Budget 2026: Was die Stadt sich leistet und warum
Zwei Tage lang feilte der Gemeinderat am Budget fürs kommende Jahr – und diskutierte dabei einmal mehr über die Dauerthemen Wohnen, Verkehr und Polizei.
Der Gemeinderat debattierte diese Woche über das Budget 2026. Also über die Frage, wie viel Geld nächstes Jahr in welches Kässeli fliesst.
Diskutiert wurde über Ausgaben von 11,32 Milliarden Franken bei erwarteten Einnahmen von 10,96 Milliarden Franken. Finanzvorsteher Daniel Leupi rechnete zunächst von einem Defizit von rund 352 Millionen Franken. Und selbst nach den Bereinigungen durch den Gemeinderat bleibt das Budget am Donnerstagabend im Minus: Die geplanten Ausgaben dürften zu einem Defizit von etwa 322 Millionen Franken führen.
600 Millionen Franken für Liegenschaftskäufe
Der Gemeinderat erhöhte am Mittwoch die Mittel, Liegenschaften zu kaufen, auf 600 Millionen Franken – ein Entscheid, der schon im Vorfeld hitzige Diskussionen auslöste.
Ursprünglich hatte der Stadtrat 500 Millionen Franken für den Erwerb von Wohnhäusern vorgesehen. SP, Grüne und AL forderten 100 Millionen mehr, die GLP 150 Millionen Franken weniger und die bürgerlichen Parteien wollten die Investitionen komplett streichen.
Die SP betonte die Notwendigkeit hoher Investitionen, um das Drittelsziel für gemeinnützigen Wohnraum zu erreichen. Lara Can bezeichnete Zürich als «finanziell kerngesund» und sagte, Investitionen in städtischen Boden seien der heutigen und künftigen Bevölkerung geschuldet.
Die FDP kritisierte die Erhöhung scharf. Präsident Përparim Avdili nannte die Anträge «realitätsverweigernd» und argumentierte, die zusätzlichen Mittel würden die Wohnungsnot nicht lösen. Er warnte vor Schulden, die künftige Generationen belasten würden.
«Hoppla-hopp-Zusammenkaufstrategie»
Karin Stepinski (Mitte) über die Liegenschaftskäufe
Auch die SVP lehnte zusätzliche Mittel ab. SVP-Gemeinderat Johann Widmer kritisierte die rot-grünen Pläne als finanzielle Masslosigkeit und sprach von «Kamikaze-Genossen».
Die GLP plädierte für eine Begrenzung auf 350 Millionen Franken. Sven Sobernheim (GLP) betonte, strategische Käufe seien sinnvoll, aber nur in diesem Rahmen. Karin Stepinski (Mitte) warnte vor der «Hoppla-hopp-Zusammenkaufstrategie», da es nur begrenzt geeignete Objekte gebe. Investitionen müssten klaren Mehrwert schaffen und dürften nicht «um jeden Preis» erfolgen.
Die Stadt werde weiterhin Liegenschaften kaufen, aber nicht um jeden Preis, sagte Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne). Er warnte davor, das Thema zu stark zu bevorzugen: «Es macht keinen Sinn, eine Aufgabe derart zu priorisieren.»
Trotz der Einwände setzte sich der rot-grüne Block gemeinsam mit der parteilosen Sanija Ameti durch. Die Mittel für Liegenschaftskäufe wurden auf 600 Millionen Franken festgelegt.
Steuersenkung gescheitert
Die grosse Frage, pünktlich zu Mitternacht am Donnerstag; müssen/dürfen Zürcher:innen bald weniger Steuern zahlen? Die Antwort ist schlicht und unaufgeregt: Nein.
Der Steuerfuss bleibt damit auch 2026 bei 119 Prozent.
Florian Utz (SP) warnte davor, dass eine Senkung die Steuerzahler:innen gar nicht entlasten würde. Eine dreiprozentige Senkung entspräche rund fünfzig Franken pro Person – «ein Tropfen auf den heissen Stein» und keine echte Entlastung des Mittelstandes. Unterstützung erhielt er von Grünen und AL.
Sven Sobernheim (GLP) widersprach. Wenn die Stadt den Steuerfuss um drei Punkte senke, bleibe der Bevölkerung insgesamt 60 Millionen Franken mehr. Die SVP verlangte gar eine Senkung um sieben Prozentpunkte. FDP-Gemeinderätin Martina Zürcher warnte, hohe Steuern könnten gut verdienende Haushalte aus Zürich wegtreiben.
Karin Weyermann (Mitte) hielt der Linken vor, das Risiko zu unterschätzen: «Wenn die guten Steuerzahler:innen weggehen, dann habt ihr euer Geschenk.» Die Mitte stellte sich deshalb hinter die Forderung nach einem Satz von 116 Prozent.
Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) wies das Bild einer abwandernden Bevölkerung zurück. Zürich gewinne Jahr für Jahr neue, gut zahlende Steuerpflichtige, sagte er. Von einem solchen Drama könne keine Rede sein.
Die Minderheitsanträge scheiterten: Die Senkung auf 116 Prozent erhielt 60 Ja-Stimmen, jene auf 112 Prozent keine einzige. Die Beibehaltung bei 119 Prozent setzte sich mit 64 Stimmen durch.
Gemeinderat stoppt Verkauf von Energie 360°
Der Gemeinderat sprach nicht nur Gelder aus, er griff auch in Verkaufsverhandlungen ein. Das Parlament hat die 240’000 Franken für die Verkaufsverhandlungen mit den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ) gestrichen – und damit den geplanten Verkauf von Energie 360° faktisch beendet. Der Entscheid fiel knapp, mit 64 zu 60 Stimmen.
AL und SP hatten beantragt, das Geld zu streichen. Bevor der Stadtrat weiter verhandle, brauche es eine saubere Auslegeordnung der Tatsachen. Dominik Waser (Grüne) bemängelte, der Stadtrat habe zu spät oder gar nicht informiert, der Rat sei «vor vollendete Tatsachen» gestellt worden.
Die Gegenseite reagierte verärgert. Përparim Avdili (FDP) forderte die Gegenseite auf, zuerst die Analyse abzuwarten. Beat Oberholzer (GLP) warf der linken Mehrheit vor, dem Verkauf bewusst Steine in den Weg zu legen.
Zum Schluss nahm der zuständige Stadtrat Michael Baumer (FDP) Stellung. Die Stadt sei seit Jahren alleinige Hauptaktionärin von Energie 360° – eine Konstruktion, die kaum noch Sinn ergebe. Die EKZ habe als einzige Interessentin eine Offerte eingereicht, die derzeit geprüft werde.
Baumer zeigte sich irritiert: «Sie wollen nicht einmal sehen, was in der Offerte steht, bevor Sie sie ablehnen.» Ohne den Kredit könne das Departement nicht weiterverhandeln. «Wenn Sie diesen Betrag streichen, ist der Prozess beendet.»
Mit dem knappen Mehrheitsentscheid muss der Stadtrat nun neu beurteilen, wie es weitergeht.
Schlappe für Brander: Aus für «Dialogprozess» der Rosengartenstrasse
Was wäre eine Gemeinderatssitzung ohne Diskussion um die Rosengartenstrasse?
Diesmal wurde über die Finanzierung des Dialogprozesses «Zukunft Rosengarten» diskutiert. Die Stadt wollte mit dem Prozess verschiedene Akteur:innen einbinden, um die stark befahrene Einfahrtsachse stadtverträglicher zu gestalten.
Grüne und SP waren für das Budget von 150’000 Franken; Felix Moser (Grüne) sagte, es gebe noch wichtige Fragen zu klären: Der Tunnel sei zum Beispiel weiterhin im kantonalen Richtplan enthalten, die Debatte sei noch lange nicht abgeschlossen.
Die restlichen Parteien aber waren dagegen. Die GLP bezeichnete das Vorhaben als «Pseudomitwirkung», die AL kritisierte, dass daraus kein echter Prozess entstehe. Auch die SVP stimmte in dieser Einschätzung zu: Die Stadt nehme nur genehme Argumente auf, kritische Meinungen blieben unberücksichtigt.
Am Ende stimmte die Mehrheit aus SVP, FDP, GLP, Mitte/EVP und AL dafür, die 150’000 Franken zu streichen. Der Dialogprozess ist damit vorerst gestoppt.
Simone Brander (SP), Tiefbauvorsteherin, erklärte, der Dialogprozess sei wichtig, um alle Stakeholder:innen einzubeziehen. Sie bedauerte die Kürzung, betonte aber: «Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.» Ihr Departement werde nun prüfen, wie es weitergehe.
Weitere Themen aus dem Rat
Polizei I: Der Gemeinderat diskutierte am Mittwoch über zusätzliche Stellen für die Stadtpolizei. Vorgesehen waren 17 neue Frontstellen. Moritz Bögli (AL) wies darauf hin, dass bei der Stadtpolizei zurzeit 90 Stellen unbesetzt seien. «Dann macht es keinen Unterschied, wenn wir 17 neue schaffen.» Der Grund für zusätzliche Stellen sah Stefan Iten (SVP) darin, dass die Polizist:innen überlastet seien, besonders an Wochenenden. Schliesslich fand der Gemeinderat einen Kompromiss, den SP, AL, Grüne und GLP unterstützten. Mit 78 zu 46 Stimmen genehmigte er neun neuen Stellen. Gleichzeitig verpflichtete ein Postulat den Stadtrat, zu prüfen, ob bei wiederkehrenden Grossveranstaltungen und Demonstrationen weniger Polizei eingesetzt werden kann.
Polizei II: Hörst du es schon knattern? Das sind die neuen Taser der Stadtpolizei Zürich. Genauer gesagt die X10-Geräte, die schon bald die alten X7-Modelle ersetzen sollen. Der Rat stimmte mit 89 zu 32 Stimmen dafür. Die neuen Geräte würden grössere Magazinkapazität und höhere Präzision bieten, und die alten Modelle würden nicht mehr produziert, erklärte Grüne-Stadträtin Karin Rykart. Abgelehnt worden ist hingegen, dass jede Patrouille ein Gerät mitführen soll, wie FDP, GLP und die Mitte forderten. Der SVP wäre es noch lieber gewesen, dass jede Polizeikraft ein Taser mitträgt.
Finanzielle Unterstützung für zwei Kleinkunsttheater: Der Gemeinderat hat beschlossen, zwei Kleinkunsttheatern in Zürich kurzfristig finanzielle Unterstützung zu gewähren: dem Theater Keller62 und dem Theater Stok. Beide Häuser würden finanziell unter Druck stehen, aber einen wichtigen Beitrag zur städtischen Kulturlandschaft leisten, sagte Vizepräsident Ivo Bieri (SP). Die Minderheit im Rat kritisierte die Auswahl der beiden Theater.
Stadtpräsidentin Corine Mauch wies auf rechtliche Hürden hin: Separate Zahlungen ausserhalb des bestehenden Förderprogramms für Tanz und Theater seien derzeit nicht zulässig. Der Stadtrat habe sämtliche Spielräume ausgeschöpft. Jede Änderung des Systems würde eine Volksabstimmung erfordern. Der Gemeinderat liess sich davon nicht beeindrucken. Die Mehrheit aus SP, Grüne und FDP sprachen gegen den Widerstand von Mitte/EVP, AL und SVP 50'000 Franken für das Theater Keller 62 sowie 35'000 Franken für das Theater Stok.
Fünf Millionen für humanitäre Hilfe im Ausland: Der Gemeinderat hat beschlossen, das Budget für humanitäre Hilfe von bisher zwei auf fünf Millionen Franken zu erhöhen. SP, Grüne und AL setzten sich damit gegen drei Minderheitsanträge durch. Und auch das Budget zugunsten der Entwicklungsländer wurde um weitere zwei Millionen, auf gesamthaft zwölf Millionen erhöht.
VBZ-Ausbildung soll verlängert werden: Auf Initiative von Tanja Maag (AL) und Jonas Keller (SP) muss der Stadtrat prüfen, wie die Ausbildungszeit für Bus- und Tramfahrer:innen bei den VBZ verlängert werden kann. Aktuell dauert die Busausbildung 11 bis 14 Tage, die Tram-Ausbildung rund zwei Monate. Ziel ist, dass die Fahrer:innen nicht ausgelaugt in den Arbeitsalltag starten und sich sicherer fühlen. Dafür würden vier zusätzliche Ausbildungsstellen und zusätzliches Fahrpersonal benötigt. Eine Budgetaufstockung von 400'000 Franken wurde beantragt. Stadtrat Michael Baumer (FDP) kritisierte den Antrag: Eine Verlängerung ohne konkretes Konzept sei wenig zielführend. Wer mehr Zeit benötige, könne sie bereits heute erhalten. Dennoch werde der Stadtrat das Postulat im Rahmen der geplanten Überarbeitung des Ausbildungskonzepts bis Ende 2026 prüfen. Der Gemeinderat stimmte dem mit 64 zu 60 Stimmen zu.
Budget für Pilotprojekt zur Viertagewoche: Zürich soll im kommenden Jahr einen wissenschaftlich begleiteten Pilotversuch zur Viertagewoche in privatwirtschaftlichen Unternehmen unterstützen. Dafür werden 40'000 Franken bereitgestellt. Die Entscheidung fiel knapp: 64 Ratsmitglieder stimmten dafür, 61 dagegen. Kritiker:innen, vor allem aus SVP, FDP, Mitte/EVP und GLP, hielten die Investition für überflüssig und Experiment der Privatwirtschaft. Die Befürworter:innen argumentierten, dass ein Pilotversuch wichtige Erkenntnisse liefere und der Umsetzung anderer Projekte nicht vorgreifen müsse. Das Projekt soll bereits 2026 starten und Unternehmen die Möglichkeit geben, die Vier-Tage-Woche unter realen Bedingungen zu testen und wissenschaftlich zu begleiten.
Verkehrssicherheit an Kreuzungen soll erhöht werden: Der Zürcher Gemeinderat hat eine zusätzliche Stelle in der Dienstabteilung Verkehr bewilligt. Diese soll die Verkehrssicherheit an Kreuzungen verbessern. Oft würden Knotenpunkte bei grossen Verkehrsprojekten ausserhalb des Projektierungsperimeters fallen, sodass Nachbesserungen verzögert werden, begründete die SP den Antrag. AL und Grüne stimmten zu. Die Gegenseite kritisierte, dass zusätzliche Stellen die Zuständigkeiten verwässern könnten und nicht automatisch zu mehr Sicherheit führten. Am Ende stimmten 64 Ratsmitglieder für die 130’000 Franken.
Stelle für grosse Veranstaltungen bleibt: Jobtitel: «Projektleiter:in für grosse Veranstaltungen». Klingt komisch? Ist aber tatsächlich eine Stelle. Die Person koordiniert, plant und überwacht Grossanlässe wie das Züri Fäscht oder die Rad-WM, die bei vielen Zürcher:innen noch immer gemischte Erinnerungen hinterlässt. Der Rat diskutierte darum: Brauchen wir diese Stelle? Nein, sagte Urs Riklin von den Grünen. Der Stadtrat solle zunächst klären, wie viele Grossveranstaltungen überhaupt stattfinden und unter welchen Rahmenbedingungen sie organisiert werden. Johann Widmer (SVP) ergänzte, dass Feste wie das Züri Fäscht von privaten Vereinen getragen werden sollten. Anderer Meinung war neben der SP auch die GLP. Sven Sobernheim (GLP) sagte: «Wer kritisiert, dass die Rad-WM scheisse war; das ist die Lösung.» Die FDP schloss sich dem an. Mit 74 Ja (GLP, SP, Mitte, FDP)- zu 48 Nein (Grüne, AL, SVP) -Stimmen bleibt die Stelle für 2026 im Budget.
Geld für Frauenfussball! Auch der Fussball beschäftigte den Gemeinderat in zwei Anträgen. Erstens sollen künftig auch Frauen im Letzistadion Fussball spielen dürfen. Dazu wurden 1,8 Millionen Franken ins Budget aufgenommen. Der Stadtrat und sämtliche Fraktionen – mit Ausnahme der SVP – unterstützten den Vorstoss. Zweitens sprach der Rat zusätzlich 2 Millionen Franken zu den bereits bewilligten 14,33 Millionen, um weitere sogenannte Legacy-Projekte umzusetzen, die im Rahmen der UEFA Women’s EURO angestossen worden waren.
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Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.