Winterrede Xu Xu: «Zukünftige Städte konkurrieren um die Zufriedenheit der Mitmenschen»
Das Debattierhaus Karl der Grosse lädt auch dieses Jahr wieder zu den «Winterreden» ein. Verstummt der Glockenschlag des Grossmünsters um 18 Uhr, beginnt vom 15. bis 26. Januar 2024 eine Winterrede. Du hast die Winterrede verpasst? Bei uns kannst du sie nachlesen!
Hier geht's zum weiteren Programm.
Rede: Xu Xu
Guten Abend.
Gestern Abend habe ich nachgedacht. Ich habe mir lange überlegt, was wäre, wenn die Welt in 100 Jahren untergehen würde, so wie Stephen Hawking es vor zwanzig Jahren prophezeit hat. Und in der holistisch-spirituellen Philosophielehre existiert tatsächlich die Hypothese, dass der kognitiv-geistige Peak der Menschheit bereits vor langer Zeit erreicht war und die Primordial Life Energy seitdem nur noch abfällt. Von da an gewinnt die Menschheit nur noch materiell-humanistisch dazu. Ich überlegte, dass wenn alles so handlungsunfähig und sinnlos ist, die Welt dann wirklich untergeht.
Ja, das ist tatsächlich so. Zuletzt musste ich erfahren, Systeme sind tatsächlich so gesteckt wie im vor-kopernischen Zeitalter. Die Erde ist eine Scheibe, danach kommt nichts. Da ist einfach nichts, danach. Es ist tatsächlich so sinnlos. Es ist wenig sinnvoll im Sinne, dass mitzumachen ist. Das gilt für Kindergärten, Schulen, Universitäten und alle ähnlichen Institutionen. Die Erde ist geistig wieder eine flache Scheibe geworden. Ich mache mir Sorgen um die Staaten, die zeitlich-örtliche Systeme für sich blind assimilieren, wo doch bisherige Strukturen gut gehalten haben. Die Menschheit kann tiefer zum Mittelpunkt der Erde gelangen, in die arktische Kälte, auf die entlegensten Grate oder in die entlegensten Galaxien des Weltalls, um dort neue Zivilisationen heranzuziehen. Aber es ist immer noch genauso black and white. Es wäre das Ende der Welt.
Vor ein paar Tagen habe ich Lindt & Sprüngli besucht. Ich komme aus Aachen. In der Nähe von Aachen gibt es eine Stadt mit dem Namen «Lind» mit einfachem «d». Historisch-erzählerisch verbindet beide Städte der Erfindergeist damaliger Ingenieure des 19. Jahrhunderts und der Stahlbau. Der Bergbau und dessen Stahlwerke brachte Deutschland ThyssenKrupp und den Schweizern die Conchiermaschine. Aber was beide Städte auch noch verbindet, ist das Gedenken an Karl den Grossen. Das Karl der Grosse bezeichnet sich als Debattierhaus. Ich hatte immer schon daran gedacht, mich hier einzubringen. So viel dazu, wie ich dazu gekommen bin, hier heute eine Rede zu halten.
Und weil es im Zeitalter des Anthropozäns geistig-humanistisch noch viel Luft nach oben gibt, weiss ich, dass die Welt noch lange bestehen wird. So wie Walt Disney es bereits sagte, was wäre, wenn die Welt nur aus Kindern bestehen würde. Die Welt wird immer grösser, wird bunter und freier sein als zuvor. Nicht nur einzelne Disziplinen schauen für sich über den Tellerrand, sondern es gilt, den Rand im Geiste zu erweitern. Das gelingt, indem man einander zuhört und versteht. Manche Menschen brauchen Erfahrung zum Wachstum. Sie sind Ihr eigenes Beispiel. Es ist heute der 17. Januar 2024, Gregorianischer Kalender.
- Die Welt war vor 10 Jahren eine andere, weil der Mensch ein anderer war.
- Was ich in dieser Stadt sehe, ist Dynamik und Innovation neben Tradition und Geschichte in der Weltriege. Für diesen Sprung braucht es geistigen Raum und Frieden.
- Als ich vor drei Jahren nach Zürich kam, sagte man mir, dies sei die Stadt, in der Entscheidungen für die Welt getroffen werden. Und das ist gar nicht mal so übertrieben.
- Zukünftige Städte konkurrieren nicht um Lifestyle, Kreativität oder Sassiness, sondern um die Zufriedenheit der Mitmenschen.
- Ich werde immer die Stadt wählen mit der grössten Internationalität, Diversität und Globalität.
Anders als in der chinesischen Philosophie kommt nämlich nach dem Yang
das Yin. Auch letzte Nacht habe ich überlegt, den Redestab an das 100-jährige Jubiläum weiterzureichen, mit dem Weisheits-Vokabular für alle Zuhörer und Mitleser.
Vielen Dank
Alle Reden:
- Winterrede Sofia Karakostas: «Kultur stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt»
- Winterrede Anna Auguste Penninger: «Es geht weniger ums Besitzen und mehr ums Miteinander»
Winterrede Xu Xu: «Zukünftige Städte konkurrieren um die Zufriedenheit der Mitmenschen» -
Winterrede Ray Belle: «Drag erlaubt einem Menschen so unglaublich vieles.» -
Winterrede Katharina Di Martino: «Armut reproduziert sich. Über Generationen hinweg.» - Winterrede Madeleine Marti: «Alte Lesben werden kaum wahrgenommen»
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