«Würden wir auf dem Schwarzmarkt verkaufen, wäre der Gewinn grösser»

Seit einem Jahr dürfen Zürcher:innen im Rahmen einer Studie legal kiffen. Zu Besuch in einem der zehn Social Clubs in der Stadt, wo Mitglieder gleich vor Ort Cannabis konsumieren können.

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Inhaber Max Donath im Fumoir seines Social Clubs «The Chronic». (Bild: Noëmi Laux)

Die Einlasskontrollen im «The Chronic» in Oerlikon sind strenger als vor jeder Clubtür. Jedes Mal, wenn jemand den Social Club betritt, schallt ein lautes, künstlich erzeugtes «Hello Welcome» durch den Raum – für Max Donath und sein Team bedeutet das: nachsehen, wer da ist, und kontrollieren, ob die Person bleiben darf. Denn kiffen darf hier nur, wer an der städtischen Cannabis-Studie teilnimmt und Mitglied ist.

Ein Kiffer:innen-Paradies

Ist der Einlass erst einmal geschafft, erstreckt sich ein wahres Paradies für Kiffer:innen: 12 verschiedene Cannabisprodukte; Blüten und Hasch, mit THC-Gehalten zwischen fünf und 20 Prozent stehen an der Theke zur Auswahl. Die Preise liegen zwischen 36 und 48 Franken pro 5-Gramm-Tütchen und orientieren sich am Schwarzmarktpreis.

Je höher der THC-Gehalt, desto teurer die Tüte. Das Gras stammt aus biologisch geführten Betrieben in den Kantonen Aargau und Zug. Pro Person und Tag dürfen zehn Gramm Cannabis über den Ladentisch gehen.

Neben den verschiedenen Cannabisprodukten werden in der Vitrine auch farbige Papes, Aktivkohlefilter und sogenannte Grinder, um die Blüten zu verkleinern, zum Verkauf angeboten.

Für Mitglieder, die ihren Joint direkt vor Ort rauchen, gibt es süsse Snacks, Softdrinks und Bier. Man biete bewusst keinen hochprozentigen Alkohol an, sagt der Betreiber, Max Donath: «Im Fokus steht der genussvolle Cannabiskonsum, wir wollen nicht, dass sich unsere Mitglieder betrinken.»

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Eine breite Auswahl an verschiedenen Cannabis-Produkten. (Bild: Noëmi Laux)

Wohnzimmer-Ambiente

Donath führt durch den Club. Vor rund einem Jahr waren das Fumoir und der Aussenbereich noch eine Baustelle. «Seither hat sich viel getan», sagt Donath und öffnet die schwere Tür zum Raucher:innenbereich. Das Licht ist gedämpft und verbreitet eine angenehme Wärme. Auf jedem Tisch stehen ein Aschenbecher, ein Grinder und eine Getränkekarte. Es gibt verschiedene Gesellschaftsspiele und eine Tischtennisplatte im Eingangsbereich. 

In einer Ecke des Raumes werden Bongs und Vaporizer in allen Grössen und Formen wie auf einem Altar ausgestellt. Gegen eine Reinigungsgebühr von fünf Franken können sie von den Mitgliedern benutzt werden. Donath greift nach einer grossen Glasbong, die aussieht wie eine Designerflasche. «Die allein kostet über 600 Franken», sagt er und stellt sie nach seiner Präsentation behutsam wieder zurück.

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Noch vor einem Jahr war das Fumoir eine Baustelle. (Bild: Noëmi Laux)
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Mitglieder können auch im Aussenbereich kiffen. (Bild: Noëmi Laux)

Vom Luxushotel in den Cannabis-Club

Noch werfe der Club keine Gewinne ab. Doch Donath glaubt fest an die Zukunft des «The Chronic» – und das muss er auch, denn der wirtschaftliche Preis, den Donath zahlt, um diesen Weg zu gehen, ist hoch. Der Social Club ist als Verein organisiert und nicht gewinnorientiert. Mittlerweile ist der Laden selbsttragend und der Lohn reicht zwar zum Leben, «grosse Sprünge können wir aber noch keine machen».

Genaue Zahlen will er nicht nennen, aber: «Würden wir auf dem Schwarzmarkt verkaufen, wäre der Gewinn grösser», sagt Donath und lacht. Davor arbeitete der 32-Jährige als Barkeeper im Fünfsterne-Luxushotel «Baur au Lac» direkt am Zürichsee. Dort lernte er auch seine beiden Geschäftspartner kennen und die Idee des eigenen Cannabis Social Clubs war entstanden.

«Es sollte normal sein, allen den Zugang zu hochwertigem und kontrolliert angebautem Cannabis zu ermöglichen.»

Max Donath, Gründer von «The Chronic»

So tauschten die drei das sichere Einkommen gegen eine offene Zukunft. Bereut hat Donath diesen Schritt bis heute nicht: «Mein jetziges Leben hat viel mehr Thrill», sagt er. «Mein grösster Antrieb ist es, nicht mehr für jemand anderes arbeiten zu müssen.»

Seine Entscheidung ist aber auch politisch-idealistisch getrieben. Er will dazu beitragen, dass der Weg für die Cannabis-Legalisierung in der Schweiz endlich vorangetrieben werde, was seiner Meinung nach «längst überfällig» sei. «Cannabis ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es sollte normal sein, allen den Zugang zu hochwertigem und kontrolliert angebautem Cannabis zu ermöglichen.»

Insgesamt zehn Social Clubs

Cannabis ist das am häufigsten konsumierte illegale Rauschmittel in der Schweiz. In der Stadt Zürich haben rund 150’000 Personen Erfahrung mit Cannabis, schweizweit hat jede dritte Person mindestens einmal Cannabis probiert, wie aktuelle Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zeigen – bislang hauptsächlich illegal.

Seit rund einem Jahr dürfen nun 3000 Stadtzürcher Kiffer:innen im Rahmen des Pilotprojekts «ZüriCan» legal Cannabis konsumieren. Die Studie wird in Zusammenarbeit der Stadt und der Universität Zürich geführt. Ziel der Untersuchung ist es, «politisch und fachlich relevante Erkenntnisse zum bestmöglichen Umgang mit Cannabis zu liefern», heisst es in der Studienbeschreibung.

Im Verlauf der dreieinhalbjährigen Studie müssen die Teilnehmer:innen regelmässig Fragebögen zu ihrem Konsum sowie ihrer psychischen und physischen Verfassung ausfüllen. 

«The Chronic» ist einer von zehn Social Clubs in Zürich, in denen die Mitglieder neben dem legalen Kauf auch direkt vor Ort kiffen können. Daneben gibt es über die Stadt verteilt zehn Apotheken und das Drogeninformationszentrum (DIZ) als Abgabestellen.

Die Teilnahme an der Studie ist an bestimmte Bedingungen geknüpft: Alle Bewerber:innen müssen vor der Aufnahme einen positiven THC-Urintest vorweisen, so soll verhindert werden, dass durch die Studie keine neuen Kiffer:innen angeworben werden. Zudem müssen alle Teilnehmer:innen in der Stadt Zürich gemeldet und volljährig sein. 

Hauptsächlich Männer

Die aktuellen Ergebnisse werden laufend veröffentlicht, zuletzt Ende Juni 2024. Von den 3000 Plätzen seien inzwischen 2048 besetzt – 80 Prozent davon Männer, was zu erwarten gewesen sei. Bei einer schweizweiten Online-Befragung zu Cannabis-Konsum aus dem Jahr 2016 gaben nur 20 Prozent der Frauen an, regelmässig Cannabis zu konsumieren.

Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden liege bei 35 Jahren, heisst es in der aktuellen Evaluation weiter, knapp ein Viertel sei zwischen 28 und 32. Interessant sind auch die Angaben der Befragten zur Konsumhäufigkeit. So gab eine Mehrheit an, mehr als viermal pro Woche zu konsumieren, was daraus schliessen lässt, dass die Teilnahme vor allem für Personen mit einem häufigen Konsum attraktiv zu sein scheint. 

Jeder Social Club kann bis zu 150 Mitglieder aufnehmen. Mittlerweile seien fast alle Plätze belegt, sagt Donath. Eine gewisse Fluktuation sei vorhanden, wenn auch gering.

Für die Zukunft wünscht sich der Betreiber, dass Cannabis endlich als das angesehen werde, was es sei: fester Bestandteil im Leben vieler Menschen. Konkret hofft er, nach Ablauf der Studie seinen Social Club weiterführen zu können, damit hochwertiges Cannabis nicht nur den Studienteilnehmer:innen, sondern allen Menschen zugutekomme – «und wenn das nicht klappt, dann haben wir es wenigstens probiert».

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