Rosengartentunnel: Massive Gentrifizierung wie an der Weststrasse befürchtet

Täglich fahren rund 50’000 motorisierte Fahrzeuge die Rosengartenstrasse hoch und runter. Nun soll die Strasse in einen Tunnel verlegt werden. Welche sozialen Auswirkungen hätte dies auf die Quartiere Höngg und Wipkingen? Ist mit einer Welle der Gentrifizierung zu rechnen? Das Interview mit Simone Brander SP-Gemeinderätin, Mitglied der Verkehrskommission und Vorstandsmitglied VCS.

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Bild: Elio Donauer

Simone Brander, wie stimmst du am 9. Februar beim Rosengartentunnel?

(lacht) Nein!

Aber wenn die Autos unter dem Boden sind, dann haben wir oben Ruhe. Das ist doch gut!

Wenn wir die Autos unter den Boden verstecken, dann lösen wir keine Probleme. Am Anfang und am Ende des Tunnels kommen diese ja wieder nach oben. Der Tunnel mit 2,3 Kilometern Länge würde nur ein sehr kurzes Stück von 700 Metern beruhigen. Der ganze Rest der Stadt würde zusätzlich belastet durch den entstehenden Mehrverkehr. Zudem: Oberhalb des Tunnels kommt keine Quartierstrasse hin, sondern eine vierspurige Strasse mit zwei Tramgleisen und zwei Spuren für Autos.

Also soll alles so bleiben wie es ist und die rund 50’000 Autos weiterhin jeden Tag quer durch die Stadt brettern?

Es soll nicht alles so bleiben, wie es ist. Aber jetzt können wir am 9. Februar nur Ja oder Nein zum vorliegenden Projekt sagen. Selbst wenn wir jetzt Ja sagen würden, gäbe es die nächsten zwölf Jahre keine Besserung, weil das Projekt frühestens 2032 fertiggestellt wäre. Während fast zehn Jahren würden die betroffenen Quartiere unter den Baustellen leiden.

Du hast das Projekt auch als «Stadtzerstörung» bezeichnet. Wieso?

Ganz einfach, weil bestehende Infrastruktur zerstört würde. Im Moment geht man davon aus, dass zwölf Gebäude abgerissen werden müssten, dass der Wipkingerplatz, der eigentlich als Quartierplatz gedacht ist, der doppelstöckigen Tunneleinfahrt weichen müsste, dass Bäume gefällt würden und dass beim Irchelpark wichtige Grünflächen verschwinden würden. Folglich wird die Stadt zerstört.

Die Stadt scheint aus dem Weststrassenfiasko nichts gelernt zu haben.

Falls der Tunnel kommt, welche Auswirkungen hätten die angrenzenden Quartiere zu erwarten?

In einer sozialräumlichen Studie hat die Stadt Zürich untersucht, wem die Liegenschaften an der Achse Rosengarten- und Bucheggstrasse gehören. Direkt an der Achse ist alles in privatem Besitz. Wenn die Quartiere nun aufgewertet werden, dann gibt es ein enormes Potenzial für steigende Mieten und Bodenpreise.

Ist also eine massive Gentrifizierung wie bei der Weststrasse zu erwarten?

Ja, die Stadt scheint aus dem Weststrassenfiasko nichts gelernt zu haben, die Anwohnerschaft wurde nach der Beruhigung der Strasse quasi ausgewechselt. Auch hier an der Rosengarten- und Bucheggstrasse hätte die Stadt Liegenschaften aufkaufen müssen. Dafür ist es nun zu spät.

Viele der Wohnungen an der Rosengartenstrasse sind stark Lärm und Feinstaub belastet, zudem oft in einem miserablen Zustand.

Natürlich wollen wir das nicht. Das Argument, dass sich mit dem Rosengartentunnel für die heute dort wohnhaften Menschen etwas bessern würde, ist einfach scheinheilig. Die Liegenschaften sind in Privatbesitz, folglich würden die heutigen Mieter*innen nicht von der Aufwertung profitieren, sondern würden vertrieben.

Demnächst werden wir in der Stadt auch über die Juso-Initiative abstimmen, welche eine autofreie Stadt fordert. Siehst du einen Zusammenhang zwischen den beiden Vorhaben?

Nein, nicht direkt. Die Juso-Initiative ist als Diskussionsanregung gedacht und zielt auf die Quartierstrassen. Und die Rosengartenachse ist leider keine Quartierstrasse.

Die Aufwertungen müssen abgefedert werden!

Auch dort: Werden die Autos aus der Stadt verbannt, würden die Bodenpreise und Mieten steigen, die soziale Vielfalt würde leiden, wenn nicht im Voraus Anti-Verdrängungsmassnahmen getroffen werden.

Ja, egal ob beim Rosengartentunnel oder bei der Autofrei-Initiative: Wir dürfen nach der Weststrasse nicht wieder ins offene Messer laufen! Die Stadt soll Liegenschaften kaufen und einen Planungsstopp einlegen, die Aufwertungen müssen abgefedert werden. Wir brauchen auch mehr Massnahmen, um die Lärmgrenzwerte einzuhalten, denn Lärm ist schlecht für die Lebensqualität und beeinträchtigt beispielsweise den Schlaf massiv. Ich sehe aber mehr Zusammenhang zur Klimapolitik, als zur Autofrei-Initiative.

Inwiefern?

Es ist doch ein absoluter Widerspruch, für den Rosengartentunnel so viel Geld für ein Projekt in die Hand zu nehmen, das all unseren Klimazielen entgegensteht. Wie soll das zusammengehen? Netto null CO2 bis zum Jahr 2030, aber grössere und bessere Infrastruktur für Autos?!

Zum Schluss: Denkst du, wird der Tunnel an der Urne angenommen?

Das ist schwierig zu sagen. Die Abstimmung wird wohl auf dem Land entschieden werden und ich hoffe, dass auch diese Leute realisieren, dass es extrem viel Geld für sehr wenig Nutzen ist. Für mich ist der Ausgang völlig offen.

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Simon Jacoby

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.

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