Verband kämpft rechtlich gegen Rückbau an Zürcher Velovorzugsroute
Im Frühjahr 2023 wurde die Velovorzugsroute an der Baslerstrasse eingeweiht. Im Rahmen eines bevorstehenden Bauprojekts will die Stadt auf einem Teilabschnitt die Markierungen wieder entfernen. Gegen diese Pläne hat der Verband Pro Velo Zürich Rekurs eingereicht.
Bis 2031 muss die Stadt ein durchgehendes und sichtbares Velonetz durch Zürich schaffen. So will es die Veloinitiative, zu der die Stimmbevölkerung vor fünf Jahren Ja gesagt hat.
Von insgesamt 50 Kilometern sind gemäss Zahlen des Tiefbauamts 4,3 Kilometer umgesetzt worden, was bisher zwei Velovorzugsrouten entspricht – eine davon ist die Route von Altstetten in den Kreis 4.
Am westlichen Ende dieser Route, entlang der Baslerstrasse und den umliegenden Quartierstrassen muss die Kanalisation erneuert werden. Im Zuge der bevorstehenden Bauarbeiten will das Tiefbauamt das Gebiet auch gleich umgestalten.
Die Platzverhältnisse auf der Strasse sollen neu verteilt werden, damit mehr Raum für Grünfläche entstehen kann. Dadurch soll beim Abschnitt, wo die Eisenbahnerstrasse in die Baslerstrasse mündet, bis nach vorne zur Altstetterstrasse ein Mehrzweckstreifen entstehen.
Das Problem? Durch die gesamte Baslerstrasse zieht sich heute die Velovorzugsroute durch. Das Tiefbauamt plant, die grünen Streifen auf dem Abschnitt Saumacker- bis Altstetterstrasse mit dem kommenden Bauprojekt zu streichen.
Harsche Kritik von Veloverband
Pro Velo Zürich kritisiert diese Strategie und hat gegen den Rückbau an der Baslerstrasse deshalb Rekurs eingereicht. Zu diesem Schritt sah sich der Verband veranlasst, weil «Einsprachen abgelehnt, Einwände übergangen und Lösungsvorschläge nicht aufgenommen wurden», wie es in der Medienmitteilung heisst. Mit dem Gang vors Gericht will man die Stadt zur Verantwortung ziehen.
Zusätzlich soll an der Baslerstrasse die Fahrbahn verengt werden. Wenn sich Velo- und Autofahrende eine schmale Strasse teilen müssen, «sind Menschen auf dem Velo dem Auto klar unterlegen», sagt Yvonne Ehrensberger, die Geschäftsleiterin von Pro Velo.
Der Verband spricht sogar davon, dass Velofahrende durch die Schmälerung als «Fleischbremsen» genutzt werden.
«Velofahrende werden dazu gezwungen, mit dem eigenen Körper zu signalisieren, dass Autofahrende Rücksicht nehmen sollen», erklärt Ehrensberger. Immerhin soll auf der Baslerstrasse gemäss Messungen ein täglicher Durchschnittsverkehr von knapp 6’000 Autos herrschen.
Auf der Strecke fahren nach wie vor sehr viele Autos. Nach der Definition der Stadt Zürich ist ein Mischverkehr auf den Velovorzugsrouten bei einem Durchschnittsverkehr von 2’500 Verkehrsmitteln möglich. Auf der Baslerstrasse wird dieser Wert jedoch um etwas mehr als das Doppelte überschritten.
Strecke entspricht nicht der Vorzugsroute
Auf Anfrage erklärt das Tiefbauamt, dass der Abschnitt Saumacker- und Altstetterstrasse seit 2021 eigentlich nicht mehr als Velovorzugsroute vorgesehen ist. Die Strecke gehört zum Basisnetz, weshalb damals die Markierungen angebracht wurden.
Das Netz gemäss Stadtplan ist jedoch entscheidend. Daher werden die Markierungen im Rahmen des Bauprojekts wieder entfernt. Zwischen der Luggweg- und Saumackerstrasse wird die Velovorzugsroute laut Tiefbauamt aber weiterhin bestehen bleiben.
Um das Problem des starken Durchgangsverkehrs auf der Route weiss die Stadt Bescheid. Besonders die Herdern- und Bullingerstrasse erweist sich dabei laut Tiefbauamt als «Knacknuss».
Zwar wurde dazu letztes Jahr ein Konzept entwickelt, umgesetzt wird es aber derzeit nicht. Es besteht die Befürchtung, dass der Verkehr auf dem ohnehin überlasteten Albisriederplatz ausweichen könnte. Über weitere geplanten Massnahmen gibt das Tiefbauamt derzeit keine Auskunft.
Ernüchternde Bilanz zur Halbzeit
Der Verband Pro Velo Zürich zieht zur Halbzeit der städtischen Velostrategie generell eine magere Zwischenbilanz. Seit der Eröffnung der ersten beiden Velovorzugsrouten gehe die Umsetzung der Pläne nur schleppend voran.
Von den durch die Initiative geforderten 50 Kilometern wurden bisher nur 4,3 Kilometer umgesetzt. Das wird wahrscheinlich auch vorerst so bleiben.
Denn viele der geplanten Velovorzugsrouten verzögern sich aufgrund von Einsprachen zahlreicher Anwohner:innen. Dabei stören sich die meisten am drohenden Abbau der Parkplätze. Das Tiefbauamt sei momentan dran, diese Einsprachen zu bearbeiten, damit die geplanten Projekte baldmöglichst umgesetzt werden können.
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