Bäckeranlage ohne Provisorium: «Wir fühlen uns von der Stadt im Stich gelassen»

Weil das Quartierzentrum über den Winter wegen Umbauarbeiten geschlossen bleibt, befürchten Anwohner:innen, dass sich die Situation auf der Bäckeranlage zuspitzen könnte. Dabei stand ein Pop-up mit Containern gar kurzzeitig zur Diskussion.

Stehen kritisch zur temporären Schliessung des Quartierzentrums: Anna Meo und Hannes Lindenmeyer. (Bild: Isabel Brun)

Auf der Bäckeranlage bleibt es selten ruhig. Für die einen ist die Parkanlage im Kreis 4 ein Brennpunkt, für andere ein Garten oder Spielplatz. Hier treffen Welten aufeinander. Und das sei auch gut so, findet Hannes Lindenmeyer.

Der 79-Jährige ist mehr als nur ein Anwohner. Seit fünf Jahrzehnten wohnt er im Kreis 4, widmete dem Stadtkreis zwei Bücher. Er setzte sich lange dafür ein, dass auf der «Bäcki» ein Quartierzentrum mit Restaurant entsteht. Nun lässt die Stadt das Gebäude aus dem Jahr 2003 umbauen. Über die Wintermonate werden die Küche sowie die WC-Anlagen erneuert, der gesamte Betrieb deshalb unterbrochen.

Dass die Bäckeranlage während sieben Monaten ohne das Quartierzentrum auskommen muss, bekommt Lindenmeyer gar nicht gut: «Dieser Treffpunkt ist sehr wichtig, damit die Stimmung nicht kippt.» Er befürchtet, dass sich die Situation im Park wieder verschlimmern könnte. Auch andere Anwohner:innen teilen diese Sorge.

Situation bleibt angespannt

Während des Sommers 2023 entwickelte sich die Bäckeranlage zu einem Drogen-Hotspot. Unter anderem, weil die Stadt die Kontakt- und Anlaufstelle – kurz K&A – im Kreis 4 ersatzlos geschlossen hatte. «Es wird konsumiert und gedealt, wie ich es seit den 2000ern nicht erlebt habe», sagte damals die Geschäftsleiterin des Restaurants, Funken Tan, zu Tsüri.ch.

Seit Ende September ist das Quartierzentrum samt Restaurant geschlossen. (Bild: Isabel Brun)

Zwar habe sich die Lage etwas entspannt, seit die Stadt im vergangenen Herbst ein K&A-Provisorium auf dem Kasernenareal eröffnet hat, sagt Lindenmeyer. Doch es sei ein schmaler Grat, auf dem sich die Stadt bewege.

Bleibe das Quartierzentrum alternativlos geschlossen, biete das einen guten Nährboden, dass Konsumierende und Dealer den Park wieder in Beschlag nehmen: «Es scheint, als habe die Stadt nicht viel von ihren Fehlern gelernt.» Lindenmeyer hätte sich gewünscht, dass man den Umbau im laufenden Betrieb realisiert; die Küche etappenweise ersetzt und WC-Wagen aufstellt.

Auch Anna Meo wäre diese Lösung lieber gewesen. Sie ist im Aussersihl-Quartier aufgewachsen und hat zwölf Jahre lang ein Restaurant an der Brauerstrasse unweit der Bäckeranlage geführt.

Erst im Sommer habe sie erfahren, dass das Quartierzentrum für ein halbes Jahr geschlossen wird: «Ich dachte erst, das sei ein schlechter Witz.» Gerade im Winter brauche es dringend geschlossene Räumlichkeiten, die als Treffpunkt oder für Veranstaltungen von der Nachbarschaft genutzt werden könnten, «damit die ‹Bäcki› belebt bleibt», sagt Meo.

Pop-up scheitert an städtischen Vorgaben

Genau das hätte es eigentlich geben sollen. Wie das Hochbaudepartement auf Anfrage schreibt, wurde im Frühjahr ein Pop-up mit Containern für den kommenden Winter ausgeschrieben. Allerdings sei nur eines der eingegebenen Projekte «als grundsätzlich realisierbar» bewertet worden. 

Mit Zeichnungen nehmen Kinder aus dem Quartier für ein halbes Jahr Abschied vom Quartierzentrum. (Bild: Isabel Brun)

Im Laufe der Konkretisierung habe sich gezeigt, dass die Umsetzung aufgrund der Beschaffenheit der Anlage und des Baumbestands deutlich komplexer gewesen wäre als ursprünglich gedacht. Daraufhin hätten sich die Einreichenden entschieden, die Eingabe zurückzuziehen. Ein Umbau des Quartierzentrums im laufenden Betrieb wäre laut der Stadt aufgrund des Umfangs der Arbeiten nicht möglich gewesen.

Hannes Lindenmeyer und Anna Meo geben sich mit dieser Antwort nicht zufrieden: «Wir fühlen uns von der Stadt im Stich gelassen.» Sie glauben, dass es die Verantwortlichen schlicht versäumt haben, rechtzeitig eine Alternative auszuarbeiten. Der Medienmitteilung zu entnehmen sind neben dem Hochbaudepartement auch Immobilien Stadt Zürich und das Sozialdepartement für die Sanierungsarbeiten zuständig.

Dass gleich mehrere Ämter involviert sind, mache es einfach, die Verantwortung abzuschieben, kritisiert Lindenmeyer: «Die Departemente blockieren sich gegenseitig.» Dabei wäre die Stadt mit solchen Alternativen vertraut. Aktuell wird in Wipkingen das Gemeinschaftszentrum instand gesetzt. Um das Angebot für die Quartierbevölkerung aufrechtzuerhalten, erstellte man unter anderem ein Bauprovisorium. 

Braucht die «Bäcki» ein Makeover?

Dem Hochbaudepartement zufolge will auch die Stadt nicht, dass sich die Situation auf der Bäckeranlage verschärft. Deshalb werde die Anlage weiterhin intensiv von den Teams der aufsuchenden Sozialarbeit und dem Team von «Ein Bus», das sich um Menschen am Rande der Gesellschaft kümmert, besucht. Zudem sollen eine kürzlich installierte Sportbox und soziokulturelle Angebote dazu beitragen, dass die Anlage von den Quartierbewohner:innen aktiv genutzt wird.

«Das Restaurant ist einer der wenigen Orte auf der Anlage, wo ich meine Kinder entspannt spielen lassen kann.»

Mino Luck, Anwohner

Für Mino Luck gehen diese Anstrengungen zu wenig weit. Seit 13 Jahren wohnt er mit seiner Familie hinter dem Feldschulhaus. Luck beobachtet die Entwicklungen auf der Bäckeranlage seit jeher – er ist im Quartier gross geworden.

«In den letzten zwei Jahren hat sich die Stimmung auf der Bäckeranlage verändert; sie ist zunehmend angespannt», sagt er. Seiner Ansicht nach müsste man an anderen Stellen ansetzen und die Anlage umgestalten. Vor allem die dichten Büsche sind ihm ein Dorn im Auge. Mit seinen beiden Kindern geht er nur noch ungern auf die «Bäcki». 

Dass nun auch noch das Restaurant für mehrere Monate geschlossen bleibt, bedauert auch Luck: «Es ist einer der wenigen Orte auf der Anlage, wo ich meine Kinder entspannt spielen lassen kann.»

Seine Anliegen habe er auch schon an einem sogenannten Walk-in kundgetan. Jeweils am letzten Donnerstag des Monats lädt die Quartierarbeit der Kreise 4 und 5 zu einem offenen Treffen. Dort sollen Anwohner:innen ihre Wünsche und Sorgen der Stadt mitteilen.

Auch Anna Meo und Hannes Lindenmeyer waren letztens an einem solchen Walk-in. Grundsätzlich eine gute Sache, sagen sie, «sofern man unsere Bedenken auch ernst nimmt», sagt Meo. Ihnen sei wichtig zu betonen, dass es nicht darum gehe, Konsumierende und Suchtkranke von der Anlage fernzuhalten. Man komme gut aneinander vorbei, sagt Lindenmeyer: «Aber ohne das Quartierzentrum ist es für die Anwohnerschaft nicht attraktiv, Zeit auf der ‹Bäcki› zu verbringen.»

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