Papikolumne: Wie Eltern die Corona-Krise meistern
Vater zu werden und zu sein, ist ein Abenteuer. Antoine Schnegg bezeichnet sich zwar nicht als Experten auf dem Gebiet, Vater ist er trotzdem geworden. In dieser Kolumne soll es darum gehen, wie man im Homeoffice versuchen kann, nicht die Nerven zu verlieren.
Ich habe ein Flair für trashige Science-Fiction. Weltraum-Epen à la Perry Rhodan oder Barbarella fand ich eigentlich schon immer ziemlich witzig und unterhaltsam. Nach über zwei Wochen Coronatime zu Hause komme ich mir immer mehr wie in einem schlechten Science-Fiction Roman vor: Die Crew (L., meine Partnerin und ich) sind auf einem kleinen Raumschiff (unsere Wohnung) gefangen, welches ziellos durch die Galaxis treibt. Immer wieder müssen wir Aufträge für die Raumfahrtbehörde erledigen (Homeoffice), aber wir wissen nicht, wann unser Raumschiff sein Ziel erreichen wird. Die Treibstoffvorräte (WC-Papier) reichen vorläufig auch noch und wir sind guten Mutes.
Keine Angst. Ich habe den Verstand (noch) nicht komplett verloren. Ich werde mich auch nicht in nächster Zeit zum Jack Torrance verwandeln und meiner Familie etwas antun. Social Distancing und das Mehr an Betreuungsarbeit in Verknüpfung mit Homeoffice sind für mich aber eine grosse Herausforderung. Ich hatte mich ja Ende März schon etwas gefreut und einen Haufen (trashige Science-Fiction) Filme aus dem Internet gesaugt. Jetzt ist das Wetter traumhaft und ich hatte noch keine Zeit einen einzigen dieser Filme zu glotzen.
Schichtbetrieb im Raumschiff
Meine Partnerin und ich arbeiten beide momentan zu Hause. Das geht bei unseren Bürojobs auch ganz gut und wir können glücklich sein, dass unsere Jobs durch die Pandemie eher Aufwind erhalten und wir somit allerhand zu tun haben. Wir haben nach einer Woche zu Hause gemerkt, dass wir uns klare Schichten zuteilen müssen, da wir sonst nicht konzentriert genug arbeiten können. So kann es sein, dass ich mich morgens um L. kümmere und ich am Nachmittag dafür etwas arbeiten kann. Dies führt zur Situation, dass meine Partnerin und ich eigentlich immer am Arbeiten oder am Kinder betreuen sind. Wir haben kaum «Leerzeiten», wo wir nichts tun. Hinzu kommt noch ein erhöhter Koordinationsaufwand: Wir müssen unsere «Schichten» aufteilen, wir kochen mehr (da wir immer zu Hause essen) und heute habe ich auch gemerkt, dass die Wohnung schneller dreckiger wird als sonst, was zu mehr Haushaltsarbeit führt.
Ich bin mir bewusst, dass das Engagement der ganzen Crew des Raumschiffs momentan gefordert ist. Und bis jetzt bin ich sehr stolz auf uns. Wir gehen uns nur ein wenig auf die Nerven, geniessen aber auch die Zeit sehr, die wir miteinander verbringen. Manchmal lasse ich die Arbeit auch liegen und spiele mehr mit L. Und heute schlich sich L. während einer Telefonkonferenz an mich heran, um lauthals wie ein Hahn ins Mikrofon zu krähen. Sämtliche Teilnehmer*innen der Telefonkonferenz mussten ab dieser Kids Bomb lauthals loslachen. Ich finde es überhaupt nicht cool, dass Arbeit und Privatleben mehr verschmelzen, aber immerhin hat die Arbeit jetzt durchaus Verständnis für die Herausforderungen von Eltern.
Corona-Koller lauert
COVID-19 ist eine angsteinflössende Krankheit. Ich mache mir aber mehr Sorgen, dass die sekundären Effekte dieser Pandemie uns langfristig zu schaffen machen. Ich kann jetzt keine Überlebenstipps abgeben, da unser Raumschiff erst vor kurzem Warp-Geschwindigkeit erreicht hat und wir wohl noch eine ganze Weile durch die Galaxis fliegen werden. Ich habe mir persönlich vorgenommen, gewisse Sorgen allerdings etwas zu vernachlässigen. Meine Familie und mein Umfeld sind gesund und in Sicherheit, das ist für mich am Wichtigsten. Deshalb zerbrich ich mir nicht den Kopf darüber, dass ich momentan nicht meine Top-Produktivität an den Tag lege.
Ich versuch trotzdem jeden Tag mit L. rauszugehen. Unser Cargobike ist das ideale Erkundungsmodul um isolierte Flüge um die Asteroidengürtel zu unternehmen. Gestern waren L. und ich ganz alleine im Wald Bärlauch pflücken, dass wir dann zu Pesto verarbeitet haben. Diese intensive gemeinsame Zeit zu zweit werden wir wohl in dieser Form nie mehr haben, also versuche ich das Beste daraus zu machen. Und wenn L. im Bett ist, lassen wir erst mal das Geschirr und die Papierberge aus dem Homeoffice stehen. Dann genehmigen meine Partnerin und ich uns erstmal einen Drink. Das könnte jetzt möglicherweise auf ein auffälliges Suchtverhalten hinweisen, ist mir momentan aber egal. Während des wohlverdienten Apéros nehmen wir dann digital Kontakt zu anderen Raumschiffen in der ganzen Galaxis auf und plaudern ein wenig. Es könnte schlimmer sein.
Irgendwann landen wir
Unser Raumschiff wird eines Tages seinen Zielplaneten erreichen. Und auch wenn wir noch nicht sagen können, wann das sein wird, lässt sich zumindest schon folgendes vorhersagen: Sobald es wirklich wieder sicher ist, wird es (mindestens) eine Riesenparty! Ich werde vermutlich wahllos Menschen in Zürich umarmen und das Leben ausgiebig feiern. L. darf dann eine lange Zeit zu seinen Grosseltern gehen, die ihn schrecklich vermissen (und er sie auch).
In der Zwischenzeit müssen wir die Vorgaben des Galaxierats und von Admiral Koch verinnerlichen und anwenden.
Auch wenn ich manchmal Angst habe und den Tränen nahe bin, diese furchtbare Zeit wird irgendwann vorübergehen. Unsere Gesellschaft wird vielleicht nachher etwas anders aussehen, was uns aber nicht verunsichern sollte. In der Zwischenzeit müssen wir die Vorgaben des Galaxierats und von Admiral Koch verinnerlichen und anwenden. Wir dürfen den Mut in diesem Kampf nicht verlieren, denn wie schon Yoda im grossartigsten Weltraum-Epos sagte: «Fear is the path to the dark side. Fear leads to anger. Anger leads to hate. Hate leads to suffering.»
Möge die Kraft mit euch sein!
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