Zürich fördert lokale Solarenergie mit Stromgemeinschaften
Ein grosser Teil des Solarpotenzials auf den Zürcher Hausdächern ist ungenutzt. Mit lokalen Elektrizitätsgemeinschaften will die Stadt ab 2026 mehr Dächer mit Photovoltaik bestücken. Nachbar:innen sollen den Strom unter sich verkaufen können.
In Zürich bleibt rund die Hälfte des Solarpotenzials auf Hausdächern ungenutzt. Die Stadt will das zusammen mit dem städtischen Elektrizitätswerk (ewz) ändern – mit sogenannten lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG). Die Idee wurde bereits vor einem Jahr diskutiert, nun können sich Interessierte registrieren und ab nächstem Jahr ihren überschüssigen Strom im Quartier verkaufen.
Denn ab 1. Januar 2026 ermöglicht das neue Bundesstromgesetz die Gründung sogenannter lokaler Elektrizitätsgemeinschaften (LEG). In Zürich wird das Elektrizitätswerk ewz das Angebot unter dem Namen «ewz.solarquartier» betreiben. Teilnehmen können alle, die am selben Transformator angeschlossen sind, egal ob Baugenossenschaften, Unternehmen oder Privatpersonen.
Solarstrom direkt aus der Nachbarschaft
Das Prinzip: Wer eine Solaranlage betreibt, deckt zuerst den eigenen Strombedarf. Überschüssiger Strom fliesst dann nicht mehr wie bisher ans ewz zurück, sondern wird zu einem fixen Preis von 12 Rappen pro Kilowattstunde direkt an andere Mitglieder der LEG verkauft. Zum Vergleich: Heute vergütet das ewz eingespeisten Strom mit 8,5 Rappen zuzüglich 5 Rappen für den Herkunftsnachweis, der belegt, von wo der Strom stammt. Also insgesamt mit 13,5 Rappen. Ein gesetzlicher Mindestpreis existiert bisher nicht, ab 2026 soll er schweizweit 6 Rappen betragen. Der fixe LEG-Preis liegt damit um die bisherigen Vergütungen, bleibt unabhängig vom Marktpreis stabil und soll Produzent:innen wie auch Konsument:innen Planungssicherheit geben.
Für die Strom-Käufer:innen ändert sich der Preis nicht. Sie zahlen weiterhin den Standardtarif für den vom ewz produzierten Naturstrom.
Die gesamte Abwicklung übernimmt das ewz, liefert bei Bedarf Strom aus der Grundversorgung zu und verrechnet alles über den Zähler. Vom Angebot ausgeschlossen sind sehr kleine Anlagen, sogenannte «Balkonkraftwerke». Haushalte mit rund 16 Solarpanels oder mehr können sich bei einer LEG anmelden. Benedikt Loepfe, ewz-Direktor, sagt: «Mit dem Community-Gedanken wollen wir den Eigenverbrauch erhöhen und die Solarproduktion in Zürich deutlich steigern.»
Mit den LEG will die Stadt nun auch jene Dächer aktivieren, die bislang leer geblieben sind. Stadtrat Michael Baumer, Vorsteher der Industriellen Betriebe, sagte: «In Zürich lässt sich jede Solaranlage wirtschaftlich betreiben.» Zwei Genossenschaften, die ABZ und die Genossenschaft Brunnenhof, hätten bereits zugesagt, sagte Baumer.
Die LEG sind Teil der Photovoltaik-Strategie, die die lokale Solarstromproduktion bis 2030 auf 120 Gigawattstunden vervierfachen und bis 2040 das gesamte Potenzial ausschöpfen soll. In den letzten zehn Jahren habe sich die installierte Leistung bereits mehr als vervierfacht. 2024 stimmten über 82 Prozent der Zürcher Stimmbevölkerung einem Rahmenkredit für Investitionen in erneuerbare Energien zu.
Kritik an der Ausgestaltung
Für den Grünen-Gemeinderat Dominik Waser ist das Modell zu wenig ambitioniert. LEG seien zwar grundsätzlich sehr wichtig, doch auch bei früheren Angeboten wie «ewz.solarsplit» hätten hohe Gebühren – 4 Rappen pro Kilowattstunde – viele abgeschreckt. Beim neuen Modell profitierten je nach Strompreis die Einspeisenden, denen 12 Rappen garantiert versprochen würden. Die Abnehmenden zahlten hingegen gleich viel wie bisher und hätten «nichts davon ausser ein gutes Gefühl».
Waser fordert alternative Modelle, bei denen Stromproduzent:innen und Konsument:innen selbst über die Tarife, also den Preis, entscheiden könnten und die Stadt nur die Verrechnung anbietet und übernimmt. Eine solche Preisgestaltung wäre aus seiner Sicht keine Gefahr für Preisdumping, sondern eine echte Marktlösung, wie sie beim Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) bereits funktioniere.
Unabhängig von den LEG lancieren Grüne und SP nach den Sommerferien eine Doppelinitiative: Bis 2040 soll ein Drittel des städtischen Stromverbrauchs auf Stadtgebiet produziert werden, hauptsächlich aus Solarenergie. Die zweite Initiative verlangt einen Rahmenkredit von 750 Millionen Franken. Laut Stadtrat Michael Baumer haben diese Vorstösse keinen direkten Zusammenhang mit dem neuen LEG-Angebot.
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2000 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!
Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.