«Erhoffen uns mehr Sicherheit» – Stadt setzt vermehrt auf Veloampeln

Seit mehr als zehn Jahren setzt Zürich zunehmend auf Lichtsignale für Velos, um den Veloverkehr sicherer zu gestalten. Für klare Aussagen fehlt jedoch bislang die Datenlage.

Nach mehreren Velounfällen wurden an der Kreuzung Seebahn-/Badenerstrasse vorgrünende Ampeln installiert.
Nach mehreren Velounfällen wurden an der Kreuzung Seebahn-/Badenerstrasse vorgrünende Ampeln installiert. (Bild: Emilio Masullo)

Sie sind klein, hängen tief und richten sich vor allem an Velofahrende: die Veloampeln. Seit 2014 werden in der Stadt Zürich laufend neue installiert. Allein im Jahr 2023 kamen zwölf weitere dazu. Mittlerweile stehen 167 Veloampeln – und es sollen noch mehr werden.

Das sieht die städtische Strategie zur Förderung des Veloverkehrs vor. Doch was bringen diese kleinen Signale wirklich – und wo sind sie sinnvoll?

Drei Typen, ein Ziel: mehr Sicherheit

Die erste Veloampel installierte die Stadt Zürich 2014 an der Falkenstrasse, Ecke Utoquai, als Reaktion auf eine Reihe schwerer Unfälle. Immer wieder wurden Velofahrende beim Rechtsabbiegen von Lastwagen übersehen und teils tödlich verletzt. So etwa im Herbst 2022 beim Lochergut, als eine junge Frau tödlich verunglückte. Nur wenige Tage später wurde eine weitere Velofahrerin von einem Lastwagen erfasst und schwer verletzt. Die Stadt reagierte mit Sofortmassnahmen und installierte eine Veloampel.

Veloampeln sollen solche Gefahren entschärfen, indem sie den Veloverkehr zeitlich und räumlich vom motorisierten Verkehr trennen.

Die Stadt unterscheidet drei Typen von Veloampeln: Die häufigste Variante ist die Vorgrün-Ampel. Sie schaltet bis zu fünf Sekunden früher auf Grün als die Autoampel, damit Velofahrende vor dem motorisierten Verkehr losfahren und Kreuzungen sicherer passieren können. Beispiele finden sich an der Stauffacherstrasse oder an der Kreuzung Zweier-/Zurlindenstrasse.

Eine andere Variante ist die gelb blinkende Veloampel. Sie erlaubt Velofahrenden, auch bei Rot weiterzufahren – allerdings nur, wenn sie dem Querverkehr und Fussgänger:innen den Vortritt lassen, zum Beispiel an der Lagerstrasse/Kanonengasse.

Schliesslich gibt es die Phasentrennung: Hier erhalten Velos und Autos nacheinander Grün, sodass sich ihre Wege nicht kreuzen – etwa an der Kreuzung Kasernenstrasse/Gessnerbrücke.

Neben den verschiedenen Ampeltypen gibt es seit 2021 an ausgewählten Orten ein «Rechtsabbiegen bei Rot»-Schild. Es erlaubt Velofahrenden, trotz Rotlicht rechts abzubiegen – vorausgesetzt, sie gewähren Fussgänger:innen den Vortritt. 

Wo genau solche Lichtsignale entstehen, ist allerdings nicht systematisch geregelt. Eine Übersicht oder Karte zu geplanten Standorten existiert nicht, ebenso wenig ein einheitliches Konzept. Laut Chantal Stocker von der Kommunikationsstelle der Dienstabteilung Verkehr (DAV), wird jeweils im Rahmen von Strassenbauprojekten oder kurzfristigen Velomassnahmen entschieden, ob und wo eine Veloampel sinnvoll ist.

Kein einheitliches Konzept

Klar ist hingegen: Der Veloverkehr in Zürich nimmt kontinuierlich zu. Seit 2013 hat sich die Zahl der täglichen Fahrten an den wichtigsten Zählstellen nahezu verdoppelt, von rund 10'000 auf etwa 20'000 pro Tag. Das zeigen automatische Verkehrszählungen der Dienstabteilung Verkehr und des Tiefbauamts der Stadt Zürich.

2020 kam es infolge der Corona-Pandemie und des Velo-Booms zu einem sprunghaften Anstieg auf etwa 17'000 Fahrten täglich. Seither steigen die Zahlen leicht weiter.

Und obwohl die Anzahl Unfälle mit Velobeteiligung von 351 im Jahr 2013 auf 508 im Jahr 2024 gestiegen ist, ging die relative Unfallrate zurück. Im Jahr 2013 wurden noch 83 Unfälle pro eine Million Velofahrten registriert; nach einem Höchststand in den Jahren 2020 und 2022 lag sie 2024 bei 72 – dem bisher niedrigsten Wert. Mit anderen Worten: Relativ gesehen wurde das Velofahren sicherer. Insbesondere in den letzten Jahren.

Wirkung schwer messbar

Wie viel die Veloampeln tatsächlich zur Sicherheit beitragen, bleibt offen. Die DAV führt laut eigenen Aussagen derzeit keine expliziten Wirkungskontrollen durch – weder zu einzelnen Ampeltypen noch zu ihrer Auswirkung auf die Unfallzahlen. Neue Anlagen würden vor Ort beobachtet, Rückmeldungen aus der Bevölkerung – etwa via bikeable.ch oder die Plattform «Züri wie neu» – würden ebenfalls einfliessen.

Auch der Verein Pro Velo hat keine konkreten Zahlen oder Studien. Dennoch begrüsst Yvonne Ehrensberger, Geschäftsleiterin von Pro Velo Kanton Zürich, den Ausbau. Veloampeln hätten sich besonders an Verkehrsknotenpunkten bewährt, an denen es häufig zu Rechtsabbiegeunfällen komme – insbesondere bei Mischverkehr und in komplexen Situationen. «Genau dort kann eine zeitliche Entflechtung von Velos und Autos eine grosse Wirkung haben und Konflikte entschärfen.»

Damit Veloampeln funktionieren, brauche es aber vor allem eines: Akzeptanz – sowohl bei Velofahrenden als auch bei Autofahrenden, sagt Ehrensberger. «Bei den Autos wird das Rotlicht meist sehr strikt beachtet. Bei Velos braucht es noch etwas Gewöhnung, dass man nicht einfach mit dem Grün der Autos fährt.» Zudem sei es wichtig, dass die Veloampeln gut sichtbar seien und wahrgenommen würden.

Das DAV setze deshalb auf tief angebrachte Leuchten, die in der Sitzhaltung besser wahrgenommen würden und darum eher befolgt. «Dadurch erhoffen wir uns mehr Sicherheit», schreibt Chantal Stocker vom DAV.

Trotz guter Absichten bleibt offen, wie wirksam Veloampeln tatsächlich sind. Ohne klare Wirkungskontrollen ist ihre sicherheitstechnische Rolle schwer einzuordnen. Der Ausbau erfolgt dennoch stetig und trägt zumindest symbolisch zum verkehrspolitischen Wandel in Zürich bei.

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Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in Politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.

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