Strike for Future fordert Arbeitszeitreduktion – auch im Namen des Klimas
Als ein Zusammenschluss von Klimastreik, Gewerkschaften, feministischen und sozialen Organisationen will Strike for Future, dass Lohnarbeit künftig verkürzt wird. Das würde nicht nur dem Klima gut tun, sondern auch andere gesellschaftliche Probleme angehen.
Im Klimapavillon am Werdmühleplatz ist es heute voller als sonst, die fünf Sprecher:innen, ein Fotograf und ein Filmer füllen den kleinen Raum beinahe aus. Und das, obwohl die Stühle vor dem Redner:innenpult fast leer bleiben – anscheinend reicht es den meisten Journalist:innen aus, die Pressekonferenz im Stream anzuschauen. «Zeit sparen, aber für wen?», steht auf einem Transparent geschrieben, das hinter den Sprecher:innen hängt. Fahnen schmücken den Raum.
«Ökologische und soziale Gesellschaft»
Strike for Future heisst das Bündnis, das zur Pressekonferenz im Pavillon eingeladen hat. Das Bündnis setzt sich aus dem Klimastreik, Gewerkschaften, feministischen Kollektiven und weiteren sozialen Organisationen zusammen. Es sei «eine logische Konsequenz auf die vielen verschiedenen Brennpunkte, denen wir heute begegnen», so Mattia De Lucia, Mediensprecher von Strike for Future. So vielschichtig die Probleme seien, so eindeutig sei derer Ursprung. Die Forderung des Bündnis ist laut De Lucia deshalb die Antwort darauf: Durch eine Verkürzung der Lohnarbeit sollen gleich mehrere Punkte angegangen werden.
«Wir wollen nicht nur zum Arbeiten leben.»
Dominik Fitze, Jugendsekretär syndicom
Weshalb das auch fürs Klima gut sei, führt die Sprecherin von Klimastreik, Anna Lindermeier, aus: «Das im Kapitalismus konstant geforderte Wachstum hat zu einer Ausbeutung von natürlichen Ressourcen geführt. Je mehr produziert wurde, desto mehr stiegen die CO2-Emissionen und somit die Erderhitzung.» Mit einer Reduktion von Arbeitszeiten könne diese «klimaschädliche Überproduktion» gestoppt werden. In der Pflicht sieht der Klimastreik einmal mehr die Regierungen, die multinationalen Ölfirmen und die Grosskonzerne. Dort würden die Produktionen kontrolliert werden, so Lindermeier. Die Arbeitszeitreduktion sei deshalb der erste Schritt in die Richtung «einer ökologischen und sozialen Gesellschaft.»
Die feministische Perspektive
Weil die gemeinsame Forderung der Organisationen mehrere Aspekte unserer Gesellschaft betreffen würde, sei auch eine feministische Perspektive darauf notwendig. So weist eine Sprecherin vom Forum Kritische Soziale Arbeit (KriSo) daraufhin, dass durch patriarchale Strukturen die Aufteilung in produktive und reproduktive Arbeit vergeschlechtlicht worden sei: «Obwohl das Geschlecht keine Rolle in der Verrichtung von Arbeit spielt, wird der produktive Bereich gesellschaftlich den männlichen Personen zugewiesen und der reproduktive weiblichen Personen», so Katja Blaser von KriSo. Diese Unterscheidung gehe in den allermeisten Fälle auf die Kosten letzterer.
Denn zu bezahlter Reproduktionsarbeit gehören laut Blaser Bereiche wie Pflege, Soziale Arbeit, Sozialpädagogik, Hauswirtschaft oder die Reinigungsarbeit. Hinzu komme, dass unbezahlte Care-Arbeit zu einem Drittel von weiblich gelesenen Personen verrichtet wird. Ein Problem, das zwar auch politisch immer wieder diskutiert wird, eine Lösung jedoch nicht in Sicht scheint. Anders sieht das Strike for Future: «Eine radikale Arbeitszeitverkürzung bietet das Potenzial, dieses Ungleichgewicht zu verändern und eröffnet die Chance, unbezahlte und bezahlte Sorge-Arbeit neu zu organisieren», so die Sprecherin.
Gewerkschaften ziehen mit
So ganz neu sei die Forderung nicht, so Dominik Fitze, Jugendsekretär bei syndicom: Schon Anfang des 20. Jahrhunderts hätten Arbeitnehmende und Gewerkschaften immer wieder für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft – mit Erfolg. Doch von einem Happyend will Fitze noch nicht sprechen. «Wir wollen nicht nur zum Arbeiten leben.» Doch die Realität sieht anders aus. Leider verlaufe die politische Diskussion derzeit oft in die falsche Richtung: «Anstatt Verkürzung haben sich Arbeit auf Abruf, Scheinselbstständigkeit und Unterbeschäftigung eingeschlichen. Und die Politik will sogar längere Arbeitszeiten für Festangestellte zulassen», so der Gewerkschaftler.
Am nächsten Aktionstag, dem 9. April 2022, planen die Mitglieder von Strike for Future deshalb, einen Diskurs dazu anzustossen. Im Fokus stehe dieses Jahr die politische Forderung nach einer radikalen Arbeitszeitreduktion bei einem würdigen Einkommen, so Mattia De Lucia. Denn es brauche unterschiedliche Modelle, da für verschiedene Branchen unterschiedliche Ausführungen sinnvoll seien. «Es ist jedoch klar, dass eine radikale Kürzung der Erwerbsarbeitszeit mit einem sozialgerechten finanziellen Ausgleich viele Vorteile mit sich bringt und als erster Schritt eines gesamtheitlichen Wandels angesehen werden kann.» Auch mit positiven Auswirkungen fürs Klima.