Premiere in Locarno für Zürcher Film über Polizeirepression

Der Dokumentarfilm «Revier» feiert Premiere am Locarno Filmfestival. Es ist das Erstlingswerk des 25-jährigen Regisseurs und Studenten Felix Scherrer, das auch für den Nachwuchspreis nominiert ist.

Filmstill Territory, Polizei
Ausschnitt aus dem Film Territory (Bild: Revier / Territory: pd)

Felix Scherrer telefoniert aus Locarno. «Ich mach mich uf en Art halt scho recht blutt», so beschreibt der junge Regisseur die Erfahrung, die er derzeit im Tessin macht. Der 25-Jährige feiert gerade mit seinem Kurzfilm «Revier» Premiere beim Locarno Film Festival. Der Film, es ist Scherrers erster, setzt sich mit den Themen Polizei, Überwachung und Macht auseinander und verarbeitet dabei eine persönliche Erfahrung.

Am Dienstagnachmittag wurde «Revier» zum ersten Mal einem Publikum gezeigt. Circa 800 Personen waren im Kino und haben sich den Film angeschaut. Scherrer zeigt sich im Nachhinein erleichtert und zufrieden: «Es war sehr schön, all die Menschen und die unterschiedlichen Reaktionen im Raum zu spüren.»

Der Film beginnt mit einem Stadtspaziergang durch Zürich, der jäh in einer Polizeikontrolle endet. Der Ich-Erzähler berichtet, wie er von einem Zivilpolizisten als Teilnehmer einer Demonstration identifiziert wird, die zwei Jahre zurückliegt. Angeblich über ein Fahndungsfoto, das bei später bei der Akteneinsicht aber nirgends auftaucht.

Spaziergang durch Zürich endet in Polizeikontrolle



Es ist ein persönliches Erlebnis, das Felix Scherrer hier verarbeitet und selber auch als Erzähler einspricht.

Die Stadt-Szenen werden abgelöst von Aufnahmen der 1. Mai Demonstration 2023, wo bei der nicht bewilligten Nachdemonstration ein Mann durch den Einsatz von Gummischrott auf einem Auge erblindete. Standbilder zeigen die Polizei bei der Arbeit, Einsatzwagen, Kameras, Flutlichter, noch mehr schwarz uniformierte Polizist:innen, Wasserwerfer und Tränengasnebel.

Filmstill, Polizei
Jene beobachten, die sonst alle im Fokus haben. (Bild: Territory / Revier: pd.)

In einer Mischung aus Essay- und Dokumentarfilm wird die Geschichte durch Aufnahmen der 1. Mai Demonstration 2023 und dem neuen Polizei- und Justizzentrum (PJZ) an der Güterstrasse illustriert. In langen Standbildern wird die Polizei bei ihrer Arbeit beobachtet. Auf dem Dach des PJZ, im Einsatzwagen draussen, Kameras an Gebäudeeingängen, noch mehr schwarz uniformierte Polizist:innen auf der Strasse, Wasserwerfer und Tränengasnebel.

Im O-Ton hört man Scherrers Erzählstimme, ein nachgespieltes Telefonat mit der Stadtpolizei und Demo-Lärm. Fiktive und dokumentarische Momente verschwimmen ineinander.

Eingebettet in diese Szenen sind teils unscharfe, verwackelte Aufnahmen derselben Szenen, die von Freund:innen von Scherrer mit Mini-DV-Kameras festgehalten werden. «Im Prozess habe ich gemerkt, dass ich diese Geschichte nicht nur aus meiner Perspektive erzählen will», erzählt Scherrer. «Der Film soll das Gefühl vermitteln, welches die polizeiliche Omnipräsenz in Zürich, die teilweise auch in Gewalt endet, bei mir, aber auch bei vielen anderen hinterlässt.»

Als Zuschauer:in bekommt man durch das Heranzoomen an die Polizist:innen auf den Dächern des PJZ, das Abspielen des Telefonats oder durch die langsamen, voyeuristischen Bilder der Einsatzkräfte das Gefühl, dass hier die Rollen getauscht wurden. Hier sind jene im Fokus, die sonst alle überwachen.

Nominiert für Newcomerpreis

«Revier» läuft in Locarno in der nationalen Auswahl und ist für den Newcomerpreis nominiert. Die Preisverleihung ist am Samstag. Der Film entstand im Rahmen Scherrers Filmstudium an der ZHdK. Fast zwei Jahre lang haben sein Team und er am Projekt gearbeitet. Schlussendlich sei es seine Mentorin gewesen, die ihn dazu motiviert hatte, den Film in Locarno einzureichen. Neben Felix Scherrer wird auch «Lux Carne» von ZHdK-Absolventen Gabriel Grosclaude aus Neuchâtel auf dem Festival gezeigt. 

Felix Scherrer, Regisseur
Felix Scherrer zeigt seinen ersten Film in Locarno. (Bild: pd)

«Es ist eine riesige Chance, dass ich den Film so vielen Leuten zeigen kann. Aber gleichzeitig war ich allenfalls auch etwas naiv in Bezug auf das, was mich hier erwartet», sagt Scherrer. Für die Dauer des Festivals ist Scherrer im Base Camp vor Ort stationiert, ein Ort, der explizit für junge Filmschaffende vorgesehen ist. Das bedeutet viel Networking, Smalltalk und sich in der Szene verorten. Die ganze Erfahrung sei schön, aber auch überwältigend.

Zweimal noch wird «Revier» in Locarno gezeigt. Heute Abend und dann morgen, Donnerstag. Bei Scherrer haben sich bereits erste Festivals gemeldet, die den Film gerne ins Programm aufnehmen wollen und so vielleicht ja auch nach Zürich bringen. 

Hier geht es zum Trailer vom Film.

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