordert die SP-Gemeinderätin Fanny de Weck. Im Alltag beschäftigt sich die Rechtsanwältin mit dem Schweizer Migrationsrecht. Besonders die Praxis der Wegweisungen kritisiert sie scharf.

Fanny de Weck Foti
Fanny de Wecks Büro liegt an der Langstrasse, vor der Türe etliche Bars und Cafés – und Parkplätze, die ihrer Meinung nach umgenutzt werden sollten. (Foto: Kai Vogt)

Gastrolokale sollen auch auf Parkplätzen vor ihren Lokalen stuhlen dürfen, zumindest im Sommer und sofern es die Sicherheit erlaubt, fordert die Gemeinderätin Fanny de Weck (SP). Mit ihren Parteikollegen Reis Luzhnica und Severin Meier hat sie ein entsprechendes Postulat eingereicht, das am Mittwoch im Rat diskutiert wurde. 

«Ein Parkplatz für ein privates Auto oder ein paar Stühle, um Kaffee zu trinken – für mich ist diese Entscheidung klar», sagt de Weck. Die Idee, Parkplätze in Aussenflächen für Restaurants oder Bars umzuwandeln, hat sie sich von Paris abgeschaut, wo dies in den letzten Jahren flächendeckend umgesetzt wurde. Das Anliegen wird von mehreren Gastronomiebetrieben sowie der Bar- und Clubkommission Zürich unterstützt. Auch eine knappe Mehrheit des Gemeinderats stellte sich dahinter, nun muss der Stadtrat die Idee prüfen. 

Eigentlich ist der Vorstoss etwas untypisch für de Weck, ihre politischen Schwerpunkte liegen anderswo: Seit ihrem Einzug in den Gemeinderat 2022 widmet sie sich primär Themen wie sexualisierte Gewalt, Migration und Armut. Erst kürzlich forderte sie von der Stadt bessere Prävention und Bekämpfung von Kinderarmut. «Eine aktuelle Studie zeigt, dass auch Gemeinden hier aktiv werden müssen», sagt die Rechtsanwältin, und schlägt vor, monatliche Pauschalen für bestimmte kinderbezogene Ausgaben an Familien zu zahlen. 

«Der Schweizer Staat geht sehr hart um mit Leuten, die keinen geraden Lebenslauf haben, etwa in Armut aufwachsen oder krank werden.»

De Weck ist spezialisiert auf Straf- und Migrationsrecht sowie internationaler Menschenrechtsschutz, neben der Tätigkeit in ihrer eigenen Kanzlei lehrt sie an der Uni Luzern. Ihr Verdikt über die hiesige Grundrechts- und Migrationspolitik: «Der Schweizer Staat geht sehr hart um mit Leuten, die keinen geraden Lebenslauf haben, etwa in Armut aufwachsen oder krank werden. Wir haben da eine gewisse Kälte, die man dann auch bei den Behörden spürt. Sobald man abweicht, ist die Schweiz sehr erbarmungslos.» 

Sie kritisiert die harten Einbürgerungsvoraussetzungen und die strenge Praxis bei der Wegweisung von Personen ohne Schweizer Pass aufgrund Sozialhilfebezugs, Schulden oder Straffälligkeit – auch wenn diese seit Jahrzehnten in der Schweiz leben. «Das sind teilweise Menschen, die hier geboren sind und noch nie in ihrem Herkunftsland waren.» Auf die aktuelle Migrationspolitik im Kanton Zürich und die neue Linie der FDP angesprochen, meint de Weck: «Dass ausgerechnet die FDP beim Thema Migration die SVP nachahmen will und gleichzeitig eine Tiefsteuerpolitik für Unternehmen verfolgt, finde ich völlig absurd. Das ist populistisch – mehr nicht.» 

Als Gemeinderätin kann de Weck daran jedoch wenig ändern, da viele Fragen auf Kantons- und Bundesebene geregelt sind. Lokal in Zürich, so betont sie, müsse sich das Stadtparlament vor allem auf die Wohnungsnot konzentrieren. Dies sei hier das dringendste Problem. 

Politische Ambitionen auf höherer Ebene hegt Fanny de Weck aktuell nicht, dafür bleibt neben ihrer Selbstständigkeit keine Zeit. Für ihre Arbeit im Gemeinderat hat sie jedoch einen besonderen Wunsch: mehr kostenlose Bademöglichkeiten in Zürich. «Eine Gratis-Badi am See – das wäre grossartig», sagt sie und lacht. 

Warum sind Sie Gemeinderätin geworden?

Durch mein langjähriges Engagement in zivilgesellschaftlichen Gruppen, oft zu Grundrechten, Migration und Menschenrechten, habe ich auch ein tieferes Interesse an den ökonomischen Fragen entwickelt, die untrennbar damit verbunden sind. Mir wurde klar, dass man vor allem in der Lokalpolitik Einfluss nehmen kann. So bin ich zur SP gekommen und habe 2022 kandidiert. Heute sind es Themen wie Wohnungsnot, Verdrängung, Verkehrswende sowie der Schutz vor Gewalt und Diskriminierung, die drängen und nach Lösungen verlangen. 

Mit welcher Ratskollegin oder welchem Ratskollegen der politischen Gegenseite würden Sie gerne ein Bier trinken? 

Ich könnte mir ein Bier mit fast allen Ratsmitgliedern vorstellen. Eine Person, die mir gerade in den Sinn kommt, ist Karin Weyermann (Die Mitte). Sie finde ich sympathisch und ihre Arbeitsweise konstruktiv.  

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie am meisten gefreut?

Die Abstimmung zum Mindestlohn in der Stadt Zürich – ganz klar. Knapp 70 Prozent der Stimmbevölkerung hat die Vorlage angenommen. Das hat mich extrem gefreut. Jetzt hoffe ich sehr, dass die Vorlage so bald wie möglich umgesetzt werden kann.

Und welches hat Sie am meisten geärgert?

Das war in fast meiner ersten Sitzung als Gemeinderätin: Im Sommer 2022 haben wir über den Kauf des Üetlihofs abgestimmt. Die Stadt hätte den Bürokomplex mit einem Nachtragskredit über 1,2 Milliarden Franken erwerben können – doch eine knappe Mehrheit lehnte ab, da die AL und einzelne Grüne mit den Bürgerlichen gestimmt haben. Das hat mich sehr geärgert.

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