Demo-Rave im Velotunnel wird im Keim erstickt
Das Label «Schallfenster» plante eine Party im neuen Velotunnel. Es sollte eine Protestaktion für die Zürcher Clubkultur werden, doch die Polizei zog den Stecker, bevor der erste Beat lief.
Der gross angekündigte Rave im neuen Stadttunnel am Zürcher Hauptbahnhof wurde von der Polizei gestoppt. Die Einsatzkräfte verriegelten sämtliche Eingänge und liessen nur vereinzelt Velofahrende passieren.
Die Musikanlage, mit der drei DJs für Sound sorgen sollten, wurde vorsorglich beschlagnahmt. Das städtische Sicherheitsdepartement hatte die Party im Vorfeld als illegal erklärt und aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht bewilligt.
Beim vorherrschenden Polizeiaufgebot am Donnerstagabend sei rasch klar gewesen, dass eine sichere Durchführung nicht mehr möglich gewesen wäre, erklärte Mitorganisator Onur Özman gegenüber den Medien.
«Raver sind in den Augen der Polizei Terroristen», sagt Özman angesichts des grossen Polizeiaufgebots. Das sei mit ein Grund, weshalb die Clubkultur in Zürich aussterbe. Doch er lasse sich den Abend nicht verderben. Die Party wurde in das Kulturhaus «Dynamo» verlegt.
Demo-Rave war nicht bewilligt
Raven und Demonstrieren, das war das erklärte Ziel von «The Tunnel». Die Party wollte auf das Zürcher Clubsterben aufmerksam machen. 25 bis 30 Prozent der Nachtlokale in der Stadt seien in den letzten Jahren verschwunden, so die Veranstalter:innen. Auch verhindere politischer und ökonomischer Druck, dass sich Clubkultur weiterentwickeln könne. Profit statt Kunst moniert das Label «Schallfenster».
Obwohl die Stadt die Tunnelparty nicht bewilligte, hielten die Veranstalter:innen am Plan fest und beriefen sich auf das Demonstrationsrecht und die Versammlungsfreiheit.
Der Rave wurde akribisch vorbereitet: Für den Aufbau mieteten die Organisator:innen mehrere Parkplätze im Parkhaus Hauptbahnhof. Auf der Website wurden die Gäst:innen detailliert informiert, etwa über die Anzahl Notausgänge, Möglichkeiten zur Selbstverpflegung und die Empfehlung, einen Schirm mitzunehmen.
Beim Treffpunkt im Parkhaus versammelten sich wenige Schaulustige, eine Handvoll Journalist:innen und ein massives Polizeiaufgebot.
Geschicktes Marketing oder legitime Protestform?
Die Gruppe hinter «Schallfenster» versteht es, ungewöhnliche Locations zu bespielen. In der Vergangenheit fanden Partys im Tram, im Kino, auf dem Balkon eines Hochhauses oder in einem Kleiderladen statt. Eine Party im Tunnel hätte die aussergewöhnliche Reihe erweitern sollen.
In den sozialen Medien äusserten Kritiker:innen den Verdacht, bei «The Tunnel» handle es sich vor allem um einen PR-Stunt zur Bewerbung der kostenpflichtigen Afterparty im Dynamo. Nun dürfte das grosse Medienecho mit ein Grund gewesen sein, weshalb die Stadt den Event unterband.
Ob das Kollektiv mehr Marketing als politischen Anspruch verfolgte, bleibt offen. Beides scheint funktioniert zu haben. Schon im Vorfeld berichteten diverse Medien über ihre Anliegen.
Mit der unbewilligten Demonstration fordern sie eine Neuausrichtung der Kulturpolitik: öffentliche Fördergelder für neue Clubs, mehr rechtliche Freiheiten für Off-Locations, strukturelle Diversität in Besitz und Entscheidungsgremien sowie ein Ende der repressiven Haltung gegenüber nicht-kommerziellen Kulturformaten. Sie wollen die Stadt zurück als Ort für kreative Reibung, politische Statements und solidarische Gemeinschaft und setzen ein Zeichen dafür, dass Clubkultur mehr ist als nur Party: nämlich gesellschaftlich relevant.
«Schallfenster» verlegte die Party in das angrenzende Kulturhaus «Dynamo», während die Polizei nach getaner Arbeit ihre Sachen packte. Zurück blieb eine kleine Gruppe enttäuschter Raver:innen.
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Yann hat an der Universität Zürich einen Master in Germanistik, Sozialwissenschaften und Philosophie abgeschlossen. Erste journalistische Erfahrungen sammelte er bei 20Minuten, Tsüri.ch und der SRF Rundschau. Beim Think & Do Tank Dezentrum war Yann als wissenschaftlicher Mitarbeiter und in der Kommunikationsleitung tätig. Seit 2025 ist er Teil der Tsüri-Redaktion. Nebenher ist er als Freelancer im Dynamo Zürich und bei Dachsbau Sounds unterwegs.