Flugfreude der Stadtbevölkerung bringt Klimaziel Netto-Null bis 2040 ins Wanken
Obwohl die CO₂-Emissionen auf Stadtgebiet im letzten Jahr reduziert werden konnten, rückt das Klimaziel Netto-Null bis 2040 in weite Ferne. Schuld daran ist insbesondere die Flugfreude der Bevölkerung, wie ein neuer Bericht des Zürcher Stadtrats zeigt.
15 Jahre bleiben der Stadt noch, um ihr Klimaziel Netto-Null bis 2040 zu erreichen. Welche Massnahmen greifen und wo es noch Luft nach oben gibt, hat die Regierung in einem neuen Zwischenbericht festgehalten.
Diesen haben die zuständigen Stadträt:innen heute den Medien präsentiert. «Die Stadt befindet sich bei den direkten Emissionen auf Kurs», sagte Andreas Hauri (GLP), der Vorsteher des Gesundheit- und Umweltdepartements, an der Medienkonferenz.
Doch leider sind die Zahlen von 2024 nicht nur positiv. Denn während die direkten Treibhausgasemissionen – also jene, die auf Stadtgebiet verursacht werden – im Vergleich zum Vorjahr gesenkt werden konnten, stiegen die indirekten Emissionen laut der Auswertung gar an.
Darunter fallen beispielsweise Ernährung, Konsum oder Flugreisen der Bevölkerung. Letzteres würde einen wesentlichen Teil des CO₂-Ausstosses ausmachen: «Man kann sagen, dass Stadtzürcher:innen gerne und oft fliegen», so Hauri.
In die Ferien zu fliegen bleibt beliebt
Im Verhältnis zum Vorjahr haben die von den Zürcher:innen zurückgelegten Flugkilometer um acht Prozent zugelegt. Besonders häufig führen die Reisen nach London, Berlin oder Mallorca. Für die kommenden Jahre würden Fachleute mit einem weiteren Anstieg der Flüge in der gesamten Schweiz rechnen, heisst es im Bericht. Gründe dafür seien unter anderem die hohe Kaufkraft, günstige Flugtickets sowie ein wachsendes Angebot an Flugzielen.
Um diese Entwicklung einzudämmen, will die Stadtregierung verstärkt sensibilisieren und auf klimafreundlichere Alternativen aufmerksam machen. Zudem fordert sie einen Ausbau des europäischen Nachtzugnetzes. «Hier braucht es mehr Effort», betont Hauri. Dabei kritisiert er auch die Politik auf Bundesebene. Diese sei derzeit nicht auf demselben Kurs wie Zürich.
Trotz der Herausforderungen «macht die Stadt vorwärts bei der Umsetzung der Klimaziele», sagt Hauri. Zwar verursacht der motorisierte Individualverkehr gemäss dem aktuellen Klimaschutzbericht noch immer einen erheblichen Teil der direkten Emissionen, doch seit 2022 konnten diese durch alternative Verkehrsmittel gesenkt werden.
Grosse Hoffnung auf Fernwärme
«Mit dem Ausbau von Angeboten wie ‹Züri Velo› werden zusätzliche Anreize geschaffen, um auf das Auto zu verzichten», erklärt Simone Brander (SP), Vorsteherin des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements. In den nächsten Jahren sollen diese Anreize durch eine verbesserte Veloinfrastruktur weiter gestärkt werden.
Parallel dazu setzt die Stadt auf autofreie öffentliche Räume, wie die Pläne für den neuen Hauptbahnhof bereits zeigen würden. Auch die städtische Fahrzeugflotte soll in Zukunft nur noch elektrisch betrieben sein. Bereits 2024 hätten 78 Prozent der neu angeschafften Fahrzeuge einen alternativen Antrieb gehabt.
«Zürich lässt sich fossilfrei heizen.»
Michael Baumer, Vorsteher des Departements der Industriellen Betriebe
Neben der Mobilität will die Stadt den Fokus vor allem auf die Gebäudeemissionen legen: Die meisten direkten Emissionen werden durch Heizsysteme in verursacht. Der Umbau der Wärmeversorgung gilt daher als der bedeutendste Ansatz auf dem Weg zu Netto-Null.
Entsprechend will die Stadt den Ausbau der Fernwärme zügig vorantreiben und das Gasnetz in den ausgebauten Gebieten stilllegen. Letztes Jahr konnte dies in Zürich-Nord bereits vollständig umgesetzt werden. Ab 2030 sollen Altstetten und Tiefenbrunnen folgen.
Die Stadt rechnet damit, dass bis 2040 etwa 46 Prozent des Wärmebedarfs durch Fernwärme gedeckt werden kann. «Unsere aktualisierte Energieplanung zeigt: Zürich lässt sich fossilfrei heizen», sagt Michael Baumer (FDP), Vorsteher des Departements der Industriellen Betriebe.
Vor drei Jahren hat das Stadtzürcher Stimmvolk den Klimazielen Netto-Null mit einer Mehrheit von 75 Prozent zugestimmt. Bis 2040 sollen die direkten Treibhausgasemissionen vollständig auf null sinken. Die indirekten Emissionen pro Einwohner:in sollen gegenüber 1990 um 30 Prozent reduziert werden, was einem Zielwert von rund sieben Tonnen pro Kopf entspricht.
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Nach der Ausbildung zur Kauffrau EFZ beim Sozialdepartement der Stadt Zürich folgte die Berufsmaturität an der KV Zürich mit Schwerpunkt Wirtschaft. Anschliessend Bachelorabschluss in Kommunikation und Medien mit Vertiefung Journalismus an der ZHAW. Erste journalistische Erfahrungen als Praktikantin in der Redaktion von Tsüri.