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Von Michael Schallschmidt

Praktikant Redaktion

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22. September 2021 um 04:00

Streitpunkte, Projekte, Einsprachen: Zürichs langer Weg zur Velostadt

Vielerorts in Zürich sind Velofahrer:innen Engpässen oder Unfallgefahren ausgeliefert. Die Stadt plant deshalb, den Veloverkehr an mehreren Orten zu verbessern. Welche Massnahmen die Stadt bis 2030 umsetzen will und wo wir aktuell stehen.

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Velo-Aktivist:innen der Critical Mass während einer gemeinsamen Ausfahrt (Foto: Elio Donauer)

Letzten Mittwoch – am internationalen autofreien Tag – findet in Zürich eine grosse Velodemonstration statt. Die Aktivist:innengruppe «Velo Mänsche Züri» will unter anderem zusammen mit den Jungen Grünen auf die Strasse gehen, um auf die schwache Stellung der Velofahrer:innen und die «schleppende Umsetzung» der «Velorouten-Initiative» aufmerksam zu machen, wie es in der Medienmitteilung heisst. Doch was geht eigentlich in der Stadt bezüglich «Velofreundlichkeit» – und was eben nicht? Wir haben nachgeforscht:

Die Stadt plant, insgesamt vier Velovorzugsrouten umzusetzen. Dies, nachdem die stimmberechtigte Bevölkerung die Initiative «Sichere Velorouten für Zürich» vom 27. September 2020 mit einer Mehrheit von 70 Prozent angenommen hat. Die geplanten Velovorzugsrouten sind eine von vielen Massnahmen, die die Stadt im Zuge der «Velostrategie 2030» umsetzen will. Die Routen sollen eine Strecke von 50 Kilometern umfassen und «grundsätzlich frei vom motorisierten Individualverkehr sein», wie der Initiativtext verlangt. Auch sollen die Strassen, die Teil der geplanten Routen sind, gegenüber anderen Strassen vortrittsberechtigt sein.

Beschränkte Nutzungsrechte für Velotunnel

Bei der Velostrategie 2030 handelt es sich um die Planungsgrundlage für die Veloförderung der Stadt Zürich. Diese löste im März 2021 den «Masterplan Velo» ab, der seit 2012 als Basis für die Weiterentwicklung des Veloverkehrs diente. Neben den Velovorzugsrouten bildet unter anderem der Stadttunnel, der unter dem HB verläuft und die Kasernenstrasse mit dem Sihlquai verbinden soll, ein wichtiges Kernelement der Strategie. Der ursprünglich als Teil einer Nationalstrasse geplante Tunnel soll ab 2024 als Velotunnel dienen. Die Stimmbevölkerung hat eine entsprechende Vorlage am 13. Juni 2021 angenommen.

Die Vereinbarung mit dem Kanton sieht ein Nutzungsrecht bis 2041 vor. Diese Nutzungsdauer könne gemäss Tiefbauamt jedoch verlängert werden, sofern bis dahin keine Pläne bestehen, den Tunnel für seinen ursprünglich vorgesehenen Zweck als Nationalstrasse zu nutzen. «Sollte der Stadttunnel aus dem Nationalstrassennetz und damit aus dem kantonalen Richtplan gestrichen werden, ist auch eine definitive Weiterverwendung des Stadttunnels als Veloverbindung möglich», schreibt das Tiefbauamt auf Anfrage. Für allfällige Alternativen, falls der Velotunnel nicht weiter bestehen könne, gebe es derzeit noch keine Pläne.

Wenn du auf die Punkte klickst, kriegst du Informationen über die geplanten Massnahmen.

Einwendungen bei mehreren Strassen

Bei der Umsetzung der Velovorzugsrouten sorgen vor allem die Umgestaltungspläne der Mühlebachstrasse für Diskussionen. Die Strasse bildet einen Teil der Velovorzugsroute zwischen Zollikon und dem Kreis 8. Da das Tiefbauamt bei der Umgestaltung der betroffenen Strasse auf ein Fahrverbot für Autos verzichtet, legten die SP und die Interessengruppe Pro Velo Zürich im August Einsprache gegen die Pläne der Stadt ein.

Ohne ein Fahrverbot für den Autoverkehr setze die Stadt den Volkswillen nicht richtig um. Darüber hinaus könnten sich die Velovorzugsrouten zu Ausweichrouten für Autofahrer:innen entwickeln, kritisieren SP und Pro Velo Zürich. Der Stadtrat lehnte die Einsprache jedoch ab, wie der Tages-Anzeiger berichtete.

Die Bearbeitung der Einsprachen zu den Verkehrsvorschriften beim Projekt Mühlebachstrasse liege inzwischen beim Sicherheitsdepartement, wie das Tiefbauamt auf Anfrage sagt. Bei der Scheuchzer- und Baslerstrasse, die einen Teil der geplanten Velovorzugsrouten Alstetten-Kreis 4 und Oerlikon-Kreis 7 bilden, erhoben SP und Pro Velo Zürich Einwendung. Dies schreibt die SP in einer Mitteilung vom 23. August.

Velokultur dank Tempo-30-Zone

Eine grosse Herausforderung bestehe darin, in einem so dicht besiedelten Gebiet wie Zürich, ein flächendeckendes Velonetz zu realisieren, sagt Roger Schaad, Projektleiter Kommunikation des Tiefbauamtes: «Auch die Vielzahl an anderen Verkehrsmitteln und Ansprüchen muss dabei berücksichtigt werden.» Auch sei das Vorhaben, eine «Velokultur» in der Stadt zu etablieren, mit einem jahrelangen Prozess verbunden.

Die Geduld auf der Strasse ist langsam strapaziert.

Silas Hobi von umverkehR

Die Stadt verfolgt das Ziel, ein positives Verkehrsklima zwischen Velofahrer:innen und anderen Verkehrsteilnehmer:innen zu schaffen. Die vorgesehen Massnahmen bestehen aus Tempo-30-Zonen sowie aus Sicherheits- und Verhaltenskampagnen. Darüber hinaus gewährt die Stadt den Velofahrer:innen, an immer mehr Kreuzungen trotz Rotlicht rechts abbiegen zu dürfen. Seit dem 1. Januar darf der Zweiradverkehr an 81 Kreuzungen, die mit einem entsprechenden Piktogramm gekennzeichnet sind, legal bei rot rechts abbiegen. Bis Ende Jahr soll das Rechtsabbiegen an insgesamt 175 Kreuzungen in der Stadt möglich sein, sagt die Sprecherin der Dienstabteilung Verkehr auf Anfrage des Tages-Anzeigers.

Auf vielen Zürcher Strassen machen jedoch nicht rote Ampeln sondern zu schmale Velospuren eine schnelle Weiterfahrt für Velofahrerinnen unmöglich. Als Beispiel dafür dient der Abschnitt der Langstrasse, der vom Limmatplatz in Richtung Kreis 4 führt. Das folgende Video zeigt die gegenwärtigen Zustände.

An der Unterführung Langstrasse setzte die Stadt dafür Sofortmassnahmen zur besseren Verkehrsführung für Velofaherer:innen um. So befinden sich seit Juni dieses Jahres in beiden Fahrtrichtungen der Strasse, die unter den Bahngleisen verläuft, zwei Meter breite Velostreifen. Dies ermögliche den Velofahrer:innen eine direkte Unterquerung des Gleisfeldes, ohne auf die Unterführungen für Fussgänger:innen ausweichen zu müssen, wie die Stadt erklärt. Die Stadt plane bis 2026 die seitlichen Unterführungen für Fussgänger:innen zu verbreitern, wie die Limmattaler Zeitung im Juni berichtete. Auf diese Weise soll sich der Mischverkehr zwischen Fussgänger:innen und Velofahrer:innen verringern.

Zwar ist die Fahrt durch den Tunnel leichter, jedoch gestaltet sich die Weiterfahrt auf der Langstrasse im Kreis 4 nach wie vor als schwierig. Das folgende Video zeigt, wie ein Velofahrer aufgrund eines Lastwagens in der Schöneggstrasse auf das Trottoir ausweichen musste.

Verbesserungen statt Konzepte nötig

Silas Hobi von «umverkehR» nennt die die Velostrategie 2030 «ein Verlegenheitskonzept». Der Verein setzt sich seit fast 30 Jahren für eine umweltfreundlichere Verkehrsplanung ein. Bessere Verkehrsbedingungen für Velofahrer:innen seien bereits seit langem nötig, jedoch setze die Stadt ihre Pläne nicht in einem vertretbaren Zeitraum um: «Die Geduld auf der Strasse ist langsam strapaziert und Veränderungen lassen auf sich warten», sagt Hobi. Bewegungen wie die «Critical Mass» seien ein Anzeichen dafür. Deshalb solle die Stadt sich mehr darauf konzentrieren, schnellstmöglich die Zustände für den Veloverkehr zu verbessern, statt neue Konzepte mit zehnjähriger Frist auszuarbeiten, sagt Hobi.

Auf einzelnen Strassen ergreift die Stadt bereits Sofortmassnahmen. So befinden sich zum Beispiel an der Baslerstrasse neu Velostreifen, nachdem die Stadt dort 77 Parkplätze abgebaut hat. Weiterhin befinden sich jetzt an Lichtsignalanlagen auch Haltebereiche für den Veloverkehr. Diese Sofortmassnahmen, die die Stadt bisher umsetzte, seien ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Hobi: «Es ist spürbar, dass die Stadt etwas unternimmt, ich merke das auch auf meinem Weg zur Arbeit.»

Dennoch sei ein stärkeres Umdenken in Sachen Veloförderung nötig, fordert er. Dies zeige sich am Beispiel der Scheuchzerstrasse im Kreis 6, die dereinst einen Teil der Velovorzugsroute Oerlikon-Kreis 7 bildet. An der betroffenen Strasse sei ein Velostreifen mit einer Breite von 1,30 Meter zu schmal. An vielen Orten in der Stadt seien die Velowege auf der Strasse nicht durchgehend, sondern immer wieder durch Parkplätze unterbrochen erklärt Hobi: «Eine solche Planung zeigt exemplarisch an welchem Punkt sich die Stadt noch befindet.»

Ein Beispiel für abrupt endende Velowege findet sich an der Talstrasse. Velofahrer:innen, die in die Strasse fahren, verfügen auf den ersten Metern noch über einen Velostreifen. Dieser endet jedoch plötzlich, wie das folgende Video zeigt.

Ein Projekt der Velostrategie 2030 sieht vor, die Talstrasse für den Veloverkehr zu optimieren. Eine durchgehende Veloroute, beginnend von der Löwenstrasse aus, soll die Fahrt vom HB zum See sicherer machen.

Was die Scheuchzerstrasse betrifft, so liegt der Bericht zu den Einwendungen noch bis zum 4. Oktober 2021 auf. Im Anschluss werden Änderungen ins Projekt integriert. Das überarbeitete Projekt wird dann gemäss Paragraf 16 des Strassengesetzes nochmals öffentlich aufgelegt. Einsprache erheben dürfen zu diesem Zeitpunkt aber nur noch direkt Betroffene, wie zum Beispiel Anwohnende.

Am 28. November entscheidet die stimmberechtigte Bevölkerung erneut über die weitere Planung der Velovorzugsrouten. Diese sind in der Abstimmungsvorlage «Kommunaler Richtplan Verkehr» des Gemeinderates enthalten.

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