Wohnungskrise: Zürich muss den Druck auf Bund und Kanton erhöhen
Die Stadt Zürich müsse im Kampf gegen die Wohnungskrise «einen Zacken zulegen», sagt Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP). Die Stadtregierung sollte vor allem im Interesse der Stadtbevölkerung Druck auf den Bund und Kantone erhöhen, findet Simon Jacoby. Ein Kommentar.
Die Bevölkerung von Zürich leidet massiv unter der Wohnungskrise: Es gibt zu wenige freie Wohnungen auf dem Markt und die verfügbaren sind zu teuer. Eine Anfang Juni ausgeschriebene 1,5-Zimmerwohnung zeigt das Problem in all seiner Dramatik: Sie kostet monatlich fast 12’000 Franken und ist mit 140 Quadratmeter so gross, dass bei einem anderen Grundriss eine fünfköpfige Familie darin wohnen könnte.
Dass Zürich ein Problem hat, ist längst auch der NZZ bewusst. So fragte die Zeitung: «Frau Mauch und Herr Odermatt, warum bekommen Sie das Wohnproblem in Zürich nicht in den Griff?» Im Interview kommen die zuständigen Stadtratsmitglieder und SP-Politiker:innen zum richtigen Schluss: «Wir müssen und wollen noch einen Zacken zulegen.» Deshalb verfolge die Stadt eine aktive Bodenpolitik, sprich sie kauft Land, wo sie kann.
Ebenfalls richtig ist die Analyse, dass die Wohnungskrise ein generelles Problem sei und «kein spezifisch Stadtzürcherisches». Wir in Zürich könnten die Wohnungsnot nicht alleine lösen, viele effektive Massnahmen müssten von Bund oder Kanton erlaubt werden. Dafür setzt sich die Stadtregierung zu wenig ein – oder zumindest nicht so, dass es die Öffentlichkeit mitbekommt.
Seitdem das Zürcher Stimmvolk im Jahr 2011 entschieden hat, dass bis im Jahr 2050 jede dritte Wohnung gemeinnützig sein muss («Drittelsziel»), sind diverse weitere Instrumente dazugekommen: Unter anderem darf der Stadtrat selber mehr Geld für den Kauf von Liegenschaften ausgeben und der neu geschaffene Wohnraumfonds stellt Stadt und Genossenschaften mehr finanzielle Mittel zur Verfügung.
Kaum ist die eine neue wohnpolitische Massnahme entschieden, lancieren die Parteien eine neue. Dieser schnelle Rhythmus der politischen Aktivitäten zeigt, dass der Wille, etwas gegen die Wohnungskrise zu unternehmen, gross ist. Doch der Handlungsspielraum für eine Gemeinde wie die Stadt Zürich ist klein. Und das ist ein Problem.
Denn nur weil der Stadtrat etwas schneller auf dem Immobilienmarkt agieren kann und nur weil Genossenschaften etwas mehr Geld für Abschreibungen zur Verfügung haben, ist der enorme Druck auf den Wohnungsmarkt nicht gelindert. Wir brauchen dringend wirkungsvollere Möglichkeiten und Massnahmen, die auf der Kantonsebene oder gar national greifen.
Zwei aktuell hängige kantonale Volksinitiativen könnten helfen: Einerseits soll das Vorkaufsrecht, den Gemeinden erlauben, mehr Land zu kaufen und andererseits will die Wohnschutzinitiative verhindern, dass nach Sanierungen die Mieten massiv steigen.
Eine dritte Idee geistert auf nationaler Ebene herum, ist derzeit aber im Parlament kaum mehrheitsfähig: Es geht um eine Kontrolle der Mieten. Damit könnte verhindert werden, dass illegal hohe Mieten verlangt werden.
Die Stadt Zürich und deren Regierungsmitglieder machen bereits einiges im Kampf gegen die Wohnungskrise. Und wenn Corine Mauch sagt, «wir müssen und wollen noch einen Zacken zulegen», dann hat sie damit völlig recht. Leider verpasst sie es, aufzuzeigen, wie dies genau geschehen soll. Eine Möglichkeit wäre, den Druck auf Bund und Kanton zu erhöhen und dort noch mehr für die Interessen der Stadtbevölkerung zu lobbyieren.
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