Die erste Zürcher Veloroute: Was sollen diese grünen Streifen?

In dieser Kolumne über die Verkehrswende schreibt Thomas Hug monatlich über Parkplätze, Velorouten und andere Mobilitätsthemen. In dieser Folge geht es um den grünen Streifen auf der Velovorzugsroute.

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Grüne Farbe am Boden = Qualität! (Bild: Thomas Hug)

Nun scheint es vorwärts mit den Zürcher Velorouten zu gehen. Meterbreite Velostreifen, neue Einbahnregimes – für Velofans lohnt sich ein Umweg über die Baslerstrasse. Mittendrin auch das momentan grösste Fragezeichen der Velostadt Zürich: Was sollen bloss diese grünen Bänder? Das Internet läuft heiss mit Mutmassungen zu Sinn und Zweck dieser Markierungen.

Nein, diese Bänder sind keine Massnahmen zur Hitzeminderung. Und vor den Türen parkierter Autos schützen sie auch nicht. Schon gar nicht markieren sie die Zone, wo mit dem Velo gefahren werden soll, wie es einige von der Langstrasse kennen. Im Gegenteil: Die grünen Bänder haben symbolischen Charakter. Sie stehen für die höchste Veloqualität, die Zürich zu bieten hat. Das Grün am Rand der Fahrbahn soll zum neuen Stolz der Zürcher Velokultur werden.

Es ist sinnvoll, dass die Velovorzugsrouten besonders hervorgehoben werden. So wird Sichtbarkeit für die höchste Qualitätsstufe geschaffen und den Velos kann etwas Orientierung im Dschungel der gelben Linien geboten werden. Statt orientierend wirkt diese Inszenierung an der Baslerstrasse aber oft eher verwirrend – manchmal gar wie ein bunter Strauss aus gelben, grünen und roten Markierungen.

Mit diesen grünen Markierungen steht Zürich in der Schweiz ziemlich alleine da. Vielleicht ist es auch deshalb nicht erstaunlich, dass die grünen Bänder für Verwirrung sorgen. Sowohl der Kanton Zürich als auch die Stadt Winterthur wollen andere Wege gehen: Sie werden auf ihren besten Velorouten die ganze Fahrbahn rötlich einfärben – ein Prinzip, das bereits aus Holland oder Deutschland bekannt ist. In Winterthur wurde dies auf dem Grünauweg versuchshalber bereits umgesetzt. Auch Winterthur nutzt rote Bänder am Rand, aber nur als Übergangslösung, wo der Belag noch nicht erneuert werden muss.

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Die ganzheitliche Einfärbung hat mehrere Vorteile. Einerseits wirkt sie auch auf die Menschen im Auto: Es ist sofort klar, dass hier das Velo Vorrang geniesst. Durch die internationale Verbreitung ist anderseits für alle intuitiv verständlich, wofür die rote Einfärbung steht. Auch in der Schweiz ist das Rot bereits verbreitet und weist Autofahrende punktuell darauf hin: Achtung, hier kommen Velos. Das grüne Band am Rand hingegen verdreckt schnell und wird aus dem Auto kaum wahrgenommen. Sein Nutzen begrenzt sich auf die Botschaft: Hier soll es sich sicher Velo fahren lassen – wir arbeiten daran.

«Kinder würde man auf dieser Strecke wohl kaum unbeaufsichtigt fahren lassen.»

Thomas Hug

Während in Zürich sonst nur das Beste gut genug ist, scheinen diese grünen Linien geradezu knausrig. Ein eigentlich guter Gedanke wird nicht ganz zu Ende gedacht. Aber das sind wir uns in der Veloförderung ja gewohnt: Die Ansätze sind gut, aber am Ende fehlt die letzte Konsequenz.

So stehen die grünen Bänder auch symptomatisch für die Velovorzugsroute an der Bullinger- und Baslerstrasse: Ein guter Anfang, aber nicht die totale Vollendung. Breite Velostreifen geben zwar ein völlig neues Fahrgefühl. Die Einbahnen reduzieren den Durchgangsverkehr etwas. Aber letzten Endes stehen weiterhin Autos auf den Velostreifen. Es wird keine physische Infrastruktur verbaut, die die Menschen auf dem Velo effektiv vor den Autos schützt. 

Kinder würde man auf dieser Strecke wohl kaum unbeaufsichtigt fahren lassen. Doch das wäre das erklärte Ziel der Vorzugsrouten: Sie sollen auch für Kinder ab acht Jahren und für Menschen bis achtzig sicher befahrbar sein. Aber dafür darf die Veloförderung nicht konstant einen Schritt vor der Vollendung wieder ausgebremst werden. Die erste Velovorzugsroute und die grünen Bänder sind Schritte in die richtige Richtung. Sie sind aber keine Offenbarung, die uns über die Ziellinie bringt.

Thomas Hug

Thomas Hug ist Verkehrsplaner und Stadtentwickler bei urbanista.ch und engagiert sich für zukunftsfähige Lebensräume – stets auf der Suche nach dem richtigen Gleichgewicht von Arbeit, Aktivismus und Politik. Als Experte für Verkehrswende und nachhaltige, inklusive Mobilität versucht Thomas eine menschenzentrierte Sicht auf die Mobilität zu fördern. Er ist eher Generalist mit dem Blick auf das Ganze wie Spezialist mit dem Auge fürs Detail.

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