Schuften für die Gesundheit: Das sagen die Betroffenen

Schon länger werden die Arbeitsbedingungen von Gewerkschaften und auch von den Pflegenden selber kritisiert. Wir haben zwei Betroffene und eine Arbeitgeberin zur Rede gestellt.

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Ein Akt des Aktivismus sorgte am 1. Mai dieses Jahres im pandemiebedingten Demonstrationsverbot für Aufsehen. Ausgestattet mit Schildern, darauf politische Botschaften, machte sich eine Pflegefachfrau vor dem Zürcher Ratshaus für bessere Arbeitsbedingungen stark. Kurz darauf wird die Aktivistin wegen Verstoss gegen das Covid-Versammlungsverbot verhaftet und abgeführt.

Diese Episode passt in die Debatte, welche in der Öffentlichkeit über die Pflege-Branche geführt wird. Die vorwiegend weiblichen Arbeitnehmer*innen gelten insbesondere auch während der Corona-Krise als systemrelevant, ihre Arbeit wird als «heldenhaft» bezeichnet. Doch die Pflegenden sind damit nicht zufrieden (hier in einem ausführlichen Artikel). Seit Jahren kritisieren sie die Arbeitsbedingungen: zu wenig Personal, zu viel Arbeit, zu wenig Lohn. Die Öffentlichkeit und die Politik nehmen diese Kritik zwar wahr, doch die Debatte verschwindet wie die Frau mit dem Schild vor dem Rathaus schnell wieder aus dem Fokus.

Natürlich gibt es auch die andere Perspektive, jene der Arbeitgebenden, welche mit Kostendruck, Bedürfnisse der Angestellten, Lohnbudgets und einem Wettbewerb zwischen den Pflegeeinrichtungen jonglieren müssen. Diese Perspektive kennt die Direktorin Pflege des Universitätsspitals Zürich, Gabi Brenner. Zusammen mit Sarah Vieth von «Care Work Unite!» und der Pflegefachfrau Nadine Deringer von der Gewerkschaft VPOD diskutierte sie an einer Veranstaltung von Tsüri.ch zum Thema «Schuften für die Gesundheit?».

Die drei Expertinnen sind sich zwar nicht in allen Punkten einig, doch es gibt durchaus Einigkeiten. Die Direktorin Pflege des USZ bezeichnet die Angestellten als die wichtigste Ressource, die ein Spital hat. Und: «Die Bedingungen müssen so sein, dass die Angestellten gut arbeiten können.» Als Vertreterin der Arbeitgebenden fordert sie bessere Bedingungen und nennt konkret Weiterbildungen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sowie mehr Flexibilität. Der finanzielle Lohn ist für sie nur ein Teil von vielen, welche zu einer Zufriedenheit am Arbeitsplatz führt.

«Es braucht schlicht mehr Lohn», fordert hingegen Sarah Vieth. Noch während dem Lockdown hat sie als Pflegefachperson im Triemli Spital gearbeitet. Inzwischen ist sie nicht mehr dort. Es fehlte ihr an Wertschätzung, an Lohn. Für die 13 Stunden Tage habe es nichts zusätzliches gegeben; ausser Osterhasen und gratis Mineralwasser.

Es sind diese Bedingungen, welche dazu führen, dass 43 Prozent der Pflegenden ihren Beruf verlassen.

Was ist denn eigentlich das Problem? Warum sind die Arbeitsbedingungen so schlecht? Warum nimmt der Kostendruck immer weiter zu und warum wird die Arbeitsbelastung immer grösser? Dafür gebe es verschiedene Gründe. Sarah Vieth führt aus, dass die Menschen älter werden, dass wir Menschen mehr behandelt werden und dass durch den Wohlstand die Ansprüche durch die Decke schiessen. Gleichzeitig müssen Spitäler wirtschaftlich profitabel sein und stehen in einem harten Konkurrenzkampf. Die Vertreterin von «Care Work Unite!» ist überzeugt: «Es wird sowieso immer teurer, wir können nicht sparen! Dass die Kosten runtergehen, ist eine Illusion.» Auch Gabi Brenner vom Universitätsspital stellt die Frage in den Raum, ob man mit Gesundheit Gewinne machen muss.

Was also tun?

Politisch aktiv werden ist eine Option, denn immer wieder sind sich die drei einig, dass auch ein grosser Teil der Verantwortung bei der Politik liegt. Die Pflegefachfrau Nadine Deringer ist bereits seit 20 Jahren aktivistisch. Damals ging es noch um die Berufsbezeichnung, auch der Lohn sei ein Thema gewesen. Das ist geblieben: «Ich bin jetzt 40 Jahre alt und habe seit 10 Jahren den gleichen Lohn.»

Nicht alle Pflegefachpersonen trauen sich, politisch aktiv zu werden, sagen Vieth und Deringer. Es drohe Repression von den Arbeitgebenden. Gerade jene Angestellte, die von der Stelle abhängig sind, seien aus Furcht zurückhaltend. Gabi Brenner betont die Meinungsfreiheit, der USZ fördere den Austausch mit Gewerkschaften.

Wir wollten nicht mehr die kranken Schwestern sein!

Nadine Deringer

Eine potentielle und ganz konkrete Verbesserung wird derzeit im Ständerat diskutiert. Es geht um die Pflegeinitiative und den Gegenvorschlag dazu. Kurz: Es soll mehr Geld fliessen. Niemand sagt etwas schlechtes über diese Initiative, man müsse sich dafür stark machen, meint Gabi Brenner.

Das einzige Problem ist, so Nadine Deringer, dass selbst bei einer Annahme der Initiative diese viel zu langsam umgesetzt werden würde. Es müsse schnell gehen, sonst drohe sich der Pflegenotstand weiter zu verschärfen.

Das ganze Podium kann man hier nachgucken!

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