Rathausbrücke & Co: Zürcher Bauprojekte werden teurer als geplant

In Zürich wird gebaut und nachfinanziert. Rathausbrücke, Sportzentrum Oerlikon, Tonhalle: Millionen verschwinden in «Planungslücken». Wir haben nachgerechnet, was wir mit all den Zusatzkrediten sonst so hätte anstellen können.

Visualisierung der Rathausbrücke, oberwasserseite mit Beleuchtung
Die neue Brücke wird kleiner und schlanker sein als die alte und hat eine trapezförmige Form über der Limmat. (Bild: Atelier Brunecky)

Die Rathausbrücke in der Zürcher Innenstadt wird ersetzt. Die neue Brücke soll kleiner und schlanker werden als die alte. Dazu haben die Zürcher Wahlberechtigten im vergangenen November 58 Millionen Franken für einen Neubau bewilligt. Doch jetzt zeigt sich, dass der Kredit nicht reicht und der Stadtrat «aufgrund unvorhersehbarer Kostensteigerungen» zusätzliche 19 Millionen Franken beantragt. 

Der Tages-Anzeiger sprach von einer «unangenehmen Überraschung». Wirklich überrascht ist aber niemand. Das «Züri Finish» ist längst berüchtigt – städtische Bauprojekte werden am Ende fast immer teurer als geplant. Die einen schieben es auf angeblich vergoldete Toiletten in der Verwaltung, andere auf immer neuere Klima-Massnahmen.

Zyniker:innen (also wir von Tsüri.ch) sehen eher Kalkül: Dem Stimmvolk wird ein moderater Kredit präsentiert. Sobald der Bau läuft, tauchen «unvorhersehbare» Kosten auf – und das Parlament nickt den Nachschlag ab. Denn wer will schon ein halbfertiges Schwimmbad? Oder eine Brücke mit nur zwei Pfeilern?

Beim Zusatzkredit für den Umbau des Kongresshauses räumte Hochbauvorsteher André Odermatt (SP) im Tages-Anzeiger «Planungslücken» ein. Wir fragen uns deshalb: Welche Lücken liessen sich mit all den Zusatzkrediten sonst noch stopfen?

Hier eine unvollständige Liste der grossen Kostenexplosionen städtischer Bauten:

Rathausbrücke

58 Millionen Franken waren geplant. Jetzt soll der Neubau 77 Millionen kosten.

Mit der Differenz von 19 Millionen Franken hätten wir unserem Stadtrat auch eine neue Mega-Yacht kaufen können. Oder 14’000 Wasserpedalos auf dem Zürichsee für die Bevölkerung.

Sportzentrum Oerlikon

Blick auf die Rasensportanlage mit Garderobengebäude (Visualisierung: studio blomen, Zürich)
Blick auf die Rasensportanlage mit Garderobengebäude. (Bild: Studio Blomen)

Das Projekt gehört zu den grössten städtischen Bauvorhaben im Sportbereich. Langfristig soll in Oerlikon eine moderne, nachhaltige Sportinfrastruktur für die Bevölkerung, die Schulen und den Vereinssport im stark wachsenden Zürich Nord entstehen. 

Die Kosten wurden ursprünglich auf rund 175 Millionen Franken geschätzt worden. Bei der ersten Korrektur ging die Stadt von 210 Millionen aus. Zuletzt bewilligte der Zürcher Gemeinderat – teils zähneknirschend – einen Kredit von sagenhaften 373 Millionen Franken. Das letzte Wort werden am 28. September 2025 die Stimmberechtigten haben.

Differenz vom jüngsten Kostenanstieg: Der Bau wird somit voraussichtlich 163 Millionen Franken teurer als ursprünglich gedacht.

Damit liesse sich jede Zürcher:in für ein halbes Jahr mit einem Fitnessabo in einem Billigcenter ausstatten.

Tonhalle und Kongresshaus

Ursprünglich war für den Umbau des Zürcher Kongresshauses von 140 Millionen Franken die Rede. Die Stimmbevölkerung stimmte schliesslich einem Kredit von 165 Millionen zu. Wegen zwei grösseren Bauverzögerungen und anderen Überraschungen wurde der Baukredit auf 178 Millionen Franken erhöht.

Differenz: 13 Millionen Franken oder auch eine Stradivari-Geige.

Corso-Umbau

Variété im Corso Zürich um 1955
Die Geschichte des Corso beginnt 1900 als Variété-Theater. (Bild: Michael Wolgensinger, Baugeschichtliches Archiv)

Auch das Corso wird saniert. Das geschichtsträchtige Gebäude am Sechseläuteplatz beherbergte in der Vergangenheit ein Variété, einen Musikklub und Udo Jürgens, inklusive seines gläsernen Flügels. 

2017 rechnete die Stadt noch mit 21 Millionen Franken für einen Umbau. Jetzt soll das Projekt fast das Dreifache kosten als ursprünglich geschätzt. Für die geplanten 60 Millionen Franken hat 2023 der Stadtrat einen Zusatzkredit gutgeheissen.

Mit den zusätzlichen 41 Millionen könnten wir mehr als 13 zusätzliche Staffeln von Tschugger drehen lassen. 

Wache Nord

Beim neuen Gebäude für Feuerwehr und Sanität in Oerlikon explodieren die Kosten ebenfalls. Dort rechnete die Stadt 2016 noch mit 48 Millionen Franken. Als die Stimmbevölkerung 2021 über das Projekt entschied, war der Kredit bereits auf 107 Millionen Franken angewachsen. Danach gab es Komplikationen beim Bau, weswegen der Stadtrat zusätzliche 21,5 Millionen Franken lockermachte.

Für 21 Millionen Franken könnte man bestimmt die Messe Oerlikon auf «Tsüri.ch-Arena» umtaufen.

VBZ Tramdepot Kalkbreite

Tramdepot Kalkbreite Zürich
Die energetische Sanierung erhöhte die Baukosten. (Bild: Juliet Haller, Baugeschichtliches Archiv)

Das VBZ-Tramdepot Kalkbreite wurde 2019 umfassend saniert. Erst rechnete die Stadt mit 13 Millionen. Eine ursprünglich nicht geplante energetische Sanierung eskalierte die Baukosten auf 32 Millionen Franken.

Mit den 19 Millionen Franken könnten alle Stadtzürcher:innen eine Woche lang täglich einen Cappuccino trinken. 

Diese unvollständige Auswahl alleine kommt auf Zusatzkosten von 276 Millionen Franken. Damit könnte sich die Stadt Zürich einen weiteren Wohnraumfonds leisten, um den Anteil gemeinnützigen Wohnraum auszubauen. 

Korrektur vom 28. August 2025: In einer früheren Version konnte der Eindruck entstehen, André Odermatt (SP) sei für die Kostensteigerung der Rathausbrücke verantwortlich. Für die Sanierung der Rathausbrücke ist das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement von SP-Stadträtin Simone Brander zuständig. Auch ist selbstverständlich kein Stadtrat oder Stadträtin alleine für irgendwelche Kostensteigerungen verantwortlich.

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