Um 6 bis 9 Prozent höhere Mietpreise – und sie wollen noch mehr?!
Die Mietpreise in der Stadt Zürich haben sich in den letzten zwei Jahren um bis zu neun Prozent erhöht. Doch die Immobilien-Lobby hat noch nicht genug, wie der aktuelle Abstimmungskampf zeigt. Ein Gastkommentar.
Die Mietpreise sind in der Stadt Zürich innerhalb der letzten zwei Jahre um sechs bis neun Prozent erhöht worden – das zeigt eine aktuelle Auswertung der Stadt. Und zwar im Median aller Wohnungen, also inklusive den gemeinnützigen, wobei die gemeinnützigen deutlich weniger angestiegen sind als die kommerziellen. Damit bestätigt die Statistik das, was wir Mieter:innen tagtäglich erleben.
Diese Zahlen sind schwindelerregend. Und sorry to say: Die Verantwortlichen, also die Immo-Lobby, rüsten bereits zum nächsten Angriff. Am 24. November stimmen wir allen Ernstes darüber ab, ob Eigentümer:innen noch einfacher kündigen dürfen (wegen Eigenbedarf und bei Untermietverhältnissen). Erste Umfragen zeigen, dass diese Abstimmungen sogar Chancen haben. Hier kommen drei Gegenargumente.
1. Kündigungen führen zu höheren Mieten
Jede Kündigung bedeutet momentan: Unsere Mieten werden erhöht. Und zwar für uns alle. Besonders stark stiegen die Mietpreise von Neumieten, also wenn ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wurde. Bei jedem Mieter:innen-Wechsel verlangen Eigentümer:innen mehr und mehr Miete – oft, auch wenn sie in der Zwischenzeit rein gar nichts investiert haben.
Und je mehr hohe Mieten es in einem Quartier gibt, desto mehr nehmen sich weitere Eigentümer:innen heraus, ihre Mieten «quartierüblich anzupassen». Sprich: drastisch zu erhöhen. Und desto mehr Geld bezahlen Eigentümer:innen beim Kauf für den Boden, da sie davon ausgehen, dass man sowieso jede Frechheit an Miete verlangen kann. (Es ist wirklich so, fragt mal eure Banker-Tante oder euren Immoverwalter-Götti.)
2. Eigentümer:innen sind an der Macht
Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen. Wir wissen: Die Abstimmung vom 24. November wurde von Eigentümer:innen für ihre eigenen Interessen gemacht. Auch wenn die Kampagne frisch und bunt daherkommt, als hätten sie sich bei der Zürcher Wohndemo inspirieren lassen.
Während in der Schweizer Bevölkerung mit 60 Prozent Mieter:innen in der Mehrheit sind, sitzen im nationalen Parlament vor allem Eigentümer:innen: 70 Prozent der Ratsmitglieder besitzen eine Immobilie. Und genau dieses Parlament tischt uns nun diese dreiste Lüge auf, wir Mieter:innen würden damit irgendeinen Vorteil davontragen.
3. Untermieten sind nicht das eigentliche Problem
«Aber mich nerven die vielen Untermieten – wenn das mal verboten wird, dann bekomme ich doch eher eine Wohnung?» I feel you, es nervt, wenn die einzigen bezahlbaren Wohnungen auf Homegate immer Untermieten sind. Aber merkst du was: Sie sind bezahlbar, eben weil sie Untermieten sind! Würden diese alle aufgelöst, könntest du dir den neuen Mietzins auch nicht mehr leisten.
Es gäbe also keine einzige günstige Wohnung mehr dadurch. Leiden würden bloss alle, die noch als letzte Chance so Unterschlupf finden, alle Wohngemeinschaften und viele, viele Geschäfte. Und stell dir vor, du willst mal ein Jahr ins Ausland, währenddessen deine Wohnung an Freund:innen untervermieten und machst irgendeinen kleinen Formfehler im Formular – deine Verwaltung könnte dich innert 30 Tagen auf die Strasse stellen. Über sowas stimmen wir ernsthaft ab.
Wenn wir für die Interessen von uns Mieter:innen einstehen wollen, müssen wir am 24. November zwei deutliche «Nein» in die Urne werfen. Und für alle diejenigen unter euch, die aus Prinzip oder Langeweile nicht abstimmen wollen: Stimmt im Namen jener Leute ab, die kein Stimmrecht haben. Sie sind es nämlich, die am schlimmsten von dieser Entwicklung betroffen sind.
Schliess dich an: Stehen wir auf, erinnern wir alle unsere Nicht-Bubble-Bekannten daran. Und nehmen wir diese Abstimmung zum Anlass, uns mit unseren Nachbar:innen zu vernetzen. Die neueste Statistik der Stadt beweist, wie dringend es eine aktive Mieter:innenbewegung braucht.
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