Zürcher Gemeinderat fordert neue Strichzone an der Langstrasse

Um die Situation von Sexarbeitenden zu verbessern, will eine Mehrheit des Zürcher Parlaments im Langstrassenquartier eine neue Strichzone einführen.

Langstrasse
Im Langstrassenquartier könnte eine neue Strichzone eingeführt werden. (Bild: Tsüri.ch)

Die Situation der Sexarbeiter:innen an der Langstrasse ist ein kontroverses Thema. Ein Vorstoss von SP, Mitte und AL fordert nun die Einführung von neuen Strassenstrichzonen im Quartier. Ziel ist, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und Ausbeutung zu reduzieren. Anna Graff (SP) betonte: «Die Möglichkeit, an der Langstrasse legal zu arbeiten, ist ein langes Anliegen der Sexarbeiter:innen.» Sie sieht in der Legalisierung eine effizientere Lösung als Polizeirepression.

Doch nicht alle sind überzeugt. Stephan Iten (SVP) reagierte ironisch: «Da könnte man auch eine Strassen-Drogen-Zone einführen.» Er verstehe nicht, warum eine solche Zone nötig sei. Markus Knauss (Grüne) äusserte Bedenken: «Die Langstrasse ist bereits überlastet. Eine Strichzone könnte neue Probleme für die Anwohnenden bringen.» Gleichzeitig forderte seine Parteikollegin Anna-Béatrice Schmaltz, den Fokus auf Schutz und Rechte der Frauen zu legen: «Es nützt niemandem, wenn die Sexarbeiter:innen kriminalisiert werden.»

Ein zentraler Punkt des Postulats ist die Entkriminalisierung, um Gewalt und Ausbeutung entgegenzuwirken. Karin Weyermann (Mitte) argumentierte: «Eine Sexarbeiterin in Not ruft eher die Polizei, wenn sie legal arbeiten darf.» Auch Patrik Brunner (FDP) forderte, die Realität anzuerkennen und pragmatisch zu prüfen.

Das Anliegen wurde trotz Gegenstimmen der SVP und Teilen der Grünen dem Stadtrat zur Prüfung überwiesen. Die vorgeschlagene Umsetzung soll quartiersverträglich erfolgen und auch die Erfahrungen der Aufhebung des ehemaligen Strassenstrichs am Sihlquai berücksichtigen.

Wer wohnt in einer gemeinnützigen Wohnung?

Der Zürcher Gemeinderat hat einen Antrag der FDP abgelehnt. Dieser forderte, dass Parlamentarier:innen angeben müssen, ob sie in städtisch geförderten Wohnungen leben. Dieser Verstoss wurde heiss diskutiert und offenbarte deutliche Bruchlinien zwischen den Parteien.

Ursprung des Antrags war ein Artikel in der NZZ am Sonntag. Demnach haben Jungfreisinnige der Zeitung Zahlen zugespielt, die zeigen, dass weit mehr linke Politiker:innen in gemeinnützigen Wohnungen leben, als dies auf der anderen Ratsseite der Fall ist.

Përparim Avdili (FDP) zeigte sich empört: «Wir waren schockiert, aber nicht überrascht.» Bis zu 60 Prozent der linken Parlamentarier:innen sollen in gemeinnützigen Wohnungen leben – ein Umstand, den die FDP als «Klientelpolitik» kritisiert. Sie fordert Transparenz, um sicherzustellen, dass «Wohnraum auf Kosten der Steuerzahler gerecht verteilt wird».

Die Grünen, die SP, die AL und die GLP wehrten sich vehement gegen diese Anschuldigungen. Matthias Probst (Grüne) nannte den Antrag einen Versuch, «Mitglieder des Gemeinderats zu diskreditieren». Er betonte, dass Genossenschaften eine Lösung für die Wohnungsnot seien, und fügte hinzu: «Es geht niemanden an, wo wir wohnen.»

Auch in der Mitte gab es Ablehnung. Karin Weyermann argumentierte: «Im Gemeinderat sollen auch jene vertreten sein, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind.» Sie bezeichnete die Offenlegung als wenig hilfreich und als Eingriff in die Privatsphäre.

Demgegenüber kritisierte Samuel Balsiger (SVP) die Doppelmoral der Linken: «Transparenz fordern sie überall – ausser bei der Wohnform.»

Am Ende scheiterte der Antrag deutlich gegen die Stimmen von FDP und SVP.

Weitere Themen der Woche:

  • Die Stadt Zürich kriegt geschlechtergerechte Ampeln. Bei den Zürcher Zebrastreifen lotsen Männer mit Hut den Weg: rot = stehen, grün = gehen. Dies wird sich in Zukunft ändern. Die Stadt orientiere sich noch immer zu fest an den kinderlosen Männern, die mit Autos unterwegs sind, so die SP-Politikerin Rahel Habegger. Wenn künftig die Signaletik erneuert werden muss, wird dies geschlechtergerecht geschehen. Ein Vorstoss der SP fand gegen die Stimmen von FDP, SVP und Mitte/EVP eine Mehrheit.
  • Fahrverbot an der Langstrasse bleibt: Seit einem Jahr sorgt das Verkehrsregime mit einem teilweisen Fahrverbot für Autos an der Langstrasse für hitzige Diskussionen. Stephan Iten (SVP) nennt es einen «Schnellschuss» und fordert die Aufhebung des Fahrverbots: «Ewig lange Umwege und unverständliche Signalisation – das widerspricht den Klimazielen!» Doch Karin Rykart, zuständige Stadträtin, betont, dass Verkehrsteilnehmende Zeit brauchen, sich an neue Regeln zu gewöhnen. Von allen Seiten wurde eine bessere Signalisation gefordert, um das Chaos zu beenden. Der Vorstoss wurde trotz Stimmen der FDP, SVP und Mitte/EVP abgelehnt.
  • Familien von Kindern mit Autismus stehen vor Herausforderungen – auch finanziell. So begründet Dafi Muharemi von der SP den Vorstoss für finanzielle Unterstützung für entsprechende Familien mit wenig Geld. Es gehe darum, dass Kinder mit Autismus an der Gesellschaft teilhaben und später ein selbstbestimmtes Leben führen können. Michele Romagnolo von der SVP lehnt den Vorstoss ab, weil es für Kinder in der Schweiz bereits genügend Unterstützung gebe – zum Beispiel über die IV. Die Mehrheit unterstütze den Vorstoss und überwies das Postulat gegen die Stimmen der SVP, FDP und GLP.
  • Kein Verzicht auf Tempo-30: Die SVP wollte das Einführen von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstrassen bis zur Klärung neuer gesetzlicher Grundlagen pausieren. Ziel war es, finanzielle und ökologische Rückbauten zu vermeiden, bis der Bund neue Regelungen im Strassenverkehrs- und Umweltschutzgesetz verabschiedet. Gegenstimmen kamen von links-grünen Fraktionen, die Tempo 30 als wichtigen Schritt für Sicherheit und Umwelt betrachten. Der Vorstoss wurde gegen die Stimmen von SVP, FDP und Mitte/EVP abgelehnt.
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