Was Sanija Ameti erlebt, ist durchtränkt von Rassismus und Sexismus
Sie hat einen dummen Fehler gemacht und sich sofort entschuldigt. Dass sich nun alle von Sanija Ameti abwenden, zeugt von Sexismus, Rassismus und einer schlechten Fehlerkultur. Ein Kommentar von Simon Jacoby.
Die Zürcher GLP-Politikerin Sanija Ameti hat auf ein Bild von Maria mit Jesuskind geschossen und ein Foto davon auf Instagram veröffentlicht. Inzwischen ist die 32-Jährige den Job los, ihre Partei will sie rausschmeissen und sie steht wegen Morddrohungen unter Polizeischutz.
Ja, die Aktion war dumm. Der entsprechende Post war nur wenige Minuten online. Ameti hat sich sofort auf allen Kanälen entschuldigt:
Der Post hat mittlerweile über 3000 Kommentare, viele davon sind sexistisch, rassistisch und islamophob.
Eine Entschuldigung macht nicht einfach alle Verletzungen weg, aber was zum Teufel ist mit unserer Debattenkultur los? Ein Fehler reicht, und trotz Schuldeingeständnis wenden sich alle von einem ab. Inklusive der eigenen Partei und dem eigenen Arbeitgeber. Keine Chance auf Vergebung und Wiedergutmachung.
In den drei Tagen nach dem Missgeschick hat sich einzig die Operation Libero hinter Ameti gestellt, diese ist deren Co-Präsidentin. Alle anderen wollen nichts mehr mit dem einstigen Shootingstar der GLP zu tun haben.
Wer einen Fehler macht, diesen einsieht und ihn wiedergutmachen will, hat eine zweite Chance verdient. Für Sanija Ameti gilt dies offenbar nicht. Ein einziger Instagrampost hat ihre Karriere abrupt beendet. Obwohl sie ihren Fehler sofort einsah und sich entschuldigte, folgten drastische Konsequenzen. Doch die Reaktionen der Öffentlichkeit und ihrer Partei werfen ein grelles Licht auf ein viel tieferes Problem.
Dass eine muslimische Frau mit Migrationshintergrund vom rechten Mob durch das Internet gejagt wird, überrascht leider nicht. Dass aber die GLP in einem Schnellschuss ein Ausschlussverfahren eröffnet, ist erbärmlich. Wenn man von einer Partei eine aktive Fehlerkultur erwarten darf, dann von der progressiven GLP.
Der Instagrampost könne «Ausdruck von Hass und Gewalt verstanden werden», heisst es in der Medienmitteilung. Dies habe in der GLP keinen Platz. Ameti habe das Ansehen der Grünliberalen beschädigt, damit sei die Voraussetzung für ein Ausschlussverfahren gegeben. Es scheint fast, als habe die Parteileitung nur auf den richtigen Moment gewartet, um die Politikerin so schnell wie möglich loswerden zu können.
Gegenüber Kath.ch schreibt Ameti, dass sie wegen Morddrohungen unter Polizeischutz steht: «Es geht mir nicht gut, und ich weiss nicht, wie lange ich das noch aushalten kann.»
Undenkbar, dass ein Mann ohne Migrationshintergrund auf diese Art durch das Dorf getrieben wird. Es ist einer demokratischen Gesellschaft absolut unwürdig, dass jemand, der Fehler macht und sich sofort und aufrichtig entschuldigt, mit dem Tod bedroht wird. Was Ameti aktuell erlebt, ist durchtränkt von Rassismus und Sexismus.
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