Migrant:innen und Journalismus: «Feingefühl? Fehlanzeige!»

Medienhäusern wird immer häufiger mangelnde Diversität und «problematisches Framing» vorgeworfen. Was macht es mit uns, wenn über Personen mit «migrantischem Hintergrund» lediglich im Opfer- oder Täter-Narrativ berichtet wird? Was wird signalisiert, wenn zu unterschiedlichen Themen immer die gleichen Expert:innen zu Rate gezogen werden? Und wo müssen die Redaktionen und Journalist:innen ansetzen?

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Mohamed Amjahid: «Wir leben in einer postmigrantischen, diversifizierten Gesellschaft.» (Bild: Unsplash/Christina Wocintechchat)

Mitten im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf vor zwei Jahren kündigte die «Washington Post» die Schaffung von mehr als einem Dutzend neuer Stellen an, welche die Berichterstattung über den wachsenden nationalen Diskurs über Diversität und Rasse verbessern sollen. Der damalige Chefredaktor Marty Baron bezeichnete diesen Schritt als historischen Moment in der US-amerikanischen Geschichte: «Wir müssen unsere Berichterstattung überprüfen und unsere Ressourcen auf die Themen Rasse, ethnische Zugehörigkeit und Identität konzentrieren, die eindeutig mehr Aufmerksamkeit verdienen.»

Dass sich diesbezüglich auch in den deutschsprachigen Medien etwas verändern muss, ist spätestens seit den Black-Lives-Matter-Protesten im kollektiven Bewusstsein angelangt. Denn: Am Ende steuern zu einem grossen Teil die Medien, wie und was wir von der Welt sehen – und was nicht. Was macht es mit uns, wenn über Personen mit sogenanntem «migrantischen Hintergrund» lediglich im Opfer- oder Täter-Narrativ berichtet wird – aber nie auf Augenhöhe? Was wird signalisiert, wenn zu unterschiedlichen Themen immer die gleichen, weissen Expert:innen zu Rate gezogen werden? Reichen offen bekundete «gute Absichten» seitens der Redaktionen, um eine Veränderung voranzutreiben? Oder müssen wie bei der «Washington Post» ganze Teams neu aufgestellt werden? Und falls ja, wer soll das bezahlen?

Migrant:innen: Eine vergessene Zielgruppe

Sich mit dem Thema Diversität auseinanderzusetzen, bedeutet, es ernst zu nehmen, sagt die Autorin und Journalistin Alice Hasters in der Süddeutschen Zeitung-Serie «Was sich ändern muss», in der Medienschaffende aus ganz Deutschland darüber sprechen, was Redaktionen gegen rassistische Strukturen tun können. Zu Wort kommt dort auch der Mohamed Amjahid. Er findet: «Wir leben in einer postmigrantischen, diversifizierten Gesellschaft. Wenn aber alle Führungspositionen von Menschen besetzt sind und werden, die gleich sozialisiert sind, sehen auch die Medien austauschbar aus – und verlieren damit potenzielle Leser:innen.» 

Der Satz «Denk an den Leser» werde, wenn ausgesprochen, meistens nicht gegendert. Es gebe aber auch Leser:innen und die müsse man sich auch vorstellen, so der Autor und Journalist. Und genauso gebe es Leser:innen, die PoC (People of Color) sind, queer oder trans. «Man braucht für diese Menschen andere Perspektiven, damit auch sie bereit sind, für eine Zeitung Geld auszugeben, und sie gerne lesen. Ein wesentlicher Fehler hierbei ist, dass zwar viel über Menschen mit dem sogenannten Migrationshintergrund oder PoC geschrieben wird, man dabei aber vergisst: Sie sind nicht nur Objekt der Berichterstattung. Sie sind auch potenzielle Zielgruppe. Diese Perspektive erlebe ich in deutschen Redaktionen so gut wie nie.»

«Diverse Redaktionen sind nicht automatisch besser, haben aber bestimmt mehr Perspektiven im Blick als homogene Teams, die aus mittelalten, weissen Männern bestehen.»

Anna Jikhaerva, WOZ-Reporterin

Dass sich diese Sichtweise auch in der Schweiz durchsetzt, dafür wollen die «Neuen Schweizer Medienmacher*innen» (NCHM*) sorgen. Das Netzwerk von Medienschaffenden mit und ohne Migrationsgeschichte strebt eine Öffnung der Institutionen und Diversität in den Medienhäusern an. Dies sei wichtig, weil es für sie keine Frage, sondern ein Fakt ist, dass Schweizer Medien oft rassistische Stereotype reproduzieren. So thematisieren sie auf ihrer Homepage etwa einen Artikel des Beobachters über die «beispielhafte Integration» von Kosovo-Schweizerinnen, bei dem «der Blick einmal mehr auf das Fremde gerichtet wird, anstatt rassistische Strukturen zu hinterfragen». Oder das NZZ-Porträt des Soziologen Marko Kovic in dem ein Zusammenhang zu dessen Herkunft konstruiert worden sei, der nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun habe.

WOZ-Reporterin Anna Jikhareva, Co-Präsidentin der NCHM*, verfolgt die Schweizer Medienberichterstattung aufmerksam. Sie findet: «In der Schweiz leben zu einem Drittel Menschen mit Migrationsgeschichte» – und sie ist wie Hasters davon überzeugt, «dass Publikationen häufiger konsumiert werden, wenn dort die Lebensrealitäten dieser Menschen abgebildet sind.» Auf die Frage, welcher journalistische Beitrag sie zuletzt wütend gemacht hat, antwortet sie: «Ein NZZ-Kommentar, in dem im Rahmen des Ukraine-Kriegs zwischen echten und unechten Flüchtlingen unterschieden wurde.»

Nicht wütend, aber hellhörig wurde sie bei einem Beitrag, in dem es um die «unmenschlich tiefen» Sozialhilfegelder von ukrainischen Geflüchteten ging. Jikhareva: «Dass das Nothilferegime ein riesiges Problem hat, weiss man seit Jahren. Ich fragte mich deshalb: Weshalb merkt ihr es erst jetzt? Wo wart ihr die letzten Jahre?» Gleichzeitig sei es aber schön, dass der Missstand wenigstens jetzt thematisiert werde und somit grössere Aufmerksamkeit erhalte. 

Für die 36-Jährige spielen mehrere Faktoren mit, die dazu führen, dass es immer wieder zu stereotypisierter Berichterstattung kommt. Einer sei die Zusammensetzung der Redaktionen. «Ich behaupte nicht, dass diverse Redaktionen automatisch besser sind, aber sie haben bestimmt mehr Perspektiven im Blick als homogene Teams, die aus mittelalten, weissen Männern mit ähnlichen Hintergründen bestehen.» Dabei gehe es nicht nur um migrantische Perspektiven. «Wenn alle, sagen wir mal Geisteswissenschaften, studiert haben, reproduzieren die Journalist:innen dieses Wissen. Deshalb ist es wichtig, dass die Redaktionen in jeglicher Hinsicht vielfältig besetzt werden», so Jikhareva.

«Betroffenheit» kein negatives Attribut

Wie durchmischt die Schweizer Redaktionen tatsächlich besetzt sind, ist jedoch schwierig zu eruieren. Zahlen dazu gibt es keine aktuellen und während zum Beispiel der Frauen- und Männeranteil einfach aufzuschlüsseln ist, stellen sich beim Anteil von Personen mit migrantischem Hintergrund einige komplexe Fragen. Wer muss mitgezählt werden? Alle, die eine andere Muttersprache als Deutsch sprechen? Und was ist mit jenen, deren Muttersprache zwar Deutsch ist, die aber aufgrund ihrer Hautfarbe Rassismus-Erfahrungen gemacht haben – und die Thematik somit auf einer anderen Ebene betrachten können? Was zur nächsten Frage führt, die immer wieder für Diskussionen sorgt: Wer darf über welche Themen schreiben und wer nicht? Und weshalb wird PoC-Journalist:innen teils Objektivität abgesprochen, nur weil sie etwa von Rassismus direkt betroffen sind? 

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Anna Jikhareva: «Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wer die wichtigen Sendungen moderiert, wie mit den grossen Themen umgegangen wird.» (Foto: zvg)

«Betroffenheit» sei kein negatives Attribut, stellt Hasters in der Süddeutschen Zeitung klar. Natürlich würden PoC im Journalismus anders über dieses Thema berichten als Weisse es tun würden. Aber diese Betroffenheit sei kein Defizit. Im Gegenteil können sie ein Gewinn sein, der sich in der Arbeit niederschlage. Sie nennt ein Beispiel: «Es gibt genügend schwarze Expertinnen zum Thema Rassismus, die eine Expertise haben, weil sie zum Thema geforscht und jahrelang gearbeitet haben – und nicht nur, weil sie selbst Rassismus erleben. Aber natürlich schreiben sie anders darüber, als weisse Expertinnen und bringen ein Wissen mit, das dringend abgebildet werden muss. Sonst fehlt im Rassismusdiskurs etwas».

«Immer wenn ich einen Artikel über Gruppen aus dem Balkan las, hatte ich Angst, mich schon wieder als Anwältin einer ganzen Community profilieren zu müssen.»

Albina Muhtari, Gründerin baba news

Und überhaupt, fragt sich Jikhareva: «Was ist denn schon objektiver Journalismus?» Schliesslich habe jede:r einen Hintergrund, aus dem er oder sie berichte: «Man unterstellt Schweizer Autor:innen ja auch nicht, dass sie nicht über Schweizer Politik schreiben können, weil sie befangen sind.» Albina Muhtari, ebenfalls Vorstandsmitglied bei den NCHM*, findet: «Man kann von Aussen über Themen berichten oder aus einer Betroffenheit, es hat beides Platz.»

Die 35-Jährige hat vor vier Jahren das Online-Magazin baba news gegründet, das direkt aus dem Inneren einer multikulturellen Community heraus berichtet. Mit Erfolg: Auf Instagram zählt die Plattform bereits 19’000 Follower, beim letzten Crowdfunding kamen 100’000 Franken zusammen. Muhtari: «Für mich war das ein Zeichen eines grossen Vertrauensvorschusses, dass so viele Leute bereit waren, tatsächlich Geld in die Hand zu nehmen und für ein Medium zu zahlen.» 

Wie baba news «seltsames Framing» verhindern will

Und obwohl der Blick von Aussen wie von Innen Daseinsberechtigung habe, sei das journalistische Framing in Bezug auf das Thema «Migration» halt doch in den meisten Fällen negativ, bereits das Wort sei negativ behaftet. Wie zum Beispiel auch «Kopftuchträgerin» oder «Flüchtlinge». Es sei problematisch, dass man Millionen von Menschen Zuschreibungen mache, die sie zum Teil enthumanisieren. Die ganze Generationen, die in der Schweiz aufgewachsen sind, aber keinen Schweizer Namen haben, traumatisiere. «Immer wenn ich einen Artikel über Gruppen aus dem Balkan las, hatte ich Angst, schon wieder Fragen beantworten und mich als Anwältin einer ganzen Community profilieren zu müssen», erinnert sich Muhtari. 

Baba news entstand schliesslich aus dem Bedürfnis heraus, verschiedenste Themen und Erlebnisse zu verarbeiten. Auch, weil sie sich bei ihrem damaligen Arbeitgeber, einem der grössten Schweizer Medienhäuser, nicht wohl dabei gefühlt hat, in einem breiteren Ausmass über migrantische Themen zu berichten.» Die ersten Videos nahm Muhtari mit Freund:innen von Freund:innen zu Hause vor jenem grünen Vorhang auf, der heute in fast jedem baba news-Video vorkommt. Schritt für Schritt wurde das Team grösser. Derzeit sind drei Personen fest angestellt, weitere sind als Freelancer aktiv. Viel Platz haben sie im Büro, das zwischen Ostermundigen und Bern liegt, nicht: «Manchmal wird es ein bisschen eng, man muss sich echt gern haben, um hier zu arbeiten», lacht die Gründerin. 

Das Letzteres der Fall ist, zeigt sich auch in ihren Beiträgen. Mit viel Witz und stets auf Augenhöhe mit den Porträtierten thematisieren sie dort etwa das «klassische Machoverhalten», den Fastenmonat Ramadan, aber auch das Single-Dasein oder diskriminierende «Herkunft»-Fragestellungen. Inspirieren lässt sich Muhtaris Team durch den eigenen Alltag und Gespräche: «Wir kommen selbst aus der Community und das macht uns authentisch. Wir sind keine Outsider, die versuchen, Themen komisch zu framen.»  

Dieses «seltsame Framing» kommt in den Augen von Jikhareva noch immer viel zu oft vor. Eine Veränderung sei nicht in Sicht, immer wieder würden Journalist:innen in Fettnäpfchen treten. Feingefühl? Fehlanzeige. Zwar gebe es in einigen Redaktionen sogenannte «Diversity Boards», Jikhareva und Muhtari zweifeln jedoch beide daran, wie ernst diese gemeint sind. «Einige dieser Boards sind auf freiwilliger Basis aufgebaut sprich die involvierten Personen müssen ihre Freizeit dafür investieren. Die Thematik kann den Unternehmen also nicht so sehr am Herzen liegen, wenn sie dafür kein Geld in die Hand nehmen», so Muhtari. Veränderung müsse in den Strukturen stattfinden, es brauche flache Hierarchien. Eine Kultur, in der man sich auf Augenhöhe begegnet, in der nicht einfach alles von «Oben» diktiert werde. In der Kritik angebracht werden kann, die gehört wird. 

Auch Jikhareva findet, dass das Bemühen um eine diverse Berichterstattung kein «nice to have» sein darf, kein Freizeitanliegen. «Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wer die wichtigen Sendungen moderiert, wie mit den grossen Themen umgegangen wird. Ich bezweifle, dass die umstrittene Arena-Sendung ‹Jetzt reden wir Schwarzen›, die insbesondere aufgrund des Titels in Verbindung mit der Auswahl der Gäste für Kritik gesorgt hat, heute so viel anders umgesetzt worden wäre.»  

Wie durchmischt sind Schweizer Redaktionen?

Der Umgang mit der Diversitäts-Frage ist seitens der Schweizer Medienhäuser unterschiedlich: So schreibt etwa Karin Heim, Leiterin Unternehmenskommunikation der NZZ, dass man unter Diversität alle Merkmale wie Alter, Geschlecht und Hintergrund verstehe. «Eine gleichmässige Verteilung von Männern und Frauen, Jüngeren und Älteren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlichem Hintergrund in den Redaktionsteams erlaubt andere Zugangsweisen, neue Identifikationsmöglichkeiten und das Aufgreifen von anderen Themen in der Berichterstattung», so Heim. Eine Zielquote bezüglich Diversität in den Teams strebe man nicht an. Man wolle am Ende die besten Talente für die NZZ gewinnen. Ähnlich tönt es seitens CH-Media: Laut Pressesprecher Stefan Heini habe man keine Quoten oder Vorgaben betreffend der Diversität der Journalist:innen. Es werde jeweils jene Person eingestellt, die am besten aufs gesuchte Profil passe. Dies unabhängig von Geschlecht oder Nationalität. «Was die Berichterstattung betrifft: Wir berichten über alles, was relevant ist für unsere Leserinnen und Leser. Aus der Region, national und international. Ohne Quote/Vorgaben, wie und in welchem Zusammenhang über Personen mit migrantischem Hintergrund geschrieben wird», so Heini.

Immerhin: Beim Blick wurde im Herbst 2020 ein konzernweites «Diversity and Inclusion»-Board ins Leben gerufen. Darin seien laut Blick-Gruppe-Mediensprecher Daniel Riedel auch CEO Ladina Heimgartner und Chefredaktor Christian Dorer als Member vertreten – und arbeiten aktiv an der Umsetzung der dort getroffener Massnahmen mit. Dazu gehören unter anderem Unconcious Bias (unbewusste Voreingenommenheit)-Trainings, die für alle Führungskräfte obligatorisch und für die Mitarbeiter:innen optional sind. «In regelmässigen Abständen gibt es Workshops, Schulungen und Vorträge zum Thema Diversity and Inclusion, die auch im laufenden Jahr fortgeführt werden», so Riedel.

Blick-Konkurrentin 20 Minuten hat vor eineinhalb Jahren ebenfalls ein sogenanntes «Social Responsibility Board» ins Leben gerufen. Dort will man sich mit einer «nicht-verletzenden» Berichterstattung auseinandersetzen und entsprechende Manuals und Beratungen anbieten.  «Unter Diversity verstehen wir nicht nur Frauenförderung, sondern fassen den Begriff viel weiter. Das Social Responsibility Board konnte entstehen, weil wir bereits sehr divers aufgestellt waren und macht uns nun wiederum für diverse Mitarbeitende attraktiv», so Eliane Loum-Gräser, Leiterin Kommunikation 20 Minuten. Konkrete Quoten habe man weder in der Zusammensetzung der Redaktion, noch bei der diversen Berichterstattung gesetzt. (Zora Schaad, Leiterin des Social Responsibility Board, war zu Gast an unserem Podium zum Thema Journalismus und Gleichstellung)

«Es wendet sich nicht automatisch alles zum Besten.»

Anna Jikhareva, WOZ-Reporterin

Albina begrüsst diese Ansätze, denn ihr ist es ein grosses Anliegen, sich die Journalist:innen unvoreingenommener an Themen heranwagen: «Dass man zuerst die Menschen erzählen lässt, statt das Setting so einzurichten, dass dieses die bereits im Kopf zurecht gelegte Geschichte widerspiegelt.» Bereits während der Ausbildung müsse angesetzt werden. An der Schweizer Journalist:innenschule MAZ würden zum Beispiel nur wenig Menschen mit Migrationsgeschichte studieren. Und wenn es danach um Praktikas gehe, die in der Branche noch immer der Schlüssel zu einer Festanstellung sind, dränge sich die Frage auf, wer sich diese leisten könne. 

Es gebe viele Hürden zu überschreiten, manche sichtbar, manche unsichtbar, sagt auch Hasters. Es reiche nicht, dass Redaktionen sich mit Bewerbungen schmücken, in denen steht: «Wir begrüssen auch Bewerber:innen mit Migrationshintergrund» oder ähnliches. Vieles habe auch mit Sichtbarkeit zu tun – was bringt die Stellenanzeige oder Ausschreibung, wenn niemand von den Menschen, die sich angeblich angesprochen fühlen sollen, sie sieht?

Strukturelle Diskriminierung sei sehr resistent. «Man merkt: Ohne Quote kriegt man es anscheinend nicht hin. Wer wird repräsentiert? Wer sieht sich in gewissen Räumen? Deswegen müssen Redaktionen dort ansetzen, wo sie etwas ändern können. Sie können zum Beispiel eine Person beauftragen, die sich darum kümmert, diesen Nachwuchs zu akquirieren und zu überlegen, wie man ihn halten kann.» 

Wenn Jikhareva wünschen könnte, «was sich alles ändern muss», dann, dass vermehrt über all die Dinge, bei denen man nicht genau hinschaut, berichtet wird. Etwa über die soziale Realität aller Menschen in diesem Land, das eines der diversesten in ganz Europa sei. Denn man dürfe man nicht vergessen: «Nicht jeder ist Mittelschicht und sitzt in Zürich in irgendwelchen Hipstercafés. Es gibt viel Armut, Corona hat dies verstärkt.» Sie wünscht sich zudem, dass Medienschaffende sich vermehrt fragen: Wo sind meine eigenen blinden Flecken, womit könnte ich mich vertiefter auseinandersetzen? Und sie wünscht sich, dass die Redaktionsleitungen mitziehen. Denn am Ende liege es an jenen, die entscheiden. Wenn dort die Sensibilität nicht vorhanden sei, passiere gar nichts. «Es wendet sich nicht automatisch alles zum Besten – und so lange möchte ich auch nicht warten.»

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen unseres Fokusmonats «Journalismus». Am Dienstag, 3. Mai, findet das letzte dazugehörige Podium statt. Weitere Infos zu «Integration und Journalismus» findest du hier.

Passend zum Thema übrigens dieser Beitrag: Wie ein Zürcher mit alten Klischees von Schwarzer Männlichkeit aufräumt 

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