Christian Traber (Die Mitte), der Dinosaurier im Gemeinderat
Seit 1994 sitzt er im Gemeinderat und gehört damit zu seinen Urgesteinen: Mitte-Politiker Christian Traber blickt auf Veränderungen in der politischen Kultur – und spart nicht mit Kritik an der linken Ratsmehrheit.
Er ist einer der alten Hasen im Stadtparlament. Seit 1994 sitzt Christian Traber – mit zwei Unterbrechungen – im Gemeinderat, wo er die Mitte/EVP-Fraktion leitet. Ob er damit das erfahrenste Ratsmitglied ist? Das wisse er nicht, sagt der 61-Jährige und lacht: «Wahrscheinlich. Nur Bernhard im Oberdorf (SVP) oder Albert Leiser (FDP) könnten mir noch Konkurrenz machen.»
Insgesamt hat Traber 22 Jahre lokalpolitische Erfahrung gesammelt. Die Arbeit im Gemeinderat bereite ihm immer noch viel Freude, dennoch habe sich vieles verändert: «Früher dauerten die Sitzungen meist von 17 bis 19 Uhr. Heute ziehen sie sich teilweise wesentlich länger hin.» Dies mache es schwerer, das Amt mit familiären Verpflichtungen zu vereinen, sagt der zweifache Familienvater. Anfang September stimmte seine Fraktion daher für eine Erhöhung der Entschädigung der Ratsmitglieder. Ob diese tatsächlich umgesetzt wird, entscheidet jedoch erst die Stimmbevölkerung im nächsten Jahr (Tsüri.ch berichtete).
Der gestiegene Zeitaufwand liegt laut Traber nicht nur am Wachstum der Stadt, sondern auch an einer veränderten politischen Kultur. Einerseits würden heute deutlich mehr Vorstösse eingereicht, andererseits habe die Debattierfreudigkeit zugenommen. Für Traber ist klar: «Wir müssen uns wieder mehr darauf besinnen, das Wesentliche zu sagen.» Schriftliche Anfragen könnten auch vermieden werden, etwa indem man direkt bei der Stadtverwaltung oder dem Stadtrat nachfragt.
«Die linksgrüne Mehrheit drückt ihre Anliegen durch – ohne Rücksicht auf Verluste.»
Christian Traber
Der Mitte-Politiker spricht schnell und locker, bei einem Thema kühlt seine Stimme ab. Mit dem Politikstil der linksgrünen Mehrheit im Gemeinderat ist er nicht einverstanden. Sie drückten ihre Anliegen durch – ohne Rücksicht auf Verluste. Auch der Stadtrat werde teilweise links überholt. Traber plädiert, entlang dem Parteimantra, für mehr Kompromissbereitschaft. Als Beispiele nennt er die umstrittenen Velovorzugsrouten und den drastischen Abbau von Parkplätzen. Der «gesunde Menschenverstand» müsse hier stärker berücksichtigt werden.
Ein aktuelles Geschäft seiner Fraktion, das den Gemeinderat diese Woche beschäftigt, ist ein Postulat zur Eindämmung der Fangewalt in Zürich, das sie zusammen mit der FDP eingereicht hat. Es fordert umfassende Massnahmen in den Bereichen Prävention, Deeskalation, Sicherheit und Repression, also zum Beispiel die Einführung personalisierter Tickets. Traber findet: Die Stadt muss hier noch aktiver werden. Als Fussballfan schockiere ihn die zunehmende Gewalt in und ausserhalb der Stadien. Besonders erschreckend sei, wie scheinbar Hunderte blind einzelnen Rädelsführern folgen. Keine nachhaltige Lösung sieht er allerdings in Kollektivstrafen, wie sie noch Anfangs Jahr verhängt wurden.
Wie lange Traber seine politische Arbeit im Stadtparlament fortsetzen will, lässt er offen. Aktiv bleibt er auf jeden Fall: Derzeit sind ganze 13 Interessensverbindungen auf der Gemeinderats-Website aufgeführt, etwa sein Vorstandsamt im Zürcher Stadtverbands für Sport oder das Präsidium des Quartiervereins Leimbach. Zur Zukunft verrät er nur so viel: «Ich befinde mich sicherlich im Herbst meiner politischen Karriere».
Warum sind Sie Gemeinderat geworden?
In meinem Elternhaus und in der Mittelschule wurde ich politisch geprägt. Schon damals war ich überzeugt, dass man nicht nur ausrufen, sondern auch handeln und sich engagieren muss. Mit 23 Jahren stand ich erstmals auf der Gemeinderatsliste der CVP. Meine Eltern waren schon passive Mitglieder der Partei. Im Sommer 1994 konnte ich dann erstmals nachrücken.
Mit welcher Ratskollegin oder welchem Ratskollegen der Gegenseite würden Sie gerne ein Bier trinken?
Eigentlich müsste ich schon längst mit Sven Sobernheim ein Bier trinken. Er hat mich in seinem Interview erwähnt. Aber auch mit Lisa Diggelmann, der Co-Fraktionspräsidentin der SP, würde ich gerne anstossen.
Welches Abstimmungsergebnis im Rat hat Sie am meisten gefreut?
Da kommen mir zwei Vorstösse im Sportbereich in den Sinn: Einerseits die Erhöhung des Jugendsportkredits und andererseits die fast einstimmige Forderung für eine Dreifachhalle in Witikon.
Und welches hat Sie am meisten geärgert?
Besonders kontrovers war für mich die Diskussion über die Züri-City-Card. Die Karte sollte Sans-Papiers als Stadtausweis dienen, der Identität und Wohnsitz bestätigt. Doch wer eine solche Karte vorzeigt, riskiert, von der Polizei als verdächtig wahrgenommen zu werden. Das ist ein Problem, das auf nationaler Ebene gelöst werden muss.
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