Karin Rykart kann nur scheitern

Diverse Politiker:innen decken Stadträtin Karin Rykart mit Kritik ein. Das eigentliche Problem sieht Redaktorin Lara Blatter aber nicht in der Sicherheitsvorsteherin selbst, sondern am Departement, das von patriarchalen Strukturen geprägt ist. Ein Kommentar.

Stadträtin Karin Rykart muss als politische Chefin der Polizei viel Kritik einstecken. (Bild: Simon Jacoby)

Eine Recherche von Kollege Simon Jacoby zeigt: Viele Politiker:innen sind unzufrieden mit der Sicherheitsvorsteherin. Der Tenor: Karin Rykart sei ängstlich, zeige wenig Führungsstärke, habe keine politische Vision. 

Seit 2018 ist Rykart Stadträtin. Zweifel daran, dass die Soziologin sich im hierarchisch geprägten Polizeiumfeld behaupten kann, wurden schon diverse Male rund um die Wahlen geäussert. Diese Stimmen denken jetzt bestimmt: «Haben wir es doch gesagt. Sie ist die Falsche.»

Es kann sein, dass die 52-Jährige etwas zurückhaltend ist. Auch ich wünschte mir eine Sicherheitsvorsteherin, die Mut zeigt, auch mal etwas falsch zu machen. Die den Machos im Departement Paroli bietet und ihnen auf den Füssen herumtrampelt. Die nach einem Polizeieinsatz hin steht und sagt, was Sache ist, statt sich in Schweigen zu hüllen – denn das kann Rykart gut.

Auch wünschte ich mir mehr Polizistinnen, dass Rykart die Critical Mass nicht kriminalisiert hätte oder dass wir eine Polizeikommandantin hätten und keinen Kommandanten. Schockiert hat mich das aggressive Verhalten der Stadtpolizei am diesjährigen feministischen Streik. Beim Paradeplatz wurde eine Demonstrantin von der Polizei an den Haaren zu Boden gezogen. Auch war ich irritiert, wie mit dem Gummigeschoss Unfall am 1. Mai umgegangen wurde: Die Stadträtin schwieg, als eine Person ihr Augenlicht verloren hat. 

«Es kann doch nicht sein, dass das Sicherheitsdepartement nur von Machos und alten weissen Männern geführt werden kann.»

Lara Blatter

Linksgrüne Kreisen ziehen Kollektiventscheide einer hierarchischen Führung vor. Sie lieben es zu diskutieren, bis sie einen Konsens finden. Verantwortung wird geteilt und von Alphatieren sehen sie ab. Und ich nehme schwer an, dass Rykart als grüne Politikerin ebenfalls diese Form von Führung in ihrer DNA hat. 

Doch mit all diesen linken Idealvorstellungen kommt man in der Polizei nicht weit. Befehle von oben, steile Hierarchien, Alphatiere – die Polizei funktioniert nur so. Was nun? Zwar mag ich mir nicht anmassen, ihre Führungsqualitäten einzuschätzen, denn Rykart ist nicht meine Chefin. Doch nüchtern und realistisch betrachtet, glaube ich der Kritik von den rund Dutzend Politiker:innen, mit denen wir gesprochen haben. 

Aber ganz ehrlich: Es ist unfair, all diese Kritik allein auf Rykart zu projizieren. 

Die Polizei kann nicht feministisch geführt werden

Denn aus einem feministischen Blickwinkel betrachtet, liegt das Problem bei den Strukturen. Da liegt der Hund begraben. Es kann doch nicht sein, dass das Sicherheitsdepartement nur von Machos und alten weissen Männern geführt werden kann.

Wer eine linke Haltung vertritt, ist gegen steile Hierarchien. Als linke Politikerin in diesem Amt kann man eigentlich nur scheitern, oder aber man mutiert selbst zur Patriarchin. Was generell nicht selten mit Frauen in Führungspositionen passiert. Um sich im Patriarchat zu behaupten und Karriere machen zu können, kopieren Frauen das Verhalten und den Führungsstil von Männern. Solche Frauen an den Spitzen von Unternehmen oder der Politik bringen uns nicht weiter. 

Wir brauchen Menschen, die auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen eingehen, ihnen auf Augenhöhe begegnen, sich als Mentor:innen statt als Vorgesetzte verstehen und die sich für eine inklusive und diverse Gesellschaft starkmachen. Wir brauchen Feminist:innen an den Spitzen. Auch an jener der Polizei. 

Dass sich gegenüber Tsüri.ch keine Politikerin mit Namen gegen die Stadträtin aussprechen wollte, verstehe ich leider sehr gut. Wir befinden uns in einem Dilemma: Die wenigen linken Frauen, die es in irgendeiner Form nach oben geschafft haben, wollen wir halten und nicht kritisieren. Denn wer würde folgen? Wahrscheinlich ein Mann oder eine Patriarchin. 

Die Frage ist also, wie muss ein Sicherheitsdepartement funktionieren, damit es auch von Linken, Frauen und Feminist:innen geführt werden kann? Damit sich alle sicher fühlen? Das bräuchte enorme Reformen, einen Umsturz des Systems und ein neues Selbstverständnis der Polizei. Rykart scheitert schlussendlich an einem System, das wir geschaffen haben und weit über unsere Stadtgrenze hinausgeht. Dass sie dieses allein umkrempeln soll, ist illusorisch.

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