Was Sanija Ameti erlebt, ist durchtränkt von Rassismus und Sexismus

Sie hat einen dummen Fehler gemacht und sich sofort entschuldigt. Dass sich nun alle von Sanija Ameti abwenden, zeugt von Sexismus, Rassismus und einer schlechten Fehlerkultur. Ein Kommentar von Simon Jacoby.

Sanja Ameti
Ein einziger Instagrampost hat ihre Karriere abrupt beendet. (Bild: Tsüri.ch)

Die Zürcher GLP-Politikerin Sanija Ameti hat auf ein Bild von Maria mit Jesuskind geschossen und ein Foto davon auf Instagram veröffentlicht. Inzwischen ist die 32-Jährige den Job los, ihre Partei will sie rausschmeissen und sie steht wegen Morddrohungen unter Polizeischutz. 

Ja, die Aktion war dumm. Der entsprechende Post war nur wenige Minuten online. Ameti hat sich sofort auf allen Kanälen entschuldigt:

Bildschirmfoto 2024-09-10 um 07
Screenshot von Twitter/X

Der Post hat mittlerweile über 3000 Kommentare, viele davon sind sexistisch, rassistisch und islamophob.

Eine Entschuldigung macht nicht einfach alle Verletzungen weg, aber was zum Teufel ist mit unserer Debattenkultur los? Ein Fehler reicht, und trotz Schuldeingeständnis wenden sich alle von einem ab. Inklusive der eigenen Partei und dem eigenen Arbeitgeber. Keine Chance auf Vergebung und Wiedergutmachung. 

In den drei Tagen nach dem Missgeschick hat sich einzig die Operation Libero hinter Ameti gestellt, diese ist deren Co-Präsidentin. Alle anderen wollen nichts mehr mit dem einstigen Shootingstar der GLP zu tun haben. 

Wer einen Fehler macht, diesen einsieht und ihn wiedergutmachen will, hat eine zweite Chance verdient. Für Sanija Ameti gilt dies offenbar nicht. Ein einziger Instagrampost hat ihre Karriere abrupt beendet. Obwohl sie ihren Fehler sofort einsah und sich entschuldigte, folgten drastische Konsequenzen. Doch die Reaktionen der Öffentlichkeit und ihrer Partei werfen ein grelles Licht auf ein viel tieferes Problem.

Dass eine muslimische Frau mit Migrationshintergrund vom rechten Mob durch das Internet gejagt wird, überrascht leider nicht. Dass aber die GLP in einem Schnellschuss ein Ausschlussverfahren eröffnet, ist erbärmlich. Wenn man von einer Partei eine aktive Fehlerkultur erwarten darf, dann von der progressiven GLP.

Der Instagrampost könne «Ausdruck von Hass und Gewalt verstanden werden», heisst es in der Medienmitteilung. Dies habe in der GLP keinen Platz. Ameti habe das Ansehen der Grünliberalen beschädigt, damit sei die Voraussetzung für ein Ausschlussverfahren gegeben. Es scheint fast, als habe die Parteileitung nur auf den richtigen Moment gewartet, um die Politikerin so schnell wie möglich loswerden zu können. 

Gegenüber Kath.ch schreibt Ameti, dass sie wegen Morddrohungen unter Polizeischutz steht: «Es geht mir nicht gut, und ich weiss nicht, wie lange ich das noch aushalten kann.»

Undenkbar, dass ein Mann ohne Migrationshintergrund auf diese Art durch das Dorf getrieben wird. Es ist einer demokratischen Gesellschaft absolut unwürdig, dass jemand, der Fehler macht und sich sofort und aufrichtig entschuldigt, mit dem Tod bedroht wird. Was Ameti aktuell erlebt, ist durchtränkt von Rassismus und Sexismus.

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Simon Jacoby

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.

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Kommentare

Marcel Schmid
10. September 2024 um 07:22

Ein einziger Instagram-Post???

Ein einziger Post? Frau Ameti ist die Ober-Provokoateurin des Landes und weiss genau was sie tut! Sei es im Tarnanzug, bei Beleidigungen von Bundesratskandidaten, etc. etc. Sie hätte im Prozess der Bildauswahl aus einem Katalog - als ob es keine Zielscheiben im Schiesskeller gäbe -, beim sich fotografieren lassen der Aktion und des effektiven Posten, mehrere Möglichkeiten gehabt, sich zu überlegen ob sie das das tatsächlich tun möchte. Sie hat sich dafür entschieden, im klaren Bewussstsein, was das Bild auslösen wird.

Pascal B.
10. September 2024 um 08:49

Die Unsachlichkeit der vermeintlich Sachlichen

Von allen Seiten kommen hundert "Erklärungen", wieso dieser Fall die Schweiz so ins Mark trifft. Natürlich verwendet eine Seite inflationär das Wort "Dummheit", obwohl Ameti nun alles aber mit Sicherheit nicht kognitiv limitiert ist. Die andere Seite sieht gleich alles bei der Frauen und Migrantensache. Der Autor, der sich eine Versachlichung der Debatte wünscht, unterstellt dann aber selbst, dass das einem weissen Mann ja nie passieren würde. Ähm...kann man sich vielleicht noch an den Fall Alexander Müller (SVP) erinnern? https://t.ly/Xw0iu Selbstverständlich passieren diese Shitstorms auch anderen, selbst wenn ich nie bestreiten würde, dass Ameti aufgrund ihrer Identität anders beurteilt wird. Viel wichtiger wäre es mal, dass unsere Gesellschaft anhand dieses Falles reflektiert, wie sehr wir uns gegenseitig dazu reizen, auf absurde Weise nach Aufmerksamkeit der anonymen Internet-Gemeinde zu hecheln, die nur lesen und hören will, was sie bereits ohne hin bedingungslos glaubt.

Manuel
10. September 2024 um 09:21

Diesen Artikel kann ich leider nicht ganz nachvollziehen. Klar, Fehler kann und darf auch jeder machen. Aber als Schützin als Ziel ein solches Motiv zu wählen, scheint mir kaum unbedacht passiert zu sein. Es wäre interessant zu wissen, wie viele Schritte nötig waren, um überhaut erst an dieses Bild zu kommen, um es dann als Zielobjekt zu verwenden. Dass ihr während des gesamten Prozesses nicht einmal in den Sinn gekommen ist, dass es die Gemüter aufwühlen wird, kann ich mir kaum vorstellen. "Ich habe diesen (Post) sofort gelöscht, als mit der religiöse Inhalt bewusst wurde" ist auch unglaubwürdig. Hier auch wieder die Frage wie man überhaupt dazu kommt, genau dieses Motiv auszuwählen. An dieser Stelle liebe Grüße vom Hausverstand. Fragen über Fragen. Was die wahren Gründe waren, werden wir aber wahrscheinlich nie erfahren, jedoch interpretieren Menschen sehr gerne.

K. D.
10. September 2024 um 09:40

Stimmt so nicht. Man stelle sich vor ein rechter „bioschweizerischer“ Politiker, z.B. Glarner, hätte auf ein muslimisches Relikt, Koran o. ähnlich, geschossen und das idiotischerweise auch noch online gestellt… Ameti wäre wohl die erste gewesen, die voll auf den Typen eingedroschen hätte. Mit aller Wucht. Und mit ihr die ganze linksliberale Gefolgschaft inkl. Medien. Soviel zum Thema Rassismus, Sexismus, Islamfeindlichkeit. Pure Heuchelei.

Gamlo
10. September 2024 um 09:53

Mass und Ziel

👆Giacobbo,Deville u. Stämpfli äußern sich zu der Causa Ameti, Janija hat die Scene aufgewühlt, man zieht relativierende Vergleiche und Kalküle in Betracht und wägt sie mit Dünkel und Befindlichkeiten der ANDEREN ab, ist das eine journalistisch-gesellschaftliche Einordnung oder Relativismus, Ist da nicht zweierlei Mass am Zuge?

Adi
10. September 2024 um 11:16

Die üblichen Totschlag-Phrasen wie Sexismus, Rassismus, Xenophobie, Frauenfeindlichkeit etc. funktionieren in diesem Fall nicht. Die Täterin ist nicht das Opfer wie in diesem nett gemeinten Kommentar insinuiert wird. Aber das weiss der Autor wahrscheinlich selber. War wohl mehr ein tief verwurzelter Refelex…

Zeus
10. September 2024 um 11:30

Es ist wirklich hoch anzurechnen, dass jemand den Durchblick behält. Aber leider ist es so, dass, wenn Leute im Rausch sind und von so vielen Mitläufern umgeben, es das Gleiche ist, als würdest du im Zweiten Weltkrieg zu deinem Kameraden sagen: "Fahr sie nicht nach Auschwitz, sie sind unschuldig." Hoffnungslos.

Sandro Gutmann
10. September 2024 um 12:13

Die Geister die ich rief

Unter einer ''aufrichtigen'' Entschuldigung verstehe ich etwas anderes. Es war wohl eher ein halbherziger Versuch, ihre politische Karriere noch zu retten. Die Ansicht des Journalisten kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen, da Frau Ameti schon seit längerer Zeit als Provokateurin bekannt ist. Hätte diese Aktion ein SVP Exponent mit einem heiligen Symbol des Islams gemacht, dann wären wohl die Reaktionen zu recht genau gleich ausgefallen. Zu dem wäre wohl Frau Ameti an vorderster Front dabei gewesen, um es diesem Herren so ungemütlich wie möglich zu machen. Deshalb kann ich über den Vergleich mit einem Mann ohne Migrationshintergrund nur lachen.

Ani
10. September 2024 um 12:32

Oh nein Herr Jacoby

Sie ist für ihre Provokationen bekannt und ist einfach dieses Mal zu weit gegangen. Sie ist Täterin und nicht Opfer. Dazu hat sie sich nur entschuldigt, als sie realisiert hat, wieviel Backlasch ihre "Story" hatte..

Dominik
10. September 2024 um 16:18

Fehleinschätzung

geschätzter simon mich hat der post von sanija ameti negativ beeindruckt. dabei verstehe ich die diskussion um "Maria mit Jesus" nicht ganz - me. mein. nach müsste sich die diskussion viel mehr um die tatsache handeln, dass sanija das sujet einer zeitschrift verwendet hat, auf der eine "Mutter mit ihrem Kind" dargestellt ist und auf diese geschossen hat. bitte entschuldige aber wie kann ein MENSCH, der sowohl als auch in der öffentlichkeit steht ein bild von sich selbst mit einer Waffe posten, dazu "abschalten" kommentieren und auf ein bild einer mutter mit dessen kind schiessen? ich denke darüber müssen wir nicht diskutieren, oder? sanija hat es nicht verstanden - dies zeigt zumindest ihre entschuldigung, was ihr handeln unentschuldbar macht. es ist die tatsache, dass sie als politisch aktiver MENSCH unachtsam war. ein solches amt beruht auf disziplin und verantwortung. daher finde ich es von dir falsch, dass du den tatbestand jetzt mit sexismus runterspielen möchtest.

Dominik
10. September 2024 um 16:27

Fehleinschätzung 2

was den Rassismus betrifft, teile ich deine meinung. es darf und kann nicht sein, dass jetzt ihre Herkunft zum Thema gemacht wird - sei dies negativ oder positiv. fremdenhass hat in der CH keinen platz! trotz allem, war und ist es eine der dümmsten Aktionen die ich von einem politisch aktiven MENSCHEN in der CH bis jetzt gesehen habe. daher kann ich alle genannten konsequenzen nachvollziehen. tut mir leid für die karriere von sanija. so viel talent, so viel studium und dann so wenig fingerspitzengefühl...

Dani
10. September 2024 um 17:03

Extreme Ansichten

Hallo Zusammen Ich bin überzeugt das ich schon hunderte Fehler gemacht habe in meinen Leben. Das ist Grundsätzlich auch kein Problem. Aber Frau Ameti ist und wahr schon immer sehr krass in "Ihrer Meinung" unterwegs. Deshalb sehe ich das völlig anders als der Autor. Wer so zu andern ist, kann nach meiner Meinung jetzt kein Mitleid erwarten.

Martina
10. September 2024 um 19:09

Insta

Wer das Bedürfnis hat, sich auf Instagram der Welt mitzuteilen, wer so selbstverliebt und narzistisch ist, muss auch mit dem Echo der Welt umgehen können. Solche „Fehler“ sind dann halt global - und da gibt es kein Mitleid, selber schuld. Dafür kräht in 3 Monaten kein Hahn mehr danach….

Pized
10. September 2024 um 20:15

Das ist nunmal die Reaktion, die in Zeiten von überempfindlicher, woke, cancel-culture der Standard ist. Die Geister die ich rief und so… vor allem von linker Seite

Marc
10. September 2024 um 21:30

Übliche Floskeln

Es war ja klar, dass wieder die Täter/Opfer Umkehr erfolgt. Um gleich mal Ihre Argumente den Wind aus den Segeln zu nehmen: Bin nicht rechts, mag die SVP nicht, Atheist, mit einer Ausländerin verheiratet. Bin weder sexistisch noch islamophob. So, alle Vorurteile abgedeckt? Der Logik des Artikels nach, ist jeder Fehler zu entschuldigen? Ich soll also auch eine Entschuldigung eines Rassisten annehmen, wenn er meine Frau Sch.... Ausl..... nennt, falls er sich gleich danach freundlich entschuldigt? Was ist das für eine Logik? Es geht doch darum, was für ein Fehler passiert ist und ob man jemanden eine Entschuldigung glaubt, oder ob es nicht eher die Gesinnung ist? Sanija hat zu Corona Zeiten ungeimpfte Personen für die Toten verantwortlich gemacht! (Selber geimpft, kein Schwurbler!) So etwas von jemanden, der ständig Toleranz einfordert. Und jetzt das, mit voller Absicht provoziert. Ob das entschuldbar ist, entscheidet jeder persönlich. Ich will von so jemanden nicht regiert werden.

Nico
11. September 2024 um 07:44

Haben nur Christen religiöse Gefühle?

Hätte sie den Kuran abgefackelt oder den Propheten beleidigt wäre nichts passiert sogar als Meinungsfreiheit gefeiert Wo ist in diesem Fall die Meinungsfreiheit geblieben?