Sofia Karakostas: «Jede Person ist für sich selbst verantwortlich» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Gemeinderätin der Woche: Sofia Karakostas (SP)

Nach etwas mehr als drei Jahren Gemeinderatsmandat wurde Sofia Karakostas 2023 zur Ratspräsidentin gewählt. Nun blickt sie auf ihr Amtsjahr und seine Highlights zurück.

Sofia Karakostas, SP

Ihr Amtsjahr ist sehr gut verlaufen, findet Noch-Gemeinderatspräsidentin Sofia Karakostas. (Foto: Steffen Kolberg)

Welch ein Kontrast: Als Sofia Karakostas letztes Jahr im Mai ihre Amtseinführung am GZ Riesbach feierte, wurden draussen Würstchen gegrillt. Zu ihrer letzten Sitzung als Gemeinderatspräsidentin knapp ein Jahr später ist Winterjackenzeit, der Apéro zu ihrem Amtsjahresende findet aufgrund des ungemütlichen Wetters in einem kleinen Nebensaal des Rathauses statt.

Die gute Laune lässt sich die 57-Jährige dadurch nicht verderben. Sie sei erleichtert, dass das Jahr aus ihrer Perspektive sehr gut gelaufen sei, erzählt sie, und zählt ein paar Highlights auf. Die Einladung zu einem interreligiösen Gottesdienst mit Podiumsdiskussion zusammen mit einem Imam und einem Rabbi in der Kirche Enge im vergangenen Winter habe sie als grosse persönliche Bereicherung empfunden, insbesondere nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober. Ihre Winterrede im Karl der Grosse oder auch die Verabschiedung von Offizier:innen am Albisgütli seien ebenfalls besondere Veranstaltungen für sie gewesen.

«Ein Highlight war sicher auch, dass ich die Budgetdebatte überstanden habe», lacht die SP-Politikerin. Bei den ganztägigen Sitzungen müsse man sich sehr konzentrieren und voll bei der Sache sein, «gegen Mitternacht am zweiten Tag kam ich da schon an meine Grenzen».

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Wie schon in vorherigen Amtsperioden war auch während ihrer Ratspräsidentschaft der teilweise sehr raue Umgangston in politischen Grundsatzdebatten immer wieder Thema. Sie habe versucht, so wenig wie möglich einzugreifen und nur dann, wenn wirklich Grenzen überschritten werden. «Jede Person ist für sich selbst verantwortlich», erläutert sie ihre Überlegungen dazu: «Die Öffentlichkeit soll es durchaus mitbekommen, wenn sich jemand im Ton vergreift. Das sagt dann auch etwas über die Person aus.»

Im Grossen und Ganzen findet sie übrigens nicht, dass der Gemeinderat unanständig miteinander redet: «Wenn ich überlege, wie viele Stunden wir insgesamt hier debattieren, dann sind es nur wenige Momente, in denen es wirklich mal ausartet.»

Erst vor wenigen Wochen organisierte Karakostas die alle zwei Jahre stattfindende Bildungsreise der Geschäftsleitung. Sie lud nach Brüssel ein, wo ein Austausch mit der Botschafterin und verschiedenen Akteur:innen der europäischen Institutionen stattgefunden hat, die mit der Schweiz zu tun haben. «Wir haben gesehen, wie wichtig geregelte Beziehungen zur EU sind», resümiert sie.

Der Austausch mit dem europäischen Ausland ist Karakostas auch aufgrund der eigenen Biografie wichtig. Sie wuchs in einer griechischen Arbeiterfamilie in Altstetten auf und musste als Jugendliche teilweise erniedrigende Erfahrungen mit den Behörden bei ihrem Einbürgerungsverfahren machen, wie sie vor einem Jahr gegenüber dem Tages-Anzeiger erzählte. Integration und Chancengerechtigkeit seien die Themen gewesen, die sie politisiert hätten, sagt sie.

Nach mehreren Stationen in verschiedenen Quartieren der Stadt lebt sie heute im Kreis 7 in der Nähe des Zoos, «auf dem Zürichberg, nicht am Zürichberg», wie sie lachend betont. Seit über 20 Jahren ist sie Co-Leiterin der gemeinsamen Beratungsstelle EU Grants Access von Uni Zürich und ETH. Diese gibt Forschenden Hilfestellung auf der Suche nach internationalen Förderprogrammen. Sie glaube fest daran, dass es besser sei, grosse Herausforderungen auf europäischer Ebene zu lösen statt in staatlichem Klein-Klein, so Karakostas.

Auf die Stelle habe sie sich damals beworben, weil sie gerne das Beratungshandwerk lernen wollte, erzählt sie. Dieses habe sie ursprünglich im Integrationsbereich anwenden wollen. Auch das Thema Bildung habe sie immer begleitet: «Ich glaube, ich wäre eine gute Lehrerin geworden», so die Noch-Ratspräsidentin: «Mein Schwerpunkt wäre nicht das Vermitteln von Wissen gewesen, sondern der Umgang mit sogenannten schwierigen, also komplexen Klassen.» Mit ihrem Jahr Gemeinderatspräsidium kam sie dieser Erfahrung wohl schon recht nahe.

Warum sind Sie Gemeinderätin geworden?

Ich habe angefangen, mich bei der SP im Vorstand unserer Sektion zu engagieren und von da war der Sprung in den Gemeinderat nicht so weit weg. Zudem will ich mich für die Gesellschaft, die Stadt und alle, die in ihr leben, engagieren. Ich bin überzeugt, dass es das Vertrauen in die Politik insgesamt stärkt, wenn die Leute sehen, dass man etwas bewirken kann auf lokaler Ebene. In Griechenland, wo meine Familie herkommt, sehe ich, wie kaputt die Strassen sind, ich bekomme mit, dass die Schulen nicht so gut sind und so weiter. Die Menschen, die dort sehen, dass es vor Ort im Kleinen nicht funktioniert, haben auch kein Vertrauen in die Politik auf höherer Ebene.

Mit welche:r Ratskolleg:in der politischen Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Gerne würde ich mit Flurin Capaul (FDP) einen Wein trinken. Ich verfolge seine Kochkünste auf Social Media, er scheint ein leidenschaftlicher Koch zu sein. Ich koche auch leidenschaftlich gern, da würden wir uns sehr gut verstehen. Auf der politischen Ebene wollte ich ihn unbedingt mal fragen, ob er seinen Vorstoss mit dem Tukan wirklich ernst gemeint hat.

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?

Das Gewichtigste war, dass der Kauf des Uetlihofs nicht geklappt hat. Das hat uns in der SP schon getroffen und geärgert. Natürlich gibt es nun Stimmen, die darauf hinweisen, dass wir mit dem Ende der Credit Suisse da ein Problem bekommen hätten. Aber ich bleibe bei meiner Zuversicht: Die Bank sitzt ja weiterhin da drin.

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